Wann und warum zu einem geistlichen Seelsorger gehen?

vom 27.06.2017, 16:31 Uhr

Es ist ja bekannt, dass ein Pfarrer auch Seelsorger ist und zumindest hier in der Region schreiben die Pfarrer, welche des Internets mächtig sind auf ihre Homepages, dass ein seelsorgerisches Gespräch jederzeit möglich ist.

Aber wann nutzt man eigentlich ein solches Gespräch beziehungsweise warum geht man lieber zu einem geistlichen Seelsorger als eine Beratungsstelle oder einen Psychologen aufzusuchen? Was kann so ein Pfarrer besser oder schlechter als z.B. eine Beratungsstelle der Caritas oder ein Psychologe?

Muss oder soll so ein Gespräch dann auch immer einen Bezug zu Gott haben? Also kann man da hingehen, wenn man in einer Kriese steckt und an seinem Glauben zweifelt, aber wenn man "nur" eine schwere Krankheit hat, aber gar kein Bezug zu Gott besteht dann eher nicht?

Habt ihr schon mal ein seelsorgerisches Gespräch genutzt? Wie läuft denn sowas ab? Ich meine nach einem Gespräch sind doch sicher nicht schwerwiegende Probleme gelöst.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Eigentlich ist es ganz simpel: Man geht dahin, wenn man das Bedürfnis hat, mit einer neutralen Person vertraulich zu reden. Natürlich löst das kein Problem, aber es kann helfen. Das kommt eben ganz auf die Chemie zwischen dem Geistlichen und Person mit Redebedarf an und ob man generell das Gefühl hat, dass "einfach mal auskotzen" gut tut.

Gründe kann es ganz viele geben und die müssen absolut nichts mit dem Glauben zu tun haben. Natürlich kann man als gläubiger Mensch darüber reden wollen, dass man sich von Gott verlassen fühlt, weil man selbst, das Kind oder ein anderer Angehöriger Krebs hat.

Man kann aber auch darüber sprechen, dass man unter Prüfungsangst leidet, sich bei einer Entscheidung unsicher ist, ein schlechtes Gewissen hat, weil die Pflege eines Angehörigen einen zunehmend emotional und körperlich belastet und so weiter und so fort.

Wichtig ist, dass man selbst das Gefühl hat, dass einem dieser Schritt hilft. Der Vorteil ist, dass für Mitglieder einer Gemeinde der Schritt zum Geistlichen oft einfacher ist als zu einer Beratungsstelle und dass ein Psychologe oft gar nicht nötig ist. Der Pfarrer kann das Problem unter Umständen lösen oder zumindest die Hemmungen nehmen, eine andere Stelle auszusuchen.

Ein einfaches Beispiel: Du pflegst seit Jahren deine geistig und körperlich eingeschränkten Eltern. Das kann extrem belastend sein. Wer einen entsprechenden Freundeskreis hat, kann sich da mal alles von der Seele reden. Aber nicht jeder hat solche Menschen im Umfeld. Wenn einem das alles Zuviel wird und Offenheit einem zum Gesprächsthema des Dorfes machen würde, dann kann so ein Gespräch sehr helfen.

Ich gehöre nicht zu dem Verein, aber ich bin im Umfeld von Nonnen und Priestern groß geworden. Da konnte man gut sehen, dass jemand der zuhört, der versteht, aber der nicht bewertet, für viele Menschen sehr wichtig ist. Wie so etwas abläuft, das bestimmen die Umstände und die Beteiligten. Man kann sich bei sich zuhause, im Pfarrhaus, im Gemeindezentrum oder in der Kirche treffen, einen Spaziergang machen, telefonieren oder heutzutage auch per Mail kommunizieren.

» cooper75 » Beiträge: 13429 » Talkpoints: 519,52 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Manche Leute sind tatsächlich religiös und befassen sich mit den Inhalten ihres Glaubens. Dabei tauchen natürlich auch Fragen und Zweifel auf, die einem Laien eher über den Kopf wachsen, und die man gerne mit jemandem besprechen möchte, der das Ganze studiert und generell von Berufs wegen einen guten Draht bis "ganz nach oben" haben sollte. Auch bei Lebens- und Glaubenskrisen aller Art ist es sicher hilfreich, jemanden zu haben, mit dem man darüber reden und so seine Gedanken wieder sortieren kann.

Beispielsweise kann ich mir vorstellen, dass religiöse Menschen mit der Frage zu ringen haben, wie Gott dies oder jenes zulassen kann und auf der Suche nach Lösungsansätzen sich an Seelsorger wenden, deren Job es ist, sich auch mit derlei nicht-materiellen Fragen zu befassen. Manche Leute wollen auch die Religion wechseln, nach einer längeren Auszeit wieder einsteigen oder generell mehr über die Prinzipien einer religiösen Lebensführung erfahren, da sie sich überlegen, ob ihr bisheriges gottfreies Leben tatsächlich langfristig tragbar ist.

Das Argument, dass durch ein seelsorgerisches Gespräch ja noch kein Problem gelöst ist, trifft in meinen Augen auch auf nicht-religiöse Therapien und Gespräche ohne theologischen Hintergrund zu. Wenn man nur jemandem zum Volljammern sucht, aber nicht vorhat, sein Leben in den Griff zu bekommen, ist es egal, ob man sich dafür an den Pfarrer oder einen Psychologen wendet. Bei spezifisch religiösen Themen kann man hier sicher Hilfe bekommen, die aber einem nicht-religiösen Menschen natürlich nicht viel hilft. Deswegen würde ich als gottferner Mensch auch nicht einem Pfarrer/Priester/Pastor mein Leid klagen und mich dann beschweren, dass derjenige meine Probleme nicht durch ein Wunder gelöst hat, sondern zu diesem Zweck an irgendeinen "Gott" verwiesen hat. :pray:

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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