Vom Chef bei Stress nach Hause geschickt werden?
Ich hatte vor einer Weile eine sehr stressige Zeit auf Arbeit. Es standen mehrere Projekte und "Baustellen" an, in die ich stark involviert war, es rückten diverse Deadlines näher und ich wusste nicht, wo mir der Kopf steht. Hinzu kam, dass ich wegen einer wichtigen organisatorischen Sache sogar Urlaubssperre bekommen hatte das ganze Jahr über bis August. Dementsprechend fühlte ich mich auch ziemlich gestresst, weil gefühlt jeder ankam und irgendetwas wollte und ich mich gefühlt vierteilen musste, um alles und jedem gerecht zu werden.
Meiner Chefin wollte ich das aber nicht unbedingt sagen, da ich befürchtet habe, dass ich entlassen werden könnte, wenn ich mich beschwere oder nicht das leiste, was von mir erwartet wird. Das hatte eine Kollegin bemerkt und hatte heimlich mit meiner Chefin darüber gesprochen, dass ich doch total überlastet wäre.
Im Endeffekt nahm meine Chefin mich zur Seite, sprach mich darauf an und stellte mich für eine Woche von der Arbeit frei. Als Präventionsmaßnahme wie sie sagte, damit ich von dem ganzen Stress runterkomme. Ich sollte ausgeruht wiederkommen und dann mit neuer Energie starten. Sie hat dann auch anschließend die Prioritäten der anstehenden Aufgaben neu verteilt und einiges an Kollegen übertragen, wo eben nicht so wichtig war, wer das im Endeffekt erledigt. Seid ihr schon mal von eurem Chef freigestellt und nach Hause geschickt worden, weil ihr zu viel Stress hattet und man psychische Erkrankungen und Burnout präventiv angehen wollte? Wie realistisch wäre so ein Szenario bei euch?
Ich schiebe in meinem Job die meiste Zeit eine relativ ruhige Kugel. Zwar habe ich durchaus gut zu tun, aber mit zahlender Kundschaft komme ich eigentlich nie zusammen und auch näher rückende Deadlines und der drohende Kollaps des Unternehmens ist mir glücklicherweise völlig fremd. Manche Leute brauchen Stress und Hektik, um sich wichtig und gebraucht zu fühlen, ich bin froh, dass ich nach meinem eigenen, eher gemächlichen Rhythmus arbeiten kann.
Alleine schon deswegen kann es mir kaum passieren, dass ich mich vor lauter Stress nicht mehr zu helfen weiß, und auch eine Urlaubssperre zu verhängen wäre für jemanden in meiner Position geradezu absurd. Generell halte ich es dennoch für sinnvoll und ein Zeichen dafür, dass die Vorgesetzten zumindest nicht völlig nutzlos sind, wenn jemand, der sich wirklich abrackert und sein Bestes gibt, auch mal entlastet wird, bevor die Person zusammenbricht und sechs Wochen verschollen ist. Ein halbwegs brauchbarer Chef kann seine Mitarbeiter schon gut genug einschätzen, um zu beurteilen, ob man die Person dringend langfristig braucht oder ob es sich um eine Lusche handelt, die zwar immer furchtbar hektisch wirkt, aber letzten Endes doch nichts reißt. Deswegen handelt man letzten Endes im Interesse des Unternehmens, wenn man rechtzeitig eingreift, bevor die betroffene Person krank wird, kündigt oder schlicht keinen Bock mehr hat.
Ideal wäre es jedoch natürlich, wenn es gar nicht erst zu derlei Situationen kommen würde, sprich, wenn die Arbeit von vorn herein fair verteilt würde und man generell darauf achtet, dass sich niemand übernimmt. Die Notbremse zu ziehen und jemanden heim zu schicken ist in meinen Augen nur die zweitbeste Lösung, und ich würde mich über die Freistellung zwar schon freuen, müsste mich aber doch fragen, wieso man dies nicht hätte besser planen können bzw. wieso man mir zuerst den Eindruck vermittelt, ohne mich ginge nichts und ich müsse mich abrackern bis zur Leistungsgrenze, um dann doch auf einmal ohne mich auszukommen und statt dessen der faulen Frau Meier in den Hintern zu treten. Das hätten sie auch ein halbes Jahr früher machen können, dann wären keine dramatischen Gesten nötig, um Mitarbeiter vor dem Burn-Out zu bewahren.
