Von übertriebenem Gutmenschentum genervt sein

vom 20.09.2015, 13:03 Uhr

Vielleicht kennt Ihr auch solche Gutmenschen, die sich immer profilieren und zum Besten geben, wie sie sich doch um andere kümmern und wie aufopferungsvoll sie sind. Wenn das Leute auch noch so betonen und hervorheben, dann finde ich das manchmal richtig nervig. Da sieht man förmlich den Schleim unter solchen Aussagen herauslaufen.

Den Begriff Gutmensch habe ich das erste Mal im Studium gehört, da hat sich ein Professor über irgendeine Ehrenamts-Gruppe aufgeregt und er meinte, dass manche Leute solche Gutmenschen seien, dass es ihm hochkommen würde. Den Spruch fand ich cool.

Es ist natürlich schön, wenn Menschen sich für etwas engagieren oder helfen, aber manche übertreiben es wirklich auch und machen aus einer falsch verstandenen Hilfsbereitschaft heraus Dinge, die eigentlich gar niemandem nützen, die aber wohl dazu beitragen, dass derjenige sich toll fühlt, weil er denkt, er leistet sonstwas. Kennt ihr solche Gutmenschen? Nerven diese euch? Wie reagiert ihr auf solche Leute?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 20.09.2015, 13:14, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Mich nervt es auch, wenn Leute ihre (vermeintlich) "guten Taten" dazu nutzen, sich zu profilieren, ihren Status zu erhöhen und andere zu belehren. Ich mache im Alltag viele "gute Sachen" (im Job, als Ehrenamt, im Vorbeigehen), aber ich rede kaum drüber. Ich finde, daran erkennt man, ob jemand wirklich gutes Tut, weil es ihm ein Anliegen ist oder in seinem Charakter verankert ist, oder bloß, um sich besser darstellen zu können. Für mich eine Frage der Haltung.
Eine ganz banale Alltagsbeobachtung gibt es immer wieder mal in der U-Bahn: Ein älterer Mensch betritt die Bahn. Während der eine Fahrgast ruhig und ohne Aufregung seinen Platz räumt, damit der Ältere sich setzen kann, steht der andere auf, ruft lauthals: "Wollen Sie sich setzen?" und sieht sich beifallheischend um. Widerlich.
Neulich hatte ich eine hitzige Diskussion mit meinem Mitbewohner über unseren Kaffee. Dieser ist mir zu teuer geworden, mit mittlerweile über 15€/kg. Mein Mitbewohner aber hat diesen Kaffee vor Jahren mal für uns ausgewählt und der Kauf unterstützt irgendein widerständiges Kollektiv, ist außerdem "bio" und "fair traded". Mein Mitbewohner fuhr die ganze Palette an Gutmenschen-Sprüchen aus. Dabei ist der Kaffeekauf wirklich das einzige, womit er sich im Alltag hervortut. Seine Bequemlichkeit ist ihm im Alltag wichtiger als seine (sehr wackligen) "Prinzipien", die er vorgibt, zu haben. Er fährt mit dem Auto zur Arbeit, obwohl er sehr bequem mit dem Fahrrad oder der Bahn fahren könnte (aber das nervt ja sooo), er unterstützt tatkräftig den Coca-Cola-, Mars- und Nestlé-Konzern, fährt "aus Spaß" mit dem Motorrad und dem Auto durch die Gegend, macht sich bei der Auswahl seine Produkte weder Gedanken über Umwelt noch über Herstellungsbedingungen ("im Discounter sind die Shirts ja sooo günstig und die sind auch gar nicht so schlecht"), Demos lässt er ausfallen, wenn es auch nur ein bisschen regnet (man könnte ja nass werden...) und beim Kaffee erhebt er dann plötzlich den Zeigefinger und spielt sich als "guter Mensch" auf?
Für mich ist so etwas scheinheilig und ich kann nicht gut damit umgehen. Diese Scheinheiligkeit macht für mich das Gutmenschentum aus, daher lehne ich es dankend ab.

» *Malin* » Beiträge: 141 » Talkpoints: 7,82 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Meiner Ansicht nach muss man schon ziemlich asozial sein, um hilfsbereite Menschen so zu diskreditieren. Normalerweise liegt so etwas an der Erziehung und die Leute müssen eben lernen, auch mal anders zu reagieren.

Solange diese Leute sich an ein klares Nein halten, sehe ich kein Problem. Schließlich sind wir erwachsene Leute und man muss nicht jede Art leiden können.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es kommt immer darauf an, wie sich hilfsbereite oder pseudohilfsbereite Menschen profilieren. Schreit ein hilfsbereiter Mensch den ganzen Tag heraus, wie toll er doch ist, weil er anderen hilft, dann finde ich das durchaus anstrengend. Auch wenn er übertrieben so tut, als unterstütze er irgendwelche Projekte, die eigentlich gar nicht so sauber sind, wie diese Person tut, finde ich es anstrengend. Unterstützt er jedoch leiser ein Projekt und erzählt ab und zu von seiner Begeisterung, dann ist es etwas Anderes.

