Verwandter braucht Hilfe oder nur Mitleid?

vom 13.06.2016, 14:48 Uhr

Vor einigen Jahren, bei einem Gespräch mit einem sehr betagten Verwandten, bekam ich das Gefühl er benötigt wirklich Hilfe mit dem Haus und Garten. Er erzählte uns immer wieder bei zahlreichen Gelegenheiten, was ihm schwer fällt, was er garnicht mehr kann und was er bereits aufgegeben hätte, weil es ihm mittlerweile zu kompliziert sei.

Dazu gehörten beispielsweise anstrengende Autofahrten bei Dunkelheit, Glätte, Regen oder langer Fahrzeit. Gartenarbeiten die körperliche Stärke oder Ausdauer erfordern, sowie Reparaturen oder Instandsetzungen am Haus und Schriftverkehr mit Ämtern.

Wir boten uns an ihm zu helfen, mit allem was ansteht. Soweit es den Schriftverkehr und das Fahren betrifft, gab es auch nie Schwierigkeiten. Wann immer er hier Hilfe benötigte, meldete er sich, man vereinbarte etwas und es lief immer ohne Schwierigkeiten. Wenn es sich jedoch um andere Arbeiten handelte, wurde es irgendwie immer Anstrengender ihm zur Hilfe zu kommen.

Zu erst dachten wir es wäre ihm peinlich oder er wäre zu stolz um solche Arbeiten von uns ausführen zu lassen. Bei jeder sich bietenden Möglichkeit lamentierte er dann aber das er dies und jenes nicht machen konnte. Um mal ein Beispiel zu nennen, Rasenmähen stand an, er beschwerte sich das die Gräser bereits so hoch wären, das er mit dem Rasenmäher nicht mehr durch käme. Auch die gefüllten Körbe dann zu leeren, sei zu anstrengend.

Mein Partner vereinbarte sofort eine Zeit am nächsten Tag, wo er vorbei kommt und das für ihn erledigt. Am folgenden Tag rief er an und sagte es sei jetzt kein guter Zeitpunkt zum mähen, es würde schon regnen und viel heftiger werden. Außerdem hätte er vergessen das kein Benzin mehr im Rasenmäher wäre und er müsse erst mal Einkaufen fahren.

Mir erschien das seltsam, da in unserer Nachbarschaft alle mähten, obwohl es leicht nieselte. Abgesehen davon hätte mein Partner das bisschen Benzin in einem Kanister mitbringen können. Um ihn aber nicht zu bedrängen sagte ich ihm er solle sich einfach melden, wenn er Benzin hätte und mein Partner loslegen kann.

Auch am späten Nachmittag kam kein Rückruf mehr und so gingen wir gemeinsam rüber da wir sowieso einen Spaziergang machen wollten. Bei seinem Grundstück angekommen, sahen wir ihn mit hochrotem Kopf im Garten beim Rasen mähen. Wenig später erhielt ich bereits einen Anruf von einer seiner Nachbarinnen, er würde sich wieder beschweren das er ganz allein ist und ihm keiner hilft.

Bei fast allen Hilfsangeboten läuft es mittlerweile so ab. Er fragt nach Hilfe oder jammert darüber, erledigt die Arbeit jedoch selbst, bevor man zum Zuge kommt als hätte er nicht die Geduld, einen Tag zu warten. Manchmal ist er sogar beleidigt, weil man nicht schnell genug geschalten hat, das er jetzt Hilfe benötigen könnte. Da wir auch noch unsere eigne kleine Familie sowie meinen 80jährigen Vater zu organisieren haben, fällt es mir schwer seine Bedürfnisse im voraus zu erahnen. Geschweige denn sie auch prompt zu befriedigen.

Daher frage ich mich nun wirklich ob es unser Fehler ist, weil wir nicht schnell genug sind oder nicht aufmerksam genug sind oder ob wir ihm sonstwie das Gefühl geben, wir würden nicht helfen wollen. Oder könnte es sein, das es ihm doch irgendwie peinlich ist die Arbeiten von Anderen erledigen zu lassen und er daher immer wieder versucht diese Dinge selbst zu erledigen? Möchte er vielleicht gar keine Hilfe, sondern nur die Annerkennung oder Mitleid für seine geleistete Arbeit trotz hohen Alters? Würdet ihr trotzdem versuchen zu helfen oder würdet ihr eure Hilfe einstellen?

