Videochat einem Arztbesuch in der Praxis vorziehen?
Visuelle Arztgespräche per Videochat kommen immer mehr in Mode. Während manche Menschen solch ein Videogespräch sehr praktisch und modern finden, lieben andere eher den klassischen Arztbesuch und das Gespräch vor Ort. Zu welcher Gruppe zählt ihr euch denn und welches Modell favorisiert ihr aus welchen Gründen? Oder würdet ihr je nach Art der Erkrankung gern variieren wollen?
Ich finde es kommt vollkommen auf die Erkrankung an. Wenn man etwas hat, wo man sich nichts ansehen muss, was man vielleicht auch schon mal hatte und der Arzt bei einem schon kennt macht es wenig Sinn im Wartezimmer zu sitzen und dort den Raum zu füllen. Das kann man dann auch so klären. Wenn man jedoch etwas mit der Haut hat oder etwas was angefasst werden muss, dann geht das ja nicht anders und man muss hingehen. Das bekommt man sicherlich auch nicht so gut über einen Videochat geklärt.
Ein Videochat wäre vielleicht am ehesten dann sinnvoll, wenn es um eine erneute Konsultation bei einer bereits bestehenden Diagnose geht, bei der beispielsweise in erster Linie nur um ein neues Rezept oder eine verlängerte Krankschreibung geht. Sobald es aber um reale Untersuchungen oder konkrete Behandlungen geht, wird einen ein Videochat nicht weiterbringen.
Ich bin hier auch eher skeptisch. Zwar habe ich mich auch schon öfter gefragt, wieso ich wegen einer banalen Erkältung das Wartezimmer meiner Hausärztin belagern muss, damit die gute Frau mir dann in den Hals schaut und feststellt: Frau Gerbera, eine geistig normal entwickelte Person Ü40 hat recht, wenn sie sagt, dass sie Halsweh hat.
Aber da würde ein Videochat auch keinen großen Unterschied machen, solange die Übertragung nicht so kristallklar ist, dass ich auch vor der Webcam "Aaah" sagen könnte. Außerdem bin ich nicht die einzige Patientin, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die ganzen alten Grattler im Wartezimmer so fit mit moderner Technik sind, dass das Angebot häufig genutzt würde.
Ich könnte mir also eine Diagnose und Behandlung über Videochat wirklich nur bei den allerbanalsten Erkrankungen vorstellen, und da weiß ich nicht, ob es sich lohnt, so ein Angebot einzuführen. Außerdem ist mein subjektiver Eindruck, dass auch ein Großteil der Allgemeinmediziner nicht gerade technik-affin ist. Jede Gemeindebücherei bietet digitale Vormerkungen an, aber bei ÄrztInnen darf ich mich noch immer ans Telefon hängen und beten, dass innerhalb der ersten sechs Anrufe jemand rangeht und wir einen Termin auskarteln können. Und auch sonst geht es noch sehr analog zu in der Branche.
Lascar, warum bringt eine ein Videotelefonat mit dem Arzt nicht weiter, wenn Untersuchungen oder Behandlungen anstehen? In einigen Modellregionen hierzulande und mancherorts im Ausland kommt eine Fachkraft und führt die Untersuchungen durch. Die Ergebnisse (z. B. vom Ekg) bekommt der Arzt direkt übermittelt. Beim Gespräch hilft die Kraft auf Wunsch, so schaffen das auch nicht internetaffine Senioren. Blutabnahmen werden rechtzeitig vorher gemacht. Und viele Behandlungen führt die Fachkraft auf Anweisung durch. Wenn zwei bis drei Mitarbeiter koordiniert die Besuche machen, schafft ein .Mediziner zwei- bis dreimal so viele Patienten, die nicht mobil sind, weil keine Fahrtzeiten zwischen den Terminen liegen. Das ist eine praktikable Lösung für den ländlichen Raum, wo Arztstellen oft nicht zu besetzen sind.
