Wann würdet ihr eine Behandlung abbrechen?
Der Lieblingshund einer Bekannten ist über 10 Jahre alt und kann nicht mehr laufen. Seit über einem Jahr lässt sie ihn für je 20 Euro jede Woche mit Reizstrom behandeln. Einen Erfolg kann ich nicht feststellen. Auch alle anderen gemeinsamen Bekannten sind dieser Meinung. Wie würdet ihr verfahren? Meiner Ansicht nach wird sie abgezockt. Ich bezweifle auch, dass es dem Hund dabei gut geht.
Außenstehende können definitiv leichter urteilen als Betroffene. Die, welche ihr Tier sehr lieben und es als Familienmitglieder ansehen, können nicht mehr vorurteilsfrei handeln. Viele versuchen alles menschenmögliche für ihr geliebtes Tier zu veranstalten. Ich selbst habe in meiner Nachbarschaft Hundehalter mit einem alten Labrador. Die Hündin hat wohl so ziemlich alles, was man in diesem Alter haben kann, sieht aus wie ein gerupftes Huhn und schleppt sich mehr schlecht als recht durch die Gegend.
Ihre Halterin sagt, dass sie ohne Schmerzmittel gar keine Spaziergänge mehr mag. Ihr Gatte fährt regelmäßig eine einfache Strecke von 35 Kilometern mit dem Hund zur Unterwassergymnastik. Was ich davon halte, ist doch total zweitrangig, wenn überhaupt. Dieser alte Hund ist ihr ein und alles und sie tun eben alles dafür, damit er eben noch am Leben bleibt. 20 Euro für eine Reizstrombehandlung halte ich übrigens nicht für Abzocke. Schlimmer würde ich es finden, wenn der Hund unnütze Operationen erdulden müsste, unter denen er leiden würde.
Das wäre dann wohl neben der Quälerei schon eher Abzocke. Eine Reizstrombehandlung aber eben eher nicht. Ich musste zwei Katzen gehen lassen und habe nun eine klare Meinung entwickelt. Es soll alles dafür getan werden, meinen Tieren Leid zu ersparen und ihr Leiden nicht zu verlängern. Dazu habe ich einen eindeutigen Standpunkt. Und wenn hier ein Tier einmal gehen muss, dann verabschiede ich mich von ihm. Dann was unseren geliebten Haustieren vergönnt sein kann, nämlich deren Leiden ein Ende zu bereiten, wird uns Menschen eher nicht erspart.
Und genau so werde ich handeln. Ich werde meinen Tieren zusätzliches Leid ersparen und es vom Tierarzt so sanft wie es nur möglich ist, erlösen lassen. Denn das haben sie verdient, diesbezüglich stehe ich in ihrer Schuld. Ich werde aber keineswegs ihren Leidensweg verlängern lassen, dafür liebe ich sie zu sehr. Als Außenstehender und vielleicht noch dazu als jemand der kein Haustier hat, sieht man die Situation eben oft ganz anders.
Ich selbst bin auch dagegen, den Hund immer zur Unterwassergymnastik zu schleppen und ihn mit Schmerzmitteln zuzudröhnen. Aber was weiß ich schon. Ich sagte der Frau, dass ich da vorurteilsfrei bin und nur sie allein das Recht hat, zu entscheiden, was das Beste für ihren geliebten Weggefährten ist. Das sie nicht unvoreingenommen handeln kann, ist ja ganz klar. Sicher steckt da auch ein gewisser Egoismus dahinter aber die Entscheidung liegt eben bei den Haltern des alten Hundes.
Natürlich muss das jeder Tierhalter für sich selber entscheiden, aber ich kann nicht behaupten, dass ich hier "vorurteilsfrei" bin. Viele Haustiere haben nämlich ein ähnliches Problem wie wir Menschen, sprich, dass wir dank ausgezeichneter medizinischer Versorgung und idealen Lebensumständen fast schon "zu alt" werden. Woanders oder zur Zeit unserer Großeltern waren viele Krankheiten nicht deswegen kaum bekannt, weil "früher alles besser war", sondern weil die meisten Leute verbraucht und ausgemergelt mit 65 tot umgefallen sind. Dann brauchst du keine künstliche Hüfte mehr und Alzheimer kann sich auch ein anderes Opfer suchen.
Und anders als bei Menschen, sehe ich Haustierhalter durchaus in der Pflicht, ihre Tiere einschläfern zu lassen, wenn sie offensichtlich keine Lebensqualität mehr haben. So ein Tier versteht doch gar nicht, wieso Laufen so weh tut, Spielen keinen Spaß mehr macht, das Fressen nicht mehr rutscht und Aufstehen kaum noch möglich ist, wenn man sich hingelegt hat. So ein Leben fände ich so traurig und armselig, dass ich nur sehr wenig Verständnis für die Tierhalter aufbringe, die ihrem treuen Gefährten keinen halbwegs würdevollen Abgang ermöglichen, sondern den Arsch nicht in der Hose haben, das Richtige zu tun.
Im Zweifelsfall würde es mir natürlich auch schwerfallen, ein altersschwaches oder krankes Tier einschläfern zu lassen, weswegen ich keine Haustiere habe. Aber ein hilfloses Geschöpf leiden zu lassen, weil man sich selber vor negativen Gefühlen drücken möchte, finde ich schon ziemlich charakterschwach.
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