Vom Therapeuten in eine Richtung geschoben werden?

vom 15.07.2022, 19:31 Uhr

Ich habe gerade eine Doku gesehen, die mich schon einigermaßen zum Nachdenken bewegt hat. In der Doku ging es darum, dass jemand zu einem Therapeuten gegangen ist und dann von dem gewisse Dinge eingeredet bekommen hat. Das hatte dann auch schwere Folgen. Gedanken des Therapeuten waren wohl, dass die betreffende Person schlimmste Erlebnisse in der Kindheit und fortlaufend hat und diese einfach nur verdrängt. Dies war aber nicht der Fall.

Habt ihr so etwas, in abgeschwächter Form auch schon mal erlebt? Glaubt ihr, dass es das oft gibt? Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn man solche Dinge eingeredet bekommt und dann den eigenen Vater nicht mehr so sieht wie vorher. Ein Therapeut sollte meiner Meinung nach eine Person sein, der man absolut vertrauen kann. Ziehen solche Leute das Ansehen der anderen Therapeuten dauerhaft nach unten?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich habe einen beratenden Beruf und ich finde es manchmal schon schwer, sich da zurückzunehmen und Menschen eben gerade nicht etwas "einzureden", selbst wenn man denkt, dass die sich einfach ungeschickt verhalten und dadurch nur Probleme bekommen. Einer Mutter, die schon drei Kinder hat, mit denen sie nicht klarkommt, will man doch zurufen "Um Himmels Willen, passen Sie auf, dass Sie nicht nochmal schwanger werden" und schüttelt den Kopf, wenn sie es irgendwann doch ist. Oder einer jungen Frau, die ständig nur Beziehungsprobleme hat, will man den Kopf waschen, damit sie den Kerl endlich in den Wind schießt, aber sie behält ihn durch alle Ons und Offs, mit zugehörigen Nervenzusammenbrüchen, eben doch. Menschen treffen einfach manchmal so spooky Lebensentscheidungen.

Aber man darf das hat nicht. Man darf anderen nicht so reinreden, auch nicht als Berater. Denn die Leute nehmen das nicht an. Die empfinden das dann als aufgezwungen oder als belehrend und halten sich erst recht nicht an diese Hinweise, gerade weil die nicht von ihnen selbst kommen. Man kann durch Fragetechniken wie den sokratischen Dialog versuchen, jemanden selbst auf etwas kommen zu lassen, das klappt aber auch nur manchmal. Ansonsten muss man es ertragen, dass Leute scheinbar dumme Entscheidungen treffen und damit immer wieder auf die Nase fallen.

» vde » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


"Therapeut*in" ist meines Wissens sowieso keine geschützte Berufsbezeichnung, sprich die Gefahr ist relativ hoch, an einen Scharlatan zu geraten oder an jemanden, der mit Bachblüten und gut Zureden operiert. Oder in diesem Fall jemanden, der vielleicht die Werke von Freud gelesen hat und jetzt alles auf unterdrückte Sexualität und schwere Kindheit zurückführt. Keine Ahnung.

Ich musste auch lang suchen, um eine Psychologin zu finden, die Kassenzulassung hat, tatsächlich einen Hochschulabschluss samt Berufserfahrung und die weder wollte, dass ich tanze noch mich an meine vorherigen Leben erinnere.

Aber auch abseits von Extremfällen stelle ich mir Therapie und Beratung im weitesten Sinne schon als schwierige und manchmal undankbare Aufgabe vor. Billige Ratschläge absondern kann wie schon erwähnt jeder, und niemand geht zur Psychologin, um sich anzuhören: Dann suchen Sie sich eben einen neuen Job! oder "Der Typ taugt nicht mal zum Taubenfüttern, schießen Sie den in den Wind!". Und gerade wenn man sich in einem psychischen Ausnahmezustand befindet, fühlt man sich oft besonders schnell bevormundet oder lässt sich umgekehrt in eine bestimmte Richtung lenken, weil man eben selber nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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