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» Pikalina » Beiträge: 790 » Talkpoints: 6,08 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich kenne auch jemanden der bereits die 80 überschritten hat und da ganz ähnlich ist, wie euer Verwandter. Sie bittet auch durchaus um Hilfe, aber diese muss dann meistens direkt und prompt kommen, weil sie es sonst doch wieder selbst macht. Sie ist da auch sehr unvernünftig und stellt sich bei richtiger Sommerhitze noch in den Garten und zupft Unkraut und solche Sachen. Sie steht dort mit hochrotem Kopf und schwitzt fürchterlich, aber es muss ja direkt gemacht werden.

Die ganze Familie ärgert sich auch darüber, dass man nicht vorher eine vernünftige Absprache treffen kann. Meistens setzt es die anderen Familienmitglieder unter Druck, da sie ja wissen dass die Person die Hilfe direkt haben möchte, da sie sonst wieder selbst aktiv wird. Ich denke, dass dies bei einigen älteren Leuten so ist. Die Person von der ich spreche, sagt auch oft, dass sie ja keine Hilfe hätte, aber ich weiß von mindestens 4 oder gar 5 Leuten die ihr alle Hilfe angeboten haben und dies auch wahr machen würden.

Vielleicht fällt es einigen älteren Menschen auch schwer Hilfe anzunehmen oder sich einzugestehen, dass sie eben nicht mehr alles alleine können. Aber jammern scheint dann auch beliebt zu sein. Ich denke, dass man das vielleicht erst versteht, wenn man selbst mal so alt ist und auf Hilfe angewiesen sein wird.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Na ja im Alter werden die Männer immer komischer sagt meine Oma immer über ihren Mann. :D Also entweder ist es ihm wirklich unangenehm um Hilfe zu bitten bzw. diese dann auch anzunehmen oder aber er jammert einfach gerne vor sich hin und genießt dann diese Art der Aufmerksamkeit.
Wahrscheinlich wirst du es so jemandem nie Recht machen können ganz egal wie du es machst.

An deiner Stelle würde ich da mal klar sagen, dass er entweder die Hilfe annimmt und sich dann auch wirklich meldet oder aber er aufhören soll dann bei anderen Leuten zu jammern, da ihr auch in keinem schlechten Licht stehen wollt da die Leute euch sonst für unzuverlässig halten oder so. Vielleicht regt ihn das ja mal zu nachdenken an oder aber er ist einfach schon leicht vergesslich und vergisst solche Kleinigkeiten dann einfach immer wieder.

Aber nur mal so nebenbei bei nasser bzw. feuchter Wiese Rasen mähen ist wirklich keine gute Idee. :whistle:

» chica1989 » Beiträge: 297 » Talkpoints: 0,06 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich glaube, dass er einfach ein bisschen Anerkennung für seine Arbeit haben möchte. Wobei ich generell auch denke, dass er schon Hilfe brauchen würde, aber er mag diese eben nicht so annehmen.

An eurer Stelle würde ich es so machen, dass man eben beim Rasen mal schaut und wenn es wieder so weit ist, sagt man dann einfach mal zu ihm, dass es wieder Zeit ist und dann kann er ja mähen und man selber entsorgt die schweren Körbe. Bei der ganzen Hilfe darf man den alten Menschen eben auch nicht zum Kind verkommen lassen, was etwas noch nicht darf.

Ich würde ihn dann auch mal um Hilfe bitten, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, er braucht es sicherlich mal wieder gebraucht zu werden. Ich stelle mir das schon blöd vor, wenn einen niemand mehr um Rat bittet, keiner mehr um Hilfe und so weiter. Man fühlt sich dann schnell wieder wie ein Kind.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Manche jammern einfach nur gerne und stellen sich als das Opferlamm hin. Hilfsangebote hat er genug, wenn er dann kurzfristig selbst absagt, den Rasen selbst mäht und dann jammert ist es sein Problem und ich würde mir darüber keinen Kopf machen. Selbst wenn er sich vor der Nachbarin wieder hinstellt, als wenn er keine Hilfe bekommen würde. Diese hat er selbst ausgeschlagen und das würde ich ebenfalls der Nachbarin auch so mitteilen.

Mehr als anbieten kann man es nicht, ihr habt auch ein Leben und weitere Dinge zu organisieren. Daher kann niemand erwarten, dass ihr direkt auf einen Anruf aufspringt und dem werten Herren seine Arbeiten erledigt. Dauert es ihm zu lange, dann hat er einfach Pech gehabt. Denn ein Rasen läuft nicht weg und kann durchaus noch einige Tage später gemäht werden.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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