Wann ist es sinnvoll eine Kita zu verklagen?

vom 08.05.2017, 06:06 Uhr

Ich habe schon von einigen Fällen gehört, wo man gegen eine Kita geklagt hat, damit man einen Betreuungsplatz bekommt, um derartige Fälle soll es hier aber nicht gehen. In einem anderen Beitrag schrieb ich ja schon, dass die Tochter meiner Chefin einen Unfall in der Kita hatte, weil die Aufsichtspflicht verletzt worden ist von den Erzieherinnen und nicht genügend Kindersicherungen vorhanden sind und das Kind aus diesem Grund einen gebrochenen Arm und eine Gehirnerschütterung davon getragen hat und das knapp vor dem dritten Geburtstag.

Meine Chefin hat schon mit den Erzieherinnen und der Leitung des Kindergartens gesprochen, wobei da jegliche Einsicht fehlt. Man hätte alles richtig gemacht und das Kind sei selbst Schuld, dass es auf eine Kommode klettern wollte und diese eben auf das Kind gefallen ist. Die Erzieher wären nicht in der Verantwortung und hätten ihre Aufsichtspflicht auch nicht verletzt. Das Kind hätte einfach Pech gehabt.

Meine Chefin ist so wütend darüber, dass sie eine Zeit lang sogar überlegt hat, die Kita zu verklagen, wobei sie aber noch abwägt, ob das so klug ist. Denn Kita-Plätze sind knapp und alternative Betreuungsmöglichkeiten fehlen und so kurzfristig wird es nur schwer sein, etwas zu finden. Unter welchen Umständen würdet ihr eine Kita verklagen? Wie würdet ihr an Stelle meiner Chefin handeln, wenn euer Kind betroffen wäre?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Wenn man einen Platz möchte, dann klagt man nicht gegen die Kita, sondern gegen die Stadt oder die Gemeinde. Diese ist für die Betreuungsplätze zuständig, dass diese in den ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden aber die Kita selbst wird dabei nicht verklagt oder belangt. Dass ist ein gewaltiger Unterschied und zwei Welten, was du hier miteinander vermischst.

So dann muss man mal weiter sehen, Aufsichtspflicht verletzen ist immer nett gesagt wenn dem eigenen Kind etwas passiert, aber sobald die Erzieher mit im Raum sind, ist diese gegeben. Es ist rein menschlich, dass man nur zwei Augen hat und damit nicht jedes Kind direkt immer im Blick hat. Hat man als Elternteil oder Mutter Zuhause ebenfalls nicht und das ist dann noch lange keine Verletzung der Aufsichtspflicht. Wären die Erzieher nun einen Moment draußen gewesen, dann ist das auch noch Aufsichtspflicht erfüllt. Erst wenn die Erzieher meinen sie müssen eine halbe Stunde Kaffeeklatsch am Gang machen, dann kann man dort von einem Verstoß auch sprechen!

Mit dem Unfall kann man so und so sehen. Es gibt keine Verpflichtung, dass die Schränke in einer Kita angedübelt sein müssen. Ebenso wenig wie Zuhause. Daher ist es auch ratsam und sinnig, dass man seine eigenen Kinder soweit auch erzieht, dass sie eben nicht auf diese Klettern und darauf turnen auch wenn es lustig ist. Wie alt ist denn das Kind? Denn das begreift durchaus ein Kind mit 2 Jahren schon, wenn man es ihm Zuhause konsequent verbietet und nur weil man einen Kita Platz hat, ist man noch nicht aus der Verantwortung der Erziehung entbunden.

Somit wird sie mit einer Klage nicht weit kommen, denn von der Kita her gibt es keine Pflicht und wenn ein Erzieher im Raum war, dann bestand ebenfalls die Aufsichtspflicht die erfüllt worden ist. Zudem die Beweislast bei der Mutter liegt, sie war wohl nicht dabei und das es Videoaufzeichungen aus einer Kita gibt, mag ich doch sehr bezweifeln da es noch sehr vereinzelt ist und darüber die Mutter auch Bescheid wissen müsste bzw. ihre Einwilligung dazu hätte geben müssen. Es ist ein Unfall und die Unfallkasse wird dafür auch aufkommen, was will die Mutter eigentlich damit erreichen?

