Wann wird Körperhygiene zum Zwang?

Eine Freundin von macht sich ernsthaft Sorgen um ihre Cousine. Diese muss es wirklich mit der körperlichen Hygiene übertreiben. Die Cousine ist wohl der Meinung, dass eine Frau auf keinen Fall Körpergeruch haben sollte und geht alleine deswegen schon morgens und abends unter die Dusche. Dies hält sie Sommer wie Winter gleich. Im Sommer wäscht sie sich jedoch auch zwischendurch immer noch mit einem Waschlappen, wenn sie meint, nicht mehr frisch genug zu sein.

Meine Freundin sagt, dass es auch nach einem Schwimmbadbesuch extrem wäre. Da würde sich ihre Cousine vorher schon duschen und dann im Schwimmbad auch nochmal, bevor sie ins Wasser geht und nach dem Schwimmbad auch noch einmal. Sie hat auch ständig solche Feuchtigkeitstücher dabei, damit sie sich unterwegs noch einmal frisch machen kann.

Meine Freundin konnte das nicht mehr mit Ansehen und hat sich ein Herz gefasst und ihre Cousine mal in einer ruhigen Minute darauf angesprochen. Die Cousine war doch sehr überrascht darüber, von den Sorgen meiner Freundin zu hören und meinte nur, dass es mit der Körperhygiene doch gar nicht übertreiben könnte.

Ich würde schon sagen, dass es sich bei der Cousine meiner Freundin nicht mehr um normale Hygiene handelt, sonder dass es schon ein Zwang ist. Ihre Haut wird sicherlich auch unter dem ständigen waschen leiden. Was meint ihr, wann wird auf körperliche Hygiene ein Zwang?

Also in unserem Schwimmbad ist es Pflicht, dass man vor dem schwimmen duscht, gehört sich ja auch nicht dreckig ins Wasser zu gehen. Einen Zwang sehe ich da auch nicht. Ich dusche auch 2x täglich, weil mir sonst die Kopfhaut juckt.

Zweimal täglich duschen ist ja nicht so ungewöhnlich, und dass sie sich zwischendurch immer wieder auffrischt, ist sicher unsinnig, aber als zwanghaft empfinde ich das Verhalten noch nicht. Ich denke eher, dahinter steckt eine etwas übersteigerte Angst, schlecht riechen zu können. Jemand, der wirklich einen Zwang in der Richtung hat, wird sehr vielmehr als zweimal täglich duschen, so jemand wird dann in zweistellige Bereiche täglich kommen und kann sein Verhalten nicht mehr kontrollieren.

Nicht jede Marotte ist immer gleich pathologisch. Wenn überhaupt, hat sie vielleicht leichte Eigengeruchs-Paranoia, auch das gibt es. Aber das kann man so auch nicht fix sagen, vielleicht ist sie einfach sehr unsicher bei dem Thema und übertreibt halt. Wenn ich mich in die Frau hineinversetze, finde ich aus ihrer Sicht ihr Verhalten vor dem Schwimmbad-Besuch nachvollziehbar, sie wird gerade dann durch die fehlende Kleidung Angst haben, irgendwie nicht zu gut riechen und greift dem durch vorheriges Duschen vorweg.

Natürlich gibt es noch zahllose andere Kriterien, aber wir sind hier ja nicht in einem Fachforum für psychische Krankheiten. Als Laie bin ich jedenfalls der Meinung dass Zwänge, ebenso wie Suchtverhalten oder ähnliche Phänomene erst dann den Bereich des "Normalen" verlassen, wenn die objektive oder subjektive Lebensqualität des Betroffenen über längere Zeit und erkennbar leidet. Und natürlich kann man es mit der Körperhygiene übertreiben: Manche Leute waschen sich die Hände, bis sie bluten, oder duschen bis zur Erschöpfung, um mit ihrer inneren Anspannung irgendwie klar zu kommen. Das ist dann eindeutig ein Zwang.

Ob es der Umwelt recht ist, dass jemand zweimal täglich duscht oder Computerspiele als Hobby hat oder nach Feierabend gern mal ein Viertele Wein konsumiert, ist für die Krankhaftigkeit eines Verhaltens erst einmal von untergeordneter Bedeutung. Kritisch würde es für mich erst werden, wenn der oder die Betroffene beispielsweise einen wichtigen Termin nach dem anderen verpasst, weil sie so lange unter der Dusche gebraucht hat, oder eine Ehe daran zerbricht, weil ein Partner den Blick nicht mehr vom Bildschirm lösen kann. Zweimal täglich zu duschen wird nicht allein dadurch zum Zwang, dass irgendeine dahergelaufene Cousine davon die Krise kriegt oder die Oma sagt "Kind, wir haben damals nur samstags gebadet, weil wir das Wasser noch auf dem Herd warm machen mussten!"