Unsere Nachbarn haben für dünn besiedelte Gebiete bereits komplette Praxen ohne Arzt. Da steht eine umfangreiche Diagnostik zur Verfügung. Der Patient wird sie gewohnt von rechts auf links gedreht. Im Anschluss erhält ein Mediziner die Ergebnisse und bespricht diese und die weitere Behandlung im Videochat. Eine so umfangreiche medizinische Infrastruktur wie bei uns halten schließlich die wenigsten Länder bereit. Da geht man in der Regel auch viel seltener zum Arzt.
Ich mag sowohl Online -Lösungen als auch andere unkomplizierte Angebote. Dauerrezepte und Großpackungen sind durchaus ein Segen. In den Niederlanden gab es schon vor Jahren 1.000 Tabletten vom Schilddrüsenhormon, was heißt, fast drei Jahre Ruhe und ein Dauerrezept für die Pille. In Großbritannien entscheidet über manches eben die Apotheke, dafür gibt es Sonderschalter. Das ist sehr bequem.
Ich finde es schwierig. Denn im Videochat kann man ja nun einmal nichts anfassen, alleine den Rachen anschauen und ausleuchten ist da ja schon schwierig. Vom Hand auflegen um mal zu sehen ob der Bauch sofort zusammen zuckt wenn man nur kurz gegen kommt oder ob man da mit aller Gewalt drauf drücken muss ganz zu schweigen.
Also je nach Grund des Besuchs kann das Sinn machen. Wenn es vielleicht um eine schon bekannte Erkrankung geht und man mal den Arzt konsultieren will ob es vielleicht besser wäre die Medikamente umzustellen, mag das gehen. Rezepte ausstellen finde ich da sowieso kein Problem. Da würde ich mir wünschen, dass man so etwas beispielsweise einfach per Whatsapp oder eine entsprechenden App verschicken könnte.
Aber gerade wenn es darum geht, dass ich eine Erkrankung habe, wo ich selber noch nicht weiß, was es sein könnte und wo auch eine Arzt selber eben den Patienten untersuchen müsste, würde ich es schon vorziehen, wenn er das selber an mir macht und mir nicht erzählt, wo ich mal hinleuchten soll oder sich versucht irgendwas über die Laptopkamera anzuschauen, was ich da gerade hinhalte.
cooper75 hat geschrieben:Der Patient wird sie gewohnt von rechts auf links gedreht.
Nein, wird er mit Sicherheit nicht. Also von rechts auf links gedreht ist schon möglich, aber mit Sicherheit nicht wie gewohnt. Das mag für rein apparative Untersuchungen gehen. Die Sachen mit dem Blut vorher abnehmen, EKG schreiben zum Beispiel finde ich wirklich klasse und da denke ich schon, so wie du es sagst, dass man das dann auch gut im Videochat auswerten kann.
Aber das alleine macht ja nicht das von rechts auf links drehen aus. Es gibt sicherlich Algorithmen, die man bei bestimmten Verdachtsdiagnosen abarbeiten kann oder auch muss. Also klar, wenn da die Fachkraft zum Patienten fährt, der glaubt sein Brustschmerz könnte ein Herzinfarkt sein, dann kann sie einen Troponinschnelltest machen und ein EKG schreiben und dann zum anschauen den Videochat starten. Aber so klar ist das ja nicht immer. Gerade wenn es unspezifische Beschwerden sind, hilft eben oft kein Algorithmus, sondern manchmal eben das Bauchgefühl, dass ein Arzt nach Jahren der Arbeit und Erfahrung entwickelt um dann manchmal eben auch scheinbar unsinnige Untersuchungen durchzuführen, weil er einfach ein komisches Gefühl hat.
Deswegen denke ich schon, dass es eine Hilfe sein kann, aber mit Sicherheit nicht in allen Fällen auch wirklich die körperliche Untersuchung durch einen physisch anwesenden Arzt ersetzen kann. Muss man halt von Fall zu Fall sehen. Wenn es aber angeboten wird, finde ich es als Option gut.
