Wärt ihr im Nachhinein gerne anders erzogen worden?

Wenn ich so zurückdenke, dann bin ich der Meinung, dass meine Eltern wirklich viel mit meiner Erziehung falsch gemacht haben. Ich durfte als Kind beispielsweise so viele Süßigkeiten und so viel Fastfood essen, wie ich nur wollte, wobei ich auch die ganze Zeit Cola trinken durfte. Einen eigenen Fernseher hatte ich schon im Kindergarten in meinem Zimmer, später kam dann auch eine Konsole dazu. Feste Schlafenszeiten gab es nie und ich durfte so lange wach bleiben, wie ich nur wollte.

Obwohl meine Eltern so larifari waren, was das anging, war es in anderen Bereichen dafür ganz anders. Ich musste immer extrem viel lernen und bekam viel Ärger, wenn meine Noten nicht so waren, wie es meine Eltern wollten. Sie suchten quasi meine Freunde für mich aus und entschieden sonst alles für mich. Ich denke im Nachhinein, dass meine Eltern vielleicht noch etwas zu jung und überfordert waren.

Immerhin war meine Mutter mit 19 Jahren schwanger mit mir, wobei meine Eltern zu dem Zeitpunkt auch ausgewandert sind. Wärt ihr im Nachhinein gerne anders erzogen worden oder findet ihr, dass eure Eltern alles richtig mit eurer Erziehung gemacht haben?

Meine Mutter hat auch definitiv ein paar Fehler gemacht. Der rote Faden, der sich durch alles zog, war ihre Inkonsequenz. Mal bekam ich für eine Kleinigkeit vier Wochen Hausarrest, was aber nach einer Woche schon wieder vergessen war. Für Dinge, die ich als viel schlimmer einstufen würde, wurde ich ausgelacht und das war´s.

So wusste ich nie, woran ich war. Aus Angst vor den härteren Strafen habe ich mich dann fast gar nichts getraut. Das war weder für meine Persönlichkeitsentwicklung förderlich, noch für unsere Beziehung zueinander.

Hinzu kommt, dass sich unsere Mutter nie wirklich für uns interessiert hat. Alles, was die Schule betraf, mussten wir allein schaffen. Zu Elternabenden war sie nie. Sie wollte auch unsere Freunde nicht kennenlernen. Sie war froh, wenn wir lieber Zeit bei denen verbrachten als andersherum. Wobei sie mir das dennoch mal vorgeworfen hat.

Ach, es gibt da tausend Dinge. In meinem Kopf führe ich seit etwa 25 Jahren eine Liste, was ich anders machen würde, wenn ich Kinder hätte. Die Liste ist lang und es kommen immer noch regelmäßig Dinge dazu.

Meine Eltern haben auch sehr viele Fehler gemacht. Beispielsweise wurden wir Kinder ungleich behandelt und erzogen. Wenn meine Schwester und ich nämlich (zwar zu unterschiedlichen Zeiten) den gleichen Mist gemacht haben, wurde sie dafür gelobt und ich wurde dafür bestraft. Ich hatte grundsätzlich immer das Gefühl, als wäre ich nicht gut genug und nur ein notwendiges Übel, das man ertragen muss und kein Wunschkind.

Da sind noch einige Sachen mehr, die ich an der Erziehung meiner Eltern kritisiere und die ich bei meinem Nachwuchs definitiv besser machen möchte. Aber wäre ich deswegen gerne anders erzogen worden? Nein, definitiv nicht. Warum? Weil ich dann nicht der Mensch wäre, der ich heute bin. Vielleicht wäre ich dann ein schlechterer Mensch, deutlich abhängiger als jetzt.

Gerade diese ungleiche Behandlung und die Konflikte mit meiner Mutter, bedingt durch ihr Verhalten, haben mich nicht nur stärker werden lassen (so bekommt man Ellenbogen ), sondern ich wurde auch deutlich unabhängiger als meine Schwester es je sein wird, weil sie ihr Selbstwertgefühl zu sehr vom Verhalten meiner Mutter abhängig macht.

Wenn ich ein anderer Mensch geworden wäre, hätte es auch nicht unbedingt mit meinem Freund gepasst und wir wären nicht unbedingt zusammen gekommen. Daher bereue ich nichts, auch wenn meine Kindheit nicht immer schön war.

Ich wäre sicherlich gerne anders erzogen wurden. Meinen Eltern war ich schon immer relativ egal. Wobei mein Vater mich noch ein paar Jahre länger mochte als meine Mutter, die dann scheinbar deswegen auf mich eifersüchtig war. Sie hat mich dann auch geschlagen und hat mich gerne mal herunter geredet und mich ignoriert. Meine Brüder waren immer besser als ich, egal was die so für Mist gebaut haben und aus mir sollte laut ihrer Meinung nichts werden.

Das hätte ich mir schon gerne erspart. Wobei es aus mir ja auch das gemacht hat, was ich nun bin und sicherlich kann ich deswegen auch eine klare Linie fahren, die eben nicht so ist, wie die von meiner Mutter. Da kann ich Olly173 eigentlich nur zustimmen, man kann auch aus schlechten Dingen einen Gewinn ziehen.

Ich sehe meinen Eltern in puncto Erziehung mittlerweile einiges nach. Sie sind bzw. waren eben auch nur Menschen und haben sich aufrichtig Mühe gegeben, aus mir und meinen Geschwistern anständige und produktive Mitglieder der Gesellschaft zu machen. Es kann eben keiner aus seiner Haut und meine Eltern hatten beide in ihrer eigenen Kindheit nicht viel zu lachen. Dafür sind wir aber ganz ordentlich geraten.

Im Nachhinein würde ich allerdings behaupten, dass ich mich schon gefreut hätte, wenn meine Eltern mir ein bisschen mehr Selbstwertgefühl und Stolz auf die eigenen Leistungen mitgegeben hätten. Wie in vielen Familien waren beispielsweise die Einser in Deutsch selbstverständlich, die Vierer in Mathe jedoch ein Grund für endlosen Stress und Diskussionen. Selbst in Nonsens-Fächern wie Sport oder Musik wurden mittelprächtige Noten sehr ernst genommen. Auch im Alltag ging es vor allem darum, Fehler zu dokumentieren und weniger darum, Stärken zu fördern.

Auch mein eigenes Urteilsvermögen ist in meiner Kindheit eher zu kurz gekommen. In den Augen meiner Eltern, so zumindest mein Gefühl im Rückblick, hatten immer die anderen recht, also Lehrer, andere Erwachsene, aber auch andere Kinder. Ich durfte auch nie jemanden doof finden oder mich zumindest ein klein bisschen für etwas "Besseres" halten, sondern mir wurde immer vermittelt, dass ich nur dann "dazu gehören" würde, wenn ich mich zu einhundert Prozent anpasse.

Ich denke, dass man bei der Erziehung nicht alles ganz richtig machen kann, aber ich muss sagen, dass meine Eltern bei mir doch nah dran waren. Wenn ich es aus heutiger Sicht betrachte, wie ich erzogen wurde, dann muss ich sagen, dass ich es bei einem eigenen Kind auch so ähnlich machen würde und das ist für mich ein Zeichen, dass ich einfach davon überzeugt bin, dass meine Eltern zumindest sehr viel bei der Erziehung richtig gemacht haben.