Von Lehrern von bestimmten Studiengängen abgeraten werden?
Als ich mein Abitur gemacht hatte, wollten unsere Lehrer auch wissen, was wir danach vorhätten, so dass wir auch mit ihnen darüber gesprochen hatten. Ich weiß noch, dass meine damalige Lehrerin damals alles andere als begeistert reagierte, als ich ihr meinen Studienwunsch verriet. Sie meinte, dass ich damit doch keine Berufschancen hätte und lieber etwas anderes machen sollte.
Tatsächlich habe ich mich dann unter anderem auch von ihr beeinflussen lassen und hatte zunächst etwas anderes studiert, was ich dann aber extrem bereut hatte. Ich finde nicht, dass einem Lehrer da so reinreden sollten. Immerhin war es ja auch kein Studiengang, der gar nicht zu meinen Noten in dem jeweiligen Fach gepasst hätte, sondern es war ja genau umgekehrt so, so dass ich eigentlich auch eine andere Reaktion von der Lehrerin erwartet hätte.
Wurdet ihr schon von Lehrern von bestimmten Studiengängen abgeraten? Findet ihr, dass Lehrer überhaupt solche Ratschläge geben sollten, wenn es nichts mit den Qualifikationen zu tun hat und man alle Voraussetzungen für das Studium erfüllt?
So eine Situation hatte ich auch schon mal. Als ich meiner Deutschlehrerin erzählt hatte, ich würde überlegen, Übersetzerin zu werden, war ihre Reaktion in etwa "Du könntest doch was viel Besseres!", mit der Begründung, dass Übersetzer eben ein oft eher schlecht bezahlter Beruf sei. Dafür riet sie mir zu einem anderen Zeitpunkt, ob nicht Journalismus etwas für mich wäre, da ihrer Meinung nach mein Schreibstil wohl gut genug dafür sei.
Eine so "abweisende" Reaktion ist sicher nicht das Wahre, aber generell finde ich es nicht verkehrt, wenn die Lehrer sich mit ihren Schülern über so etwas auch mal unterhalten können. Als Schüler hat man eben doch oft eher mäßig viel Ahnung, wie das Leben nach der Schule so aussieht, während manche Lehrer auch noch Kontakt zu ehemaligen Schülern haben. Mein Lateinlehrer hat uns sogar gebeten, dass wir ihm doch gerne erzählen, wie das Studium so ist, schon allein, damit er das dann seinen neuen Schülern weitergeben kann.
Wenn ich mir wirklich nichts anderes hätte vorstellen können, dann hätte ich mich durch diesen einen Kommentar sicher nicht davon abhalten lassen, Übersetzer zu werden. Allerdings wollte ich schon auch etwas verdienen bei meinem Beruf, und nach weiteren Überlegungen habe ich einen Studiengang gefunden, der mir noch besser gefällt.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was daran so schlimm sein soll. Viele Schüler können sich noch nicht so wirklich in die Berufswelt eindenken und gerade wenn man noch keine Praktika in dieser Richtung gemacht hat, dann stellt man sich das natürlich sehr viel leichter vor, als es letzten Endes ist. Ich finde, dass wertvolle Hinweise hier durchaus angebracht sind.
Das ist dann die Gelegenheit, diese genannten Argumente eben selbst zu analysieren und abzuwägen, wie viel Gewicht man ihnen beimisst. Nur weil ein Lehrer von einem Studium abrät, muss man das ja nicht direkt machen. Nachdenken heißt die Devise. Lehrer haben auch nicht immer recht und ich denke, dass die Eltern und engen Freunde einen Menschen oft besser einschätzen können als der Kunstlehrer beispielsweise, der einen nur einmal pro Woche sieht.
Ich finde das gut, wenn Lehrer solche Gespräche mit ihren Schülern führen, wie denn deren Zukunftspläne und Studienwünsche aussehen. Ich würde mir dann gern auch bratende Argumente anhören, aber inwieweit ich diese dann in meine Entscheidung einfließen lassen würde, das steht ja auf einem ganz anderem Blatt. Mir ist solch ein Gespräch auch nicht untergekommen, aber ich würde mir auch nicht vom Lehrer in meine Entscheidung reinreden lassen.
Ich finde es persönlich sehr gut und sogar richtig verantwortungsvoll, wenn Lehrer sich doch tatsächlich so sehr um ihre Schüler sorgen, dass es ihnen sehr wichtig ist, wie ihre Zukunft aussehen könnte. Ist es nicht das größte Ideal des Lehrertums, dass Schüler auf einen guten Weg in die Zukunft gebracht werden?
Der heutige Arbeitsmarkt stellt sehr hohe Anforderungen an die Absolventen eines Hochschulstudiums und dies ist einem selbst bei Abschluss des Gymnasiums kaum ersichtlich. Wie denn auch, hat man bis dahin doch nur Erfahrungen in der Schule gemacht, welche dann doch ein ziemlich behütetes Umfeld ist. Es ist für einen Abiturienten und oftmals auch für seine Eltern! Unglaublich, dass z.B. Studiengänge wie Biologie kaum Zukunftschancen bieten sollen, und wenn, dann nur mit erfolgreicher Promotion mit Bestnoten. Vor allem Biologie fällt mir hier ein, da viele Leute es für schlichtweg den Bereich der Zukunft halten. Man hört und liest immer wieder von "Life Science" und "Biotech" Unternehmen, die an medizinischen und biologischen Fragestellungen forschen und daraus auch Medikamente bzw. Techniken entwickeln wollen, um unser Leben zu verbessern.