Das wäre ein Traum gewesen, nein mir ist das nicht passiert. Rettungsdienst ist sowieso eine andere Kiste, entweder du funktionierst und leistet weiter deine 150% oder du wirst ersetzt. Wer nicht mehr kann aufgrund vom Stress, der soll sich krank schreiben lassen, bezieht dann Krankengeld und irgendwann flattert die Kündigung auch ins Haus, wenn man lange genug Abwesend war oder eben dem Druck nicht gewachsen war.
Bundeswehr funktioniert ein wenig anders, hier besteht neben der Fürsorgepflicht vom Dienstherren und Vorgesetzten auch noch weitere Vorschriften, dass jeder Kamerad dazu angehalten ist solche Dinge wenn sie ihm auffallen, zu melden. Dann kann man die Sache angehen und ja, ich habe schon einige nach Hause geschickt wegen diverser Sachen, sei es nun Stress, der tote Hamster (kein Witz) oder auch die Ehe- und Beziehungsprobleme die erst in den Griff bekommen werden sollten, bevor diejenigen hier wieder antraben.
Wenn man den Mund nicht aufmacht, dann kann einem nicht geholfen werden und wer unter so starkem Stress und Druck steht und nicht mehr kann, von dem erwarte ich ehrlich gesagt auch, dass der sich zum Arzt schwingt dort vorstellt und dieser dann krank schreibt oder auch empfiehlt, wie es bei uns ist. Denn jeder hat so sein eigenes Level bis wann es geht und wann nicht mehr, bei dem einen früher und bei einem später aber bevor ich mir jemanden ans Bein binde der hinterher Monatelang abwesend ist und mir mehr Kosten verursacht, schiebe ich ihn eine Woche nach Hause und habe auch als Arbeitgeber mehr davon.
Kam nur noch nicht in allen Branchen und bei jedem Arbeitnehmer an, daher steigen die Zahlen der psychischen Erkrankungen auch seit Jahren rapide an. Klar kann ich verstehen, dass man aus Sorge um seinen Job nicht damit hausieren geht wenn man nicht zurecht kommt, aber so kann einem auch nicht geholfen werden und einem selbst ist damit erst recht nicht geholfen, da sich Stressdinger nicht nur auf das berufliche beziehen, sondern vor dem Privaten und gesamten Außerberuflichen auch nicht halt machen. Und ja, es gibt Arbeitgeber die so etwas noch quittieren mit der Kündigung, aber eben auch solche, die das ernst nehmen und handeln bevor es soweit kommt.
Mir ist das noch nicht passiert, einfach weil dort kaum jemand auf andere Mitarbeiter achtete und die meisten sich nur um sich selbst gekümmert haben. Ich habe allerdings schon mal einer kranken Kollegin nahegelegt, doch nach Hause zu gehen, weil es ihr offensichtlich sehr schlecht ging. Ansonsten gab es das nicht, dass ein Mitarbeiter so Aufmerksam war, wie deine Kollegin und eben den Chef informiert hat.
Ich denke, dass so etwas heute doch sehr selten ist und schon lobenswert, dass du eine Kollegin hast, der durchaus noch auffällt, wenn andere Kollegen viel Stress haben oder es diesen nicht gut geht. Die Meisten sind ja einfach nur mit sich und ihrer Arbeit beschäftigt. Auch die Reaktion deiner Chefin finde ich bemerkenswert und denke auch, dass so etwas eher selten vorkommt und für die Meisten einfach nur zählt, dass die Mitarbeiter eben Leistung bringen.
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