Von einer Überflussgesellschaft in eine Mangelwirtschaft?
Punktedieb hat geschrieben:Klehmchen hat geschrieben:Was nutzt es mir, wenn man etwas in Deutschland teurer produzieren könnte, es aber bloß keiner macht?
Warum das so ist, hat doch Deutschland während Corona sehr gut gezeigt. Als aus Asien nichts kam, war man froh, dass einige deutsche Hersteller Masken und andere Produkte für den medizinischen Bereich hergestellt haben. Dann konnte Asien wieder liefern und man hat die deutschen Hersteller fallen lassen. Diese Firmen werden mit Sicherheit nicht mehr bei Engpässen ihre Produktion umstellen, um dann am Ende wieder auf den Waren sitzen zu bleiben.
Aber das ist doch völlig normal. Was erwartest du denn? Ja natürlich ist es schön, dass die Hersteller eingesprungen sind. Aber ganz ehrlich, wenn du zwei gleichwertige Produkte hast und das eine kosten nur die Hälfte, dann nimmst du doch auch nicht sofort das teure Produkt aus deutscher Herstellung.
Ich finde das zutiefst natürlich, dass wenn man nicht im absoluten Überfluss lebt, man schon schaut, ob man etwas sparen kann. Dann kannst du dir eben auch noch etwas anderes kaufen. Und die Lohnkosten sind eben in Deutschland höher als in Asien. Da wirst du auch in Zukunft nicht dran vorbei kommen. Also musst du eben ein besseres Produkt bieten. Und wenn du das nicht kannst, dann kann man das doch nicht dem Verbraucher vorwerfen, dass er auf den Preis schaut. Das finde ich schon ein wenig weltfremd, wenn man so denken würde.
Es sind ja nicht nur die Konsumgüter des täglichen Bedarfs wie die Auswahl zwischen sieben Sorten Nutella oder dem vielzitierten Speiseöl, die bei einem Mangel betroffen sind, sondern die Vorprodukte in der Industrie oder andere Sachen, die man als Endkonsument sonst nicht mitbekommt, wie zum Beispiel mangelnde Ersatzteile für Autos oder Produkte, die für den Hausbau oder das Handwerk nötig sind. Und in diesen Bereichen leidet der Westen gerade ziemlich unter einem Mangel.
Das ist dann nicht nur eine Frage des Luxus', sondern eine der Aufrechterhaltung ganzer Wertschöpfungsketten, die dort ins Wanken geraten. Mit allen Konsequenzen wie Gefährdung von im schlimmsten Fall Arbeitsplätzen, weil die Produktion ins Stocken gerät usw. Die Verflechtungen sind mannigfaltig und kompliziert, aber nicht so harmlos wie manche denken.
Erst kürzlich las ich wieder, dass dem Land eine Viertel Million Handwerker fehlen, von den sozialen Berufen wie Lehrkräften und Pflegepersonal gar nicht zu sprechen. Meiner Einschätzung nach sieht es auch an der Ärztefront gar nicht so rosig aus, es werden in Kliniken viele, teils sehr schlecht Deutsch sprechende Leute aus anderen Ländern eingestellt, weil hierzulande nicht genügend ausgebildet werden.
Diesen Mangel an Fachkräften sehe ich auch für die nächsten Jahre bestehen, wo sollten die Leute denn herkommen, die die Jobs übernehmen? Junge Leute möchten lieber ins Büro als auf dem Bau oder in der Produktion zu stehen, die Abiturraten sind so hoch wie nie. Wie es mit den Produkten, die uns fehlen weitergeht, kann man nicht absehen, aber der Fachkräftemangel ist real und wird auch in Zukunft ein Problem bleiben.