Für den Laien ist es dann natürlich sehr einfach, "in die Falle zu tappen", und sich motiviert für ein solches als "zukunftsträchtiges" beworbenes Studium einzuschreiben und vor allem zu begeistern. Oftmals ist es auch so, dass Abiturienten eine falsche Vorstellung vom späteren Arbeitsalltag haben. Aufgefallen ist mir das im Bereich der Forschung, aber auch bei den Geisteswissenschaften ist es schier unmöglich, ohne spezielle Erfahrung, vorher zu wissen, ob das, was einem nach dem Studium erwartet, nicht entgegengesetzt ist zu dem, was man als frischer Absolvent des Gymnasiums erwartet hatte.
Lehrer haben einen anderen Blickwinkel auf das Ganze: Sie haben selbst die Erfahrung, an der Universität gewesen zu sein, und auch wenn das Jahre her ist, so kennen sie den grundsätzlichen Ablauf. Außerdem gibt es mehr als genug Lehrer, die noch Kontakt zu ehemaligen Schülern haben und sich so einen guten Überblick über die Situation an den Universitäten und eben auch im späteren Arbeitsmarkt machen können. Seinem Schüler so wichtige Informationen vorzuenthalten, wie die Berufschancen in der Zukunft oder das Arbeitspensum, das im Studium gefordert wird (mindestes Promotion z.B. in Chemie oder Biologie, auch eigentlich Physik, fragliche Anstellungsschancen im Lehramt und in den Geisteswissenschaften) halte ich für beinahe fahrlässig.
Ein Lehrer ist dafür da, Orientierung zu geben im Leben und im Lernen, und ich denke, dass kein Schüler, der wirklich etwas von Herzen will sich von einem Kommentar seiner Lehrer abhalten lassen wird. Die Schüler jedoch, die wirklich einen Hinweis von außen brauchen, was denn ihr Wunsch eines Studiums XY bedeuten kann, denen ist durch einen solchen Rat sehr geholfen.
Allem voran bräuchte man kompetente Fachleute, die die Lehrer an die Schulen holen und die mit den Schülern solche Orientierungsgespräche durchführen. Und das nicht erst, wenn der Schulabschluss schon fast fertig ist. Unsere Lehrer haben es damals sogar versucht, uns mit solchen Fachleuten weiter zu helfen und ich finde, das war die richtige Entscheidung. Leider war das richtig gedacht, aber mangelhaft ausgeführt, wofür die Lehrer nichts konnten.
Die Dame, die bei unserer örtlich zuständigen Berufsberatung gearbeitet hat war der Inbegriff des Klischees eines Beamten. Es kam so gut wie gar keine Information zum Arbeitsmarkt, das einzige, was sie uns nahe brachte war, wie man im Berufsinformationszentrum des Arbeitsamtes über Berufe recherchiert. Wirklich geholfen hat das keinem von uns. Und wie man zum Beispiel anhand der Studienordnung beurteilt, was man für Fähigkeiten für ein Studium in Fach A oder Fach B mitbringen muss, hat sie uns damals nicht mal im Ansatz erklärt. Ich bin sicher, dass diese grundlegende Fähigkeit manchen vor einer schlechten Wahl beschützt hätte.
Unsere Lehrer hatten auch nicht wirklich den guten Riecher. Solche Informationen, dass man als studierter Biologe wenig Chancen hat, hat uns niemand nahe gebracht. Das habe ich erst von einer Freundin von meinen älteren Geschwistern erfahren, wie wenig da die Vorstellung von diesem Beruf mit der Realität zu tun hat. Einer unser Lehrer hat und damals kurz vor dem Abitur sogar allen Ernstes den sicher gut gemeinten Rat gegeben, dass die Zukunft der Wirtschaft im Dienstleistungssektor liege. Irgendwo hat er ja auch richtig geurteilt, weil in den letzten Jahren immer wieder Jobs im Dienstleistungssektor dazu gekommen sind. Nur bringen solche Jobs leider selten das, was man an Einkommen als Abiturient erzielen könnte, wenn man es nur am Einkommen fest macht und so einen Beruf nicht nur aus Berufung ausübt.
Bei einem Bekannten an einer anderen Schule haben es die Lehrer mit einer anderen Methode probiert, sie haben Experten aus den jeweiligen Berufen eingeladen, die ihren Beruf vorstellen sollten und ein wenig aus dem Alltag und über Vorteile und Nachteile ihrer Wahl erzählen sollten. Am Ende kam raus, dass bis auf eine Ausnahme alle Experten ihre eigene Berufswahl kritisiert haben und den angehenden Schulabgängern von ihrem Beruf abgeraten haben. Da standen dann alle, die sich bis zu dem Tag sicher waren, was ihr Traumberuf sei ziemlich fertig da.
Von daher würde ich sagen, dass das nicht unbedingt gut gehen muss, wenn Lehrer versuchen gut gemeinte Ratschläge zu geben oder den Schülern bei der Berufswahl zu helfen.
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