Aktuell ist ja das sogenannte Gutmenschentun in der Flüchtlingsgeschichte wieder äußerst präsent. Ich mag den Begriff Gutmensch eigentlich überhaupt nicht, er hat so einen gewissen Nachgeschmack und er wird viel zu häufig negativ verwendet. Ich unterstütze selbst die Flüchtlinge, ich habe Menschen im Freundeskreis, die in den Lagern unterstützen und helfen. Die Meistens posaunen es nicht so heraus und bringen es manchmal nur in Gesprächen vor.

Das finde ich vollkommen in Ordnung, aber ich muss gestehen, dass ich es enorm nervig finde, wenn meine gesamte Facebookpinnwand mit solchen Meldungen zugespammt wird und hilfsbereite Menschen anfangen andere Menschen zu beleidigen, weil sie sich gegen eine Sache aussprechen. Wird es mir zuviel, blocke ich ab und blende die Gespräche einfach aus. Manchmal mag ich diese Unterhaltungen jedoch ganz gerne, auch weil ich auch einige sozialen Projekte unterstütze und ich finde es manchmal auch interessant. Wie gesagt, es kommt immer darauf an, wie die Hilfsbereitschaft rübergebracht wird.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich denke, dass ein hilfsbereiter Mensch gerne hilft und nicht den ganzen Tag damit angeben muss, was er da gerade so macht. Ein wirklich hilfsbereiter Mensch kann sich aber auch durchaus aufopfern und auch seine Freizeit damit verbringen und dann finde ich auch nicht, dass man sich darüber aufregen muss, wenn Menschen helfen. Immerhin ist das doch ein sehr guter Charakterzug.

Allgemein finde ich aber, dass man sich nicht über helfende Menschen beschweren sollte. Man kann doch froh sein, wenn es Menschen gibt, den andere Menschen oder Tiere nicht egal sind. Ich freue mich immer über helfende Menschen oder soziale Menschen und denke, dass man das nur durch Worte übertreiben kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es ist ja auch oder vor allem die Absicht die zählt. Wenn jemand etwas Gutes tut, um es danach erzählen zu können, also um sich zu profilieren, ist es ja nicht wirklich eine gute Tat um der guten Tat willen. Man merkt das ganz einfach, wenn man aus den richtigen Gründen gut ist, dann wird man mit einem Glücksgefühl belohnt.

Wenn es die falschen Gründe waren, dann wartet man auf irgendwelche Reaktionen von anderen, die einem das Glücksgefühl bringen sollen. Wer es aus den richtigen Gründen tut, erwartet und braucht nichts zurück um glücklich zu sein, nicht mal ein "Danke" von der Person, der er Gutes getan hat.

» Nemnema » Beiträge: 5 » Talkpoints: 1,04 »


Im Normalfall finde ich das viel angenehmer, als wenn sich jemand durch unkontrollierte Aggression oder blöde bis verletzende Kommentare in den Mittelpunkt rücken will. Wenn jemand etwas gutes tut, kommt meist etwas gutes bei heraus.

Im Roman mag ich diese Menschen, die sich ausschließlich gut und richtig verhalten als Figuren nicht so. Aber da muss ja zum Glück nur das Inventar an Romanfiguren damit klar kommen, wenn ein Bösewicht auftaucht und der macht die Story spannender. Im Echten Leben hätte ich nichts dagegen, wenn ein paar Prozent mehr Menschen gutes tun und darüber reden.

Im Übrigen mag ich den Begriff des Gutmenschen oder Gutmenschentum überhaupt nicht. Der kommt für mich aus einer geistigen Ecke, die ich für mich nicht annektieren wollen würde. Und es gibt auch Professoren, die meiner Meinung nach nicht ehrwürdig sind, sondern einfach Meinungen pflegen, die ich unethisch finde. Nur weil jemand einen hohen akademischen Titel hat heißt das nicht automatisch, dass er oder sie automatisch weise ist.

Menschen die einem gutes tun nerven mich allerdings unter einer Bedingung. Wenn es solche Leute sind, die einem damit tausend Pflichten auferlegen und meine Freiheit einschränken. Wenn jemand für ein kleines Geschenk mindestens drei Postkarten zum Dank erwartet. Oder wenn man über ewige Zeiten für so etwas ständig Danke sagen muss, weil der Wohltäter sich sonst nicht anständig gewürdigt fühlt und das überall herum erzählt, wie undankbar man ist. Oder wenn mir jemand etwas gutes getan hat, um mich damit in Zugzwang zu bringen, dass ich etwas danach als Revanche tun soll, was gegen mein Einstellung verstößt.

Aber die Beispiele aus dem letzten Absatz sind für mich keine eigentlichen Menschen, die bemüht sind, Gutes zu tun, sondern machen das eher, um ihr eigenes Ego aufzupolieren. Oder eben der Dankbarkeit wegen. Wenn jemand gutes tut, weil er oder sie es moralisch für unverzichtbar hält oder anderes Verhalten nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, finde ich das vollkommen in Ordnung, wenn man dafür sorgt, dass die Welt besser wird.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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