Hier gab es einen Fall mit einer erfolgreichen Klage. Ein Kind ist in die Feuerstelle gefallen die im Garten stand und diese wurde vorher nicht untersucht wie es die Brandschutzverordnung fordert. Da Schnee darauf lag, ging man davon aus es wäre nichts. Unter dem Schnee hatte sich allerdings Glut gehalten und das Kind ist seither am Kopf verbrannt. Da kein Erzieher mit im Garten war, sondern alle drinnen lieber Kaffeepause gemacht haben anstatt ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen, konnte dort erfolgreich eine zivilrechtliche Klage auf Schadenersatz erhoben werden. Zeugen waren die restlichen Kinder im Alter von 4-6 Jahren.

Da ging es aber ebenfalls darum, da die Kita nicht den Rettungswagen und Notarzt verständig hatten sondern es lieber dabei belassen hatten die Eltern antanzen zu lassen mit einem schwer verbrannten Kind, ging auch das Strafverfahren der unterlassenen Hilfeleistung schnell durch. Alles was strafrechtlich relevant war, hat ohnehin der Staatsanwalt bzw. die Polizei in die Wege geleitet die verständig wurde, zivilrechtlich wurden nur Schadensansprüche geltend gemacht, denn die Behandlung und kosmetische Wiederherstellung wird doch einiges an Zeit und Geld kosten die nicht komplett von der Unfallkasse getragen wird.

Bei solchen Dingen hast du eine reale Chance, wenn Beweise existieren und diese gesichert sind aber nicht wegen eines umgefallenen Schrankes, der nicht einmal angeschraubt sein muss von der Verordnung her. So einfach ist es nicht, dass man dort erfolgreich eine Klage hat und sind wir mal ehrlich, "mein Anwalt wird sich bei Ihnen melden" ist doch einfach nur das "ich petze das meiner Mama" der Erwachsenen. Viel Geschrei und wenig dahinter auch wenn man in der ersten Wut vieles von sich gibt, stellt sich hinterher nach einer Prüfung durch einen Anwalt selten überhaupt eine Grundlage ein, auf der man seine Klage errichten möchte.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Gerade bei einem Unfall ist man schon mal eher dazu geneigt, das kann ich auch verstehen. Jedoch sollte man nicht alle 5 Minuten mit dem Anwalt drohen. Wenn etwas sehr schlimmes passiert ist, würde ich aber auch klagen. Einen Betreuungsplatz würde ich schon auch bei der Stadt einklagen, wenn dies nötig ist, aber da klagt man ja gegen die Gemeinde oder die Stadt und nicht gegen die Kita.

Die Aufsichtspflicht ist in der Tat eine Sache, die teilweise sehr positiv ausgelegt werden kann, weswegen man nicht zwingend auch Erfolg mit einer Klage hat. Deswegen würde ich nicht bei jedem Kleinkram damit drohen, aber wenn das Kind einen dauerhaften oder langanhaltenden Schaden davon trägt, sollte man es schon machen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Da ich selbst in einer Kanzlei arbeite und täglich Fälle mit Schmerzensgeldforderungen sehe, kann ich im genannten Fall keinen Vorteil in einer Klage sehen. Erstens hat sich das Kind nicht lebensgefährlich verletzt. Klingt doof, wirkt sich aber auf die Höhe der Schmerzensgeldforderung aus. So wie es bei dir klingt, hat es außerdem keine Folgeschäden, die es sein Leben lang begleiten, davongetragen. Auch das mindert die Höhe der Forderung extrem. Zudem kommt kein Verdienstausfall und kein Schadenersatz hinzu (außer vielleicht eine Kleinigkeit für eventuell zerstörte Kleidung).

Aus meinen Erfahrungswerten kann ich da grob schätzen, dass nicht mehr als 1000 € drin sind und das nur, wenn die Klage auch Erfolg hat. Kann nicht hinreichend nachgewiesen werden, dass die Aufsichtspflicht verletzt wurde und die Sicherheitsvorschriften umgangen wurden, dann sieht es düster aus. Abgesehen davon muss man von den 1000 € ja auch noch seine eigenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten abziehen. Wenn nach alledem noch 600 € übrig bleiben (im besten Fall und nur bei völligem Obsiegen), ist man gut bedient. Ob es sich dafür lohnt, seinen Kita-Platz wegzuwerfen, muss man aber selbst beurteilen.

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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