Vertraut Ihr der deutschen Rechtsprechung noch?

vom 08.07.2019, 18:01 Uhr

Immer wieder liest man von Straftaten, die mit unterschiedlichen Urteilen geahndet werden. Diese liegen immer in Ermessenssache, da jeder Richter in Deutschland je nach Straftat auch einen gewissen Spielraum genießt. Soweit haben wir das ja auch alle begriffen.

Mittlerweile kenne ich, selbst auf der Arbeit keinen Menschen mehr, der der deutschen Rechtsprechung vertraut oder glaubt, dass diese mit Gerechtigkeit viel zu tun hat. Deswegen werden die meisten Urteile von den Betroffenen auch nicht ernst genommen, ausgelacht und eher mit weniger Verwunderung wahrgenommen. Auch meine Arbeitskollegen, die alle zwischen Jugendamt und anderen Einrichtungen aktiv sind, herrscht eigentlich Ernüchterung.

Ich persönlich bin über die deutsche Rechtsprechung in vielen Belangen auch nicht begeistert. Bei einigen Urteilen wie Steuerbetrug ist die Verhältnismäßigkeit zu Gewalttaten oftmals enorm, was mich zutiefst erschreckt und an Gerechtigkeit glaube ich schon lange nicht mehr. Vertrauen habe ich im Übrigen auch nicht in unseren Rechtsstaat.

Doch vielleicht ist das bei Euch anders? Vertraut Ihr der Rechtsprechung und wenn ja, wieso? Wenn Ihr der Rechtsprechung nicht vertraut, wieso denn nicht?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Doch, ich vertraue der deutschen Rechtssprechung immer noch, weil ich das Vertrauen haben, dass unsere Gesetze in der Mehrheit so wie erlassen wurden, in Ordnung sind und ich auch nicht die Expertise habe, um jeden Hintergrund genau zu erkennen. Die Gesetze wurden zum Glück von klügeren Menschen entworfen, und nicht vom geifernden Mob, der sich auf Facebook auslässt, dass Kinderschänder alle geteert und gefedert gehören und der klauende Asylbetrüger wieder am Marktplatz an den Pranger gestellt werden sollte.

Das heißt natürlich nicht, dass es nicht wenig nachvollziehbare Urteile gibt oder tatsächliche Fehlurteile. Oder auch kleinere bis größere Skandale. Aber nur weil einzelne Fehler oder fragwürdige Entscheidungen gefällt werden, stelle ich nicht das ganze System infrage.

» Verbena » Beiträge: 4940 » Talkpoints: 1,49 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Wieso "noch"? War die deutsche oder irgendeine Rechtsprechung "früher" so viel besser und hat sich erst in den letzten Jahren zum Schlechteren entwickelt? Und wann war dieses "früher? Vor 1945? Vor 1990 im Osten unseres schönen Landes?

Ich kann natürlich auch nicht guten Gewissens behaupten, dass unsere Rechtsprechung völlig makellos ist und dass jeder das bekommt, was er oder sie verdient, wenn er/sie sich nicht an die Regeln hält. Aber das ist doch sowieso ein völlig unerreichbares Ideal, das keine Rechtsprechung der Welt erfüllen kann, weil Recht und Gerechtigkeit nun mal zwei verschiedene Dinge sind und bleiben.

Ich habe auch ein Problem damit, dass die Leute, die mit der deutschen Rechtsprechung nicht zufrieden sind, oft genug nur wollen, dass Leute, die sie nicht leiden können, anständig eins auf den Deckel bekommen, während sie selber als brave Bürger tun können, was sie wollen. Und das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit. Mir fällt auf, dass gerade diese Zeitgenossen auch keine sinnvollen Vorschläge vorbringen, wie die Rechtsprechung verbessert und gerechter und demokratischer für alle gemacht werden kann. Da geht es