Und auch als Konsumentin bin ich schon über Wochen in die Bredouille geraten, kein Öl zu bekommen, absolut nirgendwo und auch nicht die exquisitesten Sorten. Ich wäre irgendwann bereit gewesen, für das kleinste Fläschchen sieben Euro zu zahlen, aber nicht mal das war zu bekommen. Dass man für jedes Gericht Öl mit Butter oder Margarine ersetzen kann, ist einfach falsch. Abgesehen von der Tatsache, dass man beides sowieso nicht so hocherhitzen kann, schmecken manche Gerichte damit auch komisch. Aber das ist nur mein persönliches Öl-Gate der letzten Monate, was ich durch den Kauf von polnischem Öl zu überteuerten Preisen lösen musste.
Verbena hat geschrieben:Erst kürzlich las ich wieder, dass dem Land eine Viertel Million Handwerker fehlen, von den sozialen Berufen wie Lehrkräften und Pflegepersonal gar nicht zu sprechen. Meiner Einschätzung nach sieht es auch an der Ärztefront gar nicht so rosig aus, es werden in Kliniken viele, teils sehr schlecht Deutsch sprechende Leute aus anderen Ländern eingestellt, weil hierzulande nicht genügend ausgebildet werden.
Bei Ärzten und auch Psychotherapeuten würde ich aber denken, dass man das Problem lösen könnte, wenn man die Ausbildung etwas verkürzt. 5 Jahre Studium und dann nochmal 5 Jahre Facharztausbildung mit Klinikstunden - echt vielen Klinikstunden. Muss das so viel sein, würde da nicht die Hälfte reichen? Das schreckt doch total ab. Ich habe das ja erlebt, dass die Ärzte dann in ihrer Assistenzzeit oder irgendwelchen Praktika sich in der Klinik die Klinke in die Hand geben, es gibt gar nicht genug Aufgaben, dann machen die eben irgendwas, damit sie ihre Stunden ableisten können. Da müsste man mal kürzen. Und es müssten auch für die Ärzte und Therapeuten, die sich eine eigene Praxis wünschen, mehr Kassenzulassungen zur Verfügung stehen.
Diesen Mangel an Fachkräften sehe ich auch für die nächsten Jahre bestehen, wo sollten die Leute denn herkommen, die die Jobs übernehmen? Junge Leute möchten lieber ins Büro als auf dem Bau oder in der Produktion zu stehen, die Abiturraten sind so hoch wie nie. Wie es mit den Produkten, die uns fehlen weitergeht, kann man nicht absehen, aber der Fachkräftemangel ist real und wird auch in Zukunft ein Problem bleiben.
Da glaube ich nicht dran. Es gibt doch viele, die zwar Abitur machen, aber dann doch eine Ausbildung absolvieren. Und ich habe jetzt auch schon mitbekommen, dass es in manchen Bereichen duale Studiengänge gibt, die dann im Endeffekt gar nichts wirklich bringen, außer dass der Absolvent das Gleiche beruflich macht wie diejenigen, die eine Ausbildung hatten.
Beispielsweise macht eine Bekannte von mir ein duales Studium in irgendeinem Gesundheitsberuf, aber sie arbeitet da auch nur als Pflegekraft und hinterher ist sie halt Krankenschwester mit irgendeinem anderen Titel. Eine andere Bekannte studiert Physiotherapie und arbeitet am Ende als ganz normale Physiotherapeutin. Ich frage mich, was solche komischen Studiengänge bringen sollen. Vermutlich arbeitet mancher Maschinenbau-Bachelor hinterher auch nur als Werkzeugmechaniker oder Maschineneinrichter und hätte sich das Studium sparen können.
Und auch als Konsumentin bin ich schon über Wochen in die Bredouille geraten, kein Öl zu bekommen, absolut nirgendwo und auch nicht die exquisitesten Sorten. Ich wäre irgendwann bereit gewesen, für das kleinste Fläschchen sieben Euro zu zahlen, aber nicht mal das war zu bekommen. Dass man für jedes Gericht Öl mit Butter oder Margarine ersetzen kann, ist einfach falsch. Abgesehen von der Tatsache, dass man beides sowieso nicht so hocherhitzen kann, schmecken manche Gerichte damit auch komisch. Aber das ist nur mein persönliches Öl-Gate der letzten Monate, was ich durch den Kauf von polnischem Öl zu überteuerten Preisen lösen musste.
