Wann Verständnis als Entlastung empfinden?

Ich las kürzlich, dass das Gefühl eines Individuums, verstanden zu werden, eine erstaunliche Wirkung auf den Menschen hätte. So würde sich der Mensch dann in Stress- und Konfliktsituationen durch Verständnis entlastend, entkrampft und befreit fühlen. Mich macht das ehrlich gesagt stutzig, denn ich habe solche Beobachtungen bei mir noch nicht machen können.

Wenn ich gestresst bin, dann bin ich gestresst und dann hilft mir Verständnis auch nichts und meine Situation verbessert sich dadurch ja auch nicht. Denn das Gefühl von Verständnis wäre ja nicht die Ursache des Stresses. Wie seht ihr das? Findet ihr, dass Verständnis entlastend bei Stress und in Konflikten wirken kann? Oder seht ihr das anders?

Als richtige Entlastung würde ich Verständnis in einer schwierigen Situation auch eher nicht sehen. Aber ich finde, dass es auf jeden Fall hilfreich sein kann. Für mich ist es manchmal etwas erleichternd, wenn ich weiß, dass die Person bei mir durchaus Verständnis hat und mich deswegen vielleicht in Ruhe lässt oder ähnliches. Es ist sicherlich schlimmer, wenn jemand eben kein Verständnis hat und dementsprechend gereizt oder wütend reagiert und dadurch dann alles verschlimmert wird.

Rein gefühlsmäßig (und darum geht es hier ja schließlich) empfinde ich es oft als sehr hilfreich, wenn ich auf Verständnis und Bestätigung stoße. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht emotional etwas verkrüppelt, aber mir tut es wirklich gut, wenn ich beispielsweise gerade Stress im Job habe und etwas höre wie "Das kann ich gut verstehen, da würde ich auch ausflippen, wenn der Chef so mit mir umspringt!" oder "Ich finde auch, dass deine Kollegin einen an der Waffel hat, und du machst das ganz richtig, wie du mit ihr umgehst!".

Natürlich ist so keins meiner Probleme gelöst, und es kann trotzdem gut sein, dass ich total im Unrecht bin und die Situation völlig falsch einschätze. Aber ich habe (wiederum rein gefühlsmäßig) in meinem Leben schon so oft gehört, dass ich entweder selber schuld bin oder mir irgendwelche Ratschläge anhören müssen, die implizieren, dass ich selber schuld bin oder dass ich selber schuld bin, weil ich mich überhaupt über manche Dinge aufrege, dass es für mich wirklich eine Erleichterung darstellt, wenn mir jemand bestätigt: Jawohl, das ist eine doofe Situation, und du machst das Beste daraus. Du bist zwar auch nicht unfehlbar, aber es lastet nicht immer die ganze Verantwortung auf deinen Schultern.

Ich verstehe, was du meinst. Wenn man jemandem erzählt, dass es einem zur Zeit nicht gut geht, man sich innerlich vielleicht einen Ratschlag wünscht, diese Person aber einfach "nur" zeigt, dass die unsere Gefühle nachvollziehen kann, dann hilft das am Ende des Tages auch nicht.

Ich persönlich kenne es eher anders herum. Wenn mir jemand von seinem Leid erzählt, habe ich den starken Drang, zu helfen, Lösungsstrategien anzubieten, um diesen Leidenszustand so schnell und effektiv wie möglich loszuwerden. Aber oftmals will mein Gegenüber einfach nur Verständnis und Anteilnahme, und fühlt sich durch mein Verhalten vielleicht sogar überrumpelt. Ich habe aber häufig das Gefühl, ich bin verantwortlich, zu helfen, wenn mir jemand zeigt, dass er Hilfe braucht. Das ist eine schwierige Gratwanderung, meines Erachtens.

Es gibt aber auch Situationen, in denen man sich vielleicht nicht ernst genommen fühlt, wenn der andere in jeder Problemsituation beteuert, er wisse, wie wir uns fühlen. Wenn mir beispielsweise jemand von seiner Trauer über seinen verstorbenen Bruder erzählt, werde ich niemals sagen, "Es tut mir leid, ich kann dich verstehen, ich weiß, wie du dich fühlst". Denn ich habe noch nie ein Geschwisterteil verloren, und würde nicht respektlos auftreten wollen, indem ich sage, dass ich das alles schon kenne, schon weiß, schon gefühlt habe, usw.