Klehmchen, da brauchst du aber auch Ärzte, die dich körperlich untersuchen. Und das ist ja längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich habe beispielsweise mittelschweres Asthma, aber ich bin seit 20 Jahren nicht mehr abgehört worden. Weder in Irland, Schottland, England, den Niederlanden noch in Deutschland. Mein Hausarzt untersucht nur die Haut als Krebsvorsorge. Das war es schon.
Das ist mehr als alle anderen in den letzten zwei Jahrzehnten. Mandelentzündung? Welches Antibiotikum vertragen sie? Kein Blick in den Hals. Blasenentzündung? Reicht eine Kurztherapie? Ich habe mittlerweile einige chronische Erkrankungen. Alle drei Monate Labor und telefonisch bei den Mitarbeiterinnen der Anmeldung die Ergebnisse abfragen reicht doch. Online war es bisher immer gründlicher. Und mit Gemeindeschwester im Ausland auch.
cooper75 hat geschrieben:Lascar, warum bringt eine ein Videotelefonat mit dem Arzt nicht weiter, wenn Untersuchungen oder Behandlungen anstehen?
Hm, vielleicht bin ich technisch zu naiv, aber wie konkret führt man Untersuchungen oder Behandlungen per Videochat durch? Ich denke zum Beispiel an EKGs, Blutabnahme, Urinproben, Abhören, Vereisen, Augenuntersuchungen, etc. Du schreibst, es kommt eine Fachkraft, wie ist das gemeint? Sie kommt dann zu mir nach Hause, oder wie läuft das konkret ab? Dann ist es aber doch kein reiner Videochat mehr und womöglich noch aufwändiger für die Praxis, als wenn ich dort hinkomme? Abgesehen davon braucht man doch für etliche Maßnahmen auch Geräte., oder nicht? Also, ganz habe ich das noch nicht verstanden, fürchte ich.
lascar hat geschrieben:Du schreibst, es kommt eine Fachkraft, wie ist das gemeint? Sie kommt dann zu mir nach Hause, oder wie läuft das konkret ab? Dann ist es aber doch kein reiner Videochat mehr und womöglich noch aufwändiger für die Praxis, als wenn ich dort hinkomme? Abgesehen davon braucht man doch für etliche Maßnahmen auch Geräte., oder nicht? Also, ganz habe ich das noch nicht verstanden, fürchte ich.
Na ja, ein mobiles EKG kann man ja mitnehmen. Und mit Fachkraft meint er mit Sicherheit eine MFA, also medizinische Fachkraft. Sozusagen ein wenig eine "richtige" Krankenschwester und nicht irgendein Quereinsteiger, der ohne Ausbildung vorne am Tresen sitzt. Ich gehe davon aus, dass du sofort du mal ein EKG bekommen hast, dieses nicht vom Arzt angelegt bekommen hast. Das ist ja eher die Ausnahme.
Und sicherlich steigt der Aufwand für die Praxis etwas, weil sie eben auch dafür zusätzliche MFAs anstellen müssen. Aber die Überlegung ist ja, den Arzt in der Praxis sitzen zu lassen und er macht dann beispielsweise an einem Vormittag 4 Stunden lang Videochats. Das ist dann bei guter Organisation der Termine 4 Stunden lang reine Sprechstunde, lass ihn da alle 10 Minuten einen Patienten schaffen, macht er da 24 Termine. Würde er jetzt selber stattdessen Hausbesuche machen, müsste er in den vier Stunden ja überall erst noch hinfahren und ist wahrscheinlich allein 2 oder gleich 3 Stunden nur unterwegs und schafft dann eben nur die Hälfte oder gar ein Viertel.
Alternativ kannst du natürlich in der Praxis auch zusätzliche Ärzte dafür einstellen um dann das gleiche Pensum zu schaffen. Aber die würden dich als Praxisinhaber ja viel mehr Geld kosten als die MFAs und würden trotzdem rein ökonomisch keinen Mehrwert bringen.
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