Ich koche ach ganz gerne, aber mir reichen tatsächlich Butter und Margarine. Oder mit so einer Brat-Sahne. Wann muss man denn unbedingt Öl nehmen? Du darfst mich gern eines Besseren belehren, aber mir fällt kein Gericht ein, bei dem man nicht Butter oder Margarine nehmen kann.
@Klehmchen: Ich denke da ein wenig anders. Wenn ich einen deutschen Hersteller habe, der zwar einige Cent teurer ist, aber dafür auch zuverlässig liefert, dann überlege ich mir schon, ob ich mich weiterhin vom Ausland abhängig mache. Zumal man auf lange Sicht da mit Sicherheit die Konditionen nachverhandeln kann.
Wobei ich auch Ende letzten Jahres festgestellt habe, dass die deutschen Artikel teilweise preiswerter waren, als der Kram aus China. Ich hatte mir das mit den FFP2 Masken angeschaut, als die ersten Gedanken aufkamen, dass man nur noch damit zum einkaufen darf. Und siehe da, der Anbieter hier aus der Region verkauft preiswerter als die Chinesen.
Man sieht also, dass man sich vom Ausland bei einigen Produkten lösen kann. Und das wäre eben ein Anfang. Bei der IT bzw. den Chips ist man doch auch gerade dabei entsprechende Werke in Deutschland zu bauen, damit man sich vom asiatischen Markt lösen kann.
Puh, die Klinik würde ich gerne sehen, wo die Ärzte nicht wissen, was sie tun sollen. Mag es vielleicht irgendwo geben, aber mein Erleben nach, haben die eigentlich alle genug zu tun. Auch der Rest stimmt ja nur teilweise. Es gibt ja Facharztweiterbildungen, die nur 5 Jahre gehen. Auf der anderen Seite gibt es eben Fachärzte, gerade in den chirurgischen Fächern, die brauchen keine Jahre an Ausbildungen, die brauchen einfach viele Operationen, um darin routiniert zu werden und um auch seltene Operationen selbstständig durchführen zu können.
Die Realität außerhalb deutscher Großkliniken ist ja nun einmal, dass da gerade im Dienst, also außerhalb der Regelarbeitszeit, schon Jungfachärzte aus Kostengründen und auch aus Personalmangel alleine Dienst machen und dich dann alleine operieren müssen, wenn du als Notfall kommst. Den Luxus einer Uniklinik, wo zu jeder Tageszeit ein alteingesessener Oberarzt kommt und dem Jungspund jede Operation assistieren kann, den kennen doch viele Krankenhäuser gar nicht mehr.
Und dann geht es ja weiter. Egal ob du etwas verkürzt oder nicht. Ich habe in einer Uniklinik gearbeitet, habe noch Kontakte dahin und bin jetzt im zweiten Kreiskrankenhaus, wenn man es so nennen will. Die Uniklinik profitiert noch halbwegs von ihren Studenten, die zum Teil wegen des Rufes einer Uniklinik, zum Teil vielleicht auch aus Gewohnheit, noch ein paar Jahre dort arbeiten. Aber auch dort gibt es Fächer, die ihre Stellen nicht besetzt kriegen. Im Umland, in den Kreiskrankenhäusern, da kommen nicht mal mehr deutsche Bewerbungen an. Also das Problem ist nicht einmal, dass die Leute zu lange zum Facharzt brauchen, ich sehe ja nicht einmal mehr Bewerber, die diese Ausbildung überhaupt noch anfangen wollen.
Wir kriegen nur noch Bewerber weit aus dem Osten oder Nordafrika. Grundsätzlich habe ich nichts gegen diese Kollegen. Aber zum einen sprechen diese oftmals gar kein deutsch, was gerade bei unseren Patienten gar nicht geht, weil diese halt nur deutsch sprechen. Und was viel schlimmer ist und was von vielen leitenden Krankenhausärzten und Geschäftsführer einfach verkannt wird, ist dass diese Kollegen, oftmals gar nicht alleine arbeiten dürfen, weil sie keine anerkannte deutsche Approbation haben. Und trotzdem machen diese dann alleine Nacht- und Wochenenddienste, was gesetzlich verboten ist, weil es niemand anderen mehr gibt.
