Wann ist ein Mensch schüchtern?

Im Alltag ist es so, dass ich immer dann rede, wenn ich es für notwendig erachte. Ich sehe nicht ein, warum ich überall meinen Senf dazu geben muss und behalte manche Kommentare einfach für mich und höre nur zu. Ich finde, es lohnt sich auch nicht immer, wenn man immer seinen Senf dazu geben muss und erachte es als Verschwendung von Zeit und Energie, wenn man es doch tut.

Ich habe aber auch schon mitbekommen, dass ich dadurch für "schüchtern" gehalten werde, obwohl ich alles andere als schüchtern bin. Ich habe keine Angst, etwas falsches zu sagen oder sonst irgendwie Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich wäge nur ab, ob es in dem jeweiligen Moment lohnenswert ist oder nicht und ob es meinem Zweck dient. Wie seht ihr das? Wann ist ein Mensch in euren Augen schüchtern? Kommt es häufig vor, dass Menschen als schüchtern angesehen werden, obwohl das vielleicht gar nicht stimmt?

Ich denke, dass man bei eher stillen Menschen schnell meint, dass diese schüchtern sind. Gerade wenn diese eher wenig sagen, geht man schnell davon aus, dass jemand eher zurückhaltend und schüchtern ist. Bei mir ist es durchaus so, dass ich Anfangs bei Fremden schüchtern bin. Ich brauche sozusagen immer eine Weile um etwas warm zu werden.

Allerdings halte ich es da auch so wie du und meine, dass ich nicht immer zu Themen etwas sagen muss und dann auch einfach mal zuhöre. Aber ich bin trotzdem eher ein stiller und zurückhaltender Mensch und Schüchternheit gehört auch dazu. Ich denke, dass dies typische Anzeichen dafür sind und deswegen viele davon ausgehen, dass jemand schüchtern sein muss, wenn er eben wenig spricht und oft still ist.

Ich sehe auch einen Unterschied zwischen Schüchternheit und "ein Mensch weniger Worte". Für mich liegt dieser darin, ob die Person in geselliger Runde darunter leidet, den Mund nicht aufzubekommen oder sich nicht traut, sich zu äußern, oder ob der Betreffende einfach lieber zuhört und sich in der Rolle des stillen Teilnehmers an sich ganz wohl fühlt. Ich bin daher nicht der Meinung, dass "zurückhaltend" mit "schüchtern" immer gleichzusetzen ist.

Ich selber neige auch nicht dazu, viel zu sprechen und gerade wenn viele Leute durcheinander reden und sich gegenseitig überschreien, halte ich lieber die Klappe und höre zu. Meine Stimme ist sowieso nicht besonders laut, und wird leiser, wenn ich müde bin oder mich anstrenge. Und als introvertierter Mensch ist die Gesellschaft anderer für mich sowieso anstrengender als für die eher geselligen Typen. So passiert es eben, dass ich mich in Gesellschaft guter Freunde durchaus wohlfühle und Spaß habe, ohne pausenlos die Klappe offen haben. Wäre ich schüchtern, würde ich mich wohl eher gestresst fühlen oder wäre traurig, dass meine Beiträge nicht durchdringen oder was auch immer.

Auch sonst bin ich im Alltag nach meiner eigenen Einschätzung nicht besonders schüchtern oder auf den Mund gefallen, wie man so schön sagt. Wenn mir etwas nicht passt, kann ich ganz schön deutlich werden, und ich achte auch darauf, dass man mir die Butter nicht vom Brot nimmt. Aber das hat ja nichts damit zu tun, ob ich auf Tante Hildegards Geburtstagsfeier hitzig über Politik diskutieren möchte, oder mich lieber durch das kalte Buffet futtern.