Wann das Gefühl haben, bei etwas versagt zu haben?
Ich habe festgestellt, dass meine Freundin immer recht schnell das Gefühl hat, bei etwas versagt zu haben. Wenn ihr etwas einfach nicht so gut gelingt, wie es sich selbst vorgestellt und gewünscht hat, ist das der Fall - beispielsweise das Kochen eines Gerichts oder eine erbrachte Leistung beim Sport. Sie ist daher auch oft deprimiert und sauer auf sich selbst.
Ich kenne das von mir nicht. Wenn mir etwas nicht so gut gelungen ist, wie ich es mir eigentlich gewünscht hätte, dann ist das zwar traurig und vielleicht auch nervig, allerdings habe ich dann nicht das Gefühl, versagt zu haben. Das Gefühl habe ich nur dann, wenn etwas absolut in die Hose geht und ich es eigentlich gut hätte verhindern können, wenn ich mich nur anders verhalten hätte. Wann habt ihr das Gefühl, bei etwas völlig versagt zu haben?
Ganz ehrlich? Noch nie. Natürlich lief nicht alles glatt in meinem Leben und meine Leistungen (insbesondere im Mathematik-Unterricht) waren auch nicht immer die besten. Ich hatte jedoch noch nie das Gefühl, versagt zu haben. Das hängt einfach damit zusammen, dass ich einfach ganz andere Auffassungen darüber habe, wann man versagt und wann nicht.
Ich sehe das Leben nicht als eine Summe aus Niederlagen und Gewinnen an, sondern als ein Prozess von Lernfähigkeit und persönlicher Entwicklung. Selbst, wenn mir etwas passiert, dass andere als "absolutes Versagen" ansehen würden, sehe ich das eher als persönliche Bereicherung an und als Chance mich weiterzuentwickeln. Mit dieser Einstellung bin ich bisher immer gut gefahren.
Selbst wenn man sich etwas vornimmt und das nicht sofort auf Anhieb klappt, ist das für mich kein Versagen. In so einem Fall nimmt man eben erneut Anlauf und versucht es wieder. Ich käme nie auf die Idee, mich in die Ecke zu setzen und zu schmollen oder das persönlich zu nehmen, nur weil etwas nicht auf Anhieb so geklappt hat, wie ich das haben möchte.
Ich finde deine Freundin ziemlich bemitleidenswert für ihre Einstellung und finde das wenig nachvollziehbar. Sich wegen einem gekochten Gericht oder wegen einer sportlichen Leistung so niederzumachen finde ich krank und therapiebedürftig. Gesund ist das auf jeden Fall nicht und ich frage mich, ob solche Menschen nicht besonders anfällig für Depressionen sind.
Ich habe das Gefühl, wenn ich es nicht mal probiert habe und dann mich auch nicht auf etwas einlasse. Beispielsweise, wenn ich etwas beim Sport probieren soll, mich aber nicht traue und deswegen absage, dann habe ich das Gefühl versagt zu haben. Generell denke ich, dass man schon hart scheitern muss um wirklich versagt zu haben und ich möchte das Leben auch eher positiv sehen als negativ.
Vielleicht liegt es an meiner Erziehung, aber ich kämpfe schon hin und wieder mit dem Gefühl, versagt zu haben, wenn mir etwas partout nicht gelingen will. Mein rationaler Verstand sagt mir zwar, dass ein missglücktes Blech Plätzchen noch nichts über meinen Wert als Mensch aussagt, aber das Gefühl, versagt und meine Mitmenschen enttäuscht zu haben, hält sich hartnäckig. Man soll zwar nicht alles auf seine Kindheit schieben, besonders weil sie schon 25 Jahre her ist, aber ich kann mich nur zu gut daran erinnern, dass schlechte Leistungen jedweder Art immer ein Riesendrama waren, und wenn ich mal etwas gut hinbekommen habe, hieß es immer sinngemäß: "Warum nicht gleich so?". Da kann sich schon etwas festsetzen.
Seit mir aber diese nicht empfehlenswerte Dynamik aufgefallen ist, versuche ich nach Kräften, die Dinge im richtigen Licht zu sehen und nicht immer gleich in Selbstmitleid und "ich bekomme sowieso nichts richtig hin!" zu versinken, sondern meinen Schwächen und Fehlern realistisch ins Auge zu blicken. Gelegentliche Anfälle von Perfektionismus sind zwar nicht immer zu verhindern, und ich muss noch aktiv daran arbeiten.
Mir geht es da wie Gerbera und ich muss auch sagen, dass ich schnell bei etwas Missglücktem denke, dass ich versagt habe. Das kann auch wirklich beim Kochen oder Backen sein oder eben auch bei Handarbeiten. Das ich da etwas Perfektionistisch veranlagt bin, macht es da nicht unbedingt besser. Rational weiß man ja, dass man deswegen nicht gleich schlechter ist als andere und nicht wirklich versagt hat, aber der Kopf sagt einem dann durchaus auch etwas anderes.
Ich hätte dann früher gleich die Brocken hingeschmissen und mich eher zurückgezogen und aufgegeben. Mittlerweile arbeite ich aber daran, dass ich mich eben nicht so schnell unterkriegen lasse und nicht aufgebe und es eben wieder versuche. Gerade gestern habe ich ein neues Rezept für einen Brotaufstrich ausprobiert und dafür zwei Stunden am Herd gestanden.
Das Ergebnis war dann aber, dass der Aufstrich nicht fest wurde und ich auch sehr traurig und enttäuscht war. Nun gut, dann wird er jetzt zum aufpeppen von Naturjoghurt, Eis und ähnlichem verwendet und ich werde es nochmal versuchen. Trotzdem hatte ich im ersten Moment das Gefühl versagt zu haben und wieder mal etwas nicht hinbekommen zu haben. Dabei steht im Rezept, dass es etwas kniffelig ist und nicht immer gleich klappt.
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