Ich weiß aber persönlich jetzt auch nicht wie man das Problem grundlegend lösen will. Natürlich ist es zum einen dem langjährigen Lohnverzicht in vielen Branchen geschuldet, dass viele Berufe einfach unattraktiv geworden sind. Aber auf der anderen Seite, jammern ja so viele Branchen, egal ob Handwerker, Fernfahrer, Pflegeberufe, Lehrer, Erzieher und so weiter. Es scheint einfach grundsätzlich entweder nicht mehr genug Menschen in unserem Land zu geben oder wir bilden bereits in der Schule unsere jungen Menschen so schlecht aus, dass man mit ihnen nichts mehr anfangen kann. So zumindest mein Eindruck. Ansonsten würde man ja bei einer rein Umverteilung erwarten, dass es nur zwei oder drei Branchen wären, die über Fachkräftemangel klagen.
Nun manche Dinge bzw. mancher Fachkräftemangel ist selbst verschuldet. In Sachsen hat man ja nun angefangen, dass Lehrer verbeamtet werden, um sie zu halten. Viele junge Lehrer waren genau wegen diesem Status in die Bundesländer abgewandert, wo man ihnen das geboten hat. Bei den Ärzten liegt es oft am Numerus Clausus. Auch da hat Sachsen vor ein paar Jahren angefangen andere Wege zu eröffnen., aber das dauert eben auch einige Jahre bis solche Dinge dann greifen.
Dass die Handwerker Nachwuchsprobleme haben liegt an der Generation, welche sich kaum mehr die Hände schmutzig machen will. Da verweise ich auch gerne wieder auf das Thema Berufsberatung in den Schulen, wo man eigentlichen Bedarf vorbei beraten wird. Und dann sind natürlich die Verdienstmöglichkeiten in vielen Branchen ein Grund, warum man zu wenig Nachwuchs findet.
Kannst du alles auch wirklich belegen oder sind das Stammtischparolen? Bei den Ärzten beispielsweise ist das doch völliger Unsinn, den du da schreibst. Was genau hat der Numerus Clausus damit zu tun, dass heutzutage an allen Ecken und Enden Ärzte fehlen? Im Grunde nahezu gar nichts. Der Numerus Clausus führt ja nicht zu weniger Medizinstudenten, er selektiert die Studierenden ja nur anders. Das Problem sind viel mehr die fehlenden Studienplätze. Aber damit hat der NC rein gar nichts zu tun, er war nur als Instrument gedacht, bei zu vielen Bewerber eine objektive Selektion zu ermöglichen und das der NC als alleiniges Auswahlkriterium nicht mehr Up to date ist, ist ja schon lange so.
Allenfalls führt die nun andere Selektion dazu, dass vielleicht ein paar mehr motivierte Studierende ausgewählt werden und das Studium zu Ende bringen und auch wirklich Arzt werden. Aber das ist nicht die Masse. Das Hauptproblem liegt doch ganz woanders beim Ärztemangel. Früher haben Ärzte oftmals 80-100 Stunden pro Woche gearbeitet, da gingen Dienste von Freitag früh bis Montag Nachmittag oder auch in der Woche von heute morgen bis morgen Nachmittag. Das ist natürlich zu Recht abgeschafft worden, so dass beispielsweise der normale Klinikarzt nur noch höchstens 24 Stunden am Stück arbeitet und in der Woche auch nur noch im Schnitt 50-60 Stunden. Dazu kommen heute viel mehr zusätzliche Aufgaben insbesondere im bürokratischen Bereich. Wenn du damit quasi die Arbeitszeiten halbierst, aber kaum mehr Studienplätze anbietest, dann hat der Mangel nichts mit dem NC zu tun, sondern mit simplen Mathekenntnissen. Von zunehmender Teilzeit und vermehrt Frauen, die auch irgendwann schwanger werden oder Männern, die auch plötzlich Elternzeit nehmen, mal ganz zu schweigen.
Auch beim Handwerk sehe ich es etwas differenzierter. Nur zu behaupten die jungen Leute wollen sich die Hände nicht mehr schmutzig machen, finde ich da schon nicht wirklich richtig. Das mag es auch geben, aber das Grundproblem dürfte doch eher sein, dass im Handwerk bis zum Fachkräftemangel nicht gut genug bezahlt wurde und lieber ungelernte Billigkräfte eingesetzt wurden, statt junge Menschen richtig auszubilden und dann ordentlich zu bezahlen. Und wenn das im Kopf einmal drin ist, kriegst du dieses Vorurteil eben schlecht wieder heraus. Zumal man ja öffentlich wohl schlecht damit werben kann, dass du heutzutage als Handwerker am Wochenende schwarz mehr verdienen kannst, als der örtliche Sparkassen-Chef.
@Klehmchen: Da ich keine Kneipen besuche, weiß ich nicht, welche Parolen dort am Stammtisch kommen. Aber in Sachsen hat man vor einigen Jahren eine Art Förderprogramm gestartet, um schneller junger Ärzte zu bekommen. Man kann da ohne Wartezeiten mit einem entsprechenden Stipendium in Budapest studieren. Man verpflichtet sich dabei nur, dass man nach dem fertigen Studium für fünf Jahre eine Landarztpraxis übernimmt. Es ist ein erster Schritt, um zumindest da dem Ärztemangel zu begegnen.
Um die Ärzte im Krankenhaus etwas zu entlasten wird bei uns an der Berufsakademie eine Ausbildung angeboten, wo man eine Zwischenstufe hat. Man hat dann mehr Kompetenzen als eine Krankenschwester, aber weniger als ein Arzt. Das wird wohl in Großbritannien schon seit mehreren Jahren genutzt.
Was das Handwerk angeht, so ist es nicht nur die Entlohnung. Geh mal in eine Schule und frag mal, was den Schülern für Berufe suggeriert werden. Das Handwerk ist so gut wie nicht dabei, weil diese Betriebe die Beratungsprogramme nicht mit finanzieren. Die Schüler werden gezielt auf Berufe eingestimmt, wo auch entsprechende Gelder in die Beratungsprogramme fließen.
Und wenn dann wirklich mal jemand eine Ausbildung im Handwerk machen will, dann werden dem Handwerker noch genug Steine in den Weg gelegt. Besonders dann, wenn der ausbildungswillige Schüler nicht unbedingt die besten Noten vorzuweisen hat.
Punktedieb hat geschrieben:@Klehmchen: Da ich keine Kneipen besuche, weiß ich nicht, welche Parolen dort am Stammtisch kommen. Aber in Sachsen hat man vor einigen Jahren eine Art Förderprogramm gestartet, um schneller junger Ärzte zu bekommen. Man kann da ohne Wartezeiten mit einem entsprechenden Stipendium in Budapest studieren. Man verpflichtet sich dabei nur, dass man nach dem fertigen Studium für fünf Jahre eine Landarztpraxis übernimmt. Es ist ein erster Schritt, um zumindest da dem Ärztemangel zu begegnen.
Um die Ärzte im Krankenhaus etwas zu entlasten wird bei uns an der Berufsakademie eine Ausbildung angeboten, wo man eine Zwischenstufe hat. Man hat dann mehr Kompetenzen als eine Krankenschwester, aber weniger als ein Arzt. Das wird wohl in Großbritannien schon seit mehreren Jahren genutzt.
Also in Budapest studieren kannst du schon ewig, genauso wie an den deutschen "Privatunis" in Brandenburg, Nürnberg, Kassel oder auch Hamburg. Ich hatte da auch schon vor 15 Jahren Kommilitonen, die nach der Vorklinik dann aus Budapest zu uns nach Deutschland gewechselt sind. Das kostet halt mehrere tausend Euro Studiengebühren pro Semester, die je nach Programm dann auch teilweise erlassen werden, wenn du dich verpflichtest in der Region zu bleiben.
Aber genau das halte ich für absoluten Unsinn, genau wie irgendwelche Landarztquoten und Allgemeinmedizinerstudiengänge. Du bildest damit ja am Ende des Tages unter dem Strich so gut wie keinen Mediziner mehr aus als ohne Förderung. Du verteilst halt nur die Ärzte die auch so da gewesen wären, einfach um. Dann hast du halt genug Landärzte, aber dir fehlen dann eben die Fach- oder Klinikärzte. Das ist ein linke Tasche, rechte Tasche Spiel und grundlegend überhaupt nicht lösungsorientiert.
Das gleiche ist es mit diesem "Hilfsberuf" der sich Physician Assistant nennt. Der ist im Grunde gar nicht so schlecht gedacht, sollen diese Leute doch dann teilweise Arztaufgaben übernehmen, die sonst die Assistenzärzte gemacht haben. Also Kurven schreiben, Patienten untersuchen und aufnehmen und Behandlungspläne schon mal vorschreiben und dann einem Facharzt präsentieren, der schaut ob das so alles stimmt. Unter dem Strich heißt das nichts anderes als dass sie eben einen Großteil der Aufgaben der Assistenzärzte übernehmen sollen. In einer privatisierten Krankenhauslandschaft heißt dass dann nichts anderes, als dass man als Klinikbetreiber gar nicht mehr auf die Suche nach einem Assistenzarzt geht, sondern stattdessen einfach den Physician Assistant einstellt und damit die Hälfte der Lohnkosten spart. Wird ja bei einigen privaten Konzernen hinter vorgehaltener Hand schon lautstark diskutiert, zumal man ja die Pflegekosten mittlerweile nahezu 1:1 von den Krankenkassen ersetzt bekommt und dort quasi Einsparungen keinen zusätzlichen Gewinn bringen, bei den Ärzten schon und da gibt es ja bei dem ein oder anderen Konzern auch schon seit letztem Jahr klare Sparvorgaben.
Das ist also am Ende des Tages wieder ein Fall, wo sich die Politiker ein paar gar nicht mal blöde Gedanken gemacht haben, von den BWLern auf der anderen Seiten aber eben wieder völlig verarscht werden.
Das ist halt so wie es eben auch in vielen Handwerksberufen lange Gang und Gebe war. Am besten nur noch einen Gutbezahlten die Sache beaufsichtigen lassen und die Arbeit dann von möglichst vielen Billigkräften erledigen lassen und man wundert sich dann wenn darunter die Qualität leidet.
Eine Umverteilung wie du sie beschreibst, sehe ich da erst mal nicht. Denn es macht doch einen Unterschied, ob ich den Allgemeinmediziner nach fünf Jahren Studium in Budapest habe oder erst nach zehn Jahren in Deutschland, weil er hier so lange auf einen Studienplatz warten musste. Ich habe als Landesregierung also ein Problem schneller entspannt damit und kann mich dann entsprechend schneller dem nächsten Problem widmen. Wobei ja nicht jeder junge Arzt dann auf dem Land hängen bleibt.
Was diesen Physician Assistant angeht, so sind mir da bisher nur wenige Berichte bekannt. Aber ich finde das durchaus in der Unfallambulanz interessant, wenn diese Mediziner die kleineren Verletzungen versorgen können ohne dass man die diensthabenden Ärzte benötigt. Das würde vor allem da eine enorme Entlastung bringen, wenn sie erst flächendeckend im Einsatz sind.
Wenn ich da bedenke, dass wir hier beim Klinikum noch recht gut ausgestattet sind mit Ärzten und man im Fall der Fälle trotzdem halbe Tage in der Unfallambulanz verbringen kann, sehe ich da eine echte Entlastung. Genauso mit den Landärzten. Wenn die ländliche Versorgung wieder besser aufgestellt ist, dann entlastet das auch die Krankenhäuser. Denn aktuell wissen manche Patienten eben in ihrer Not keinen anderen Weg, als ins Krankenhaus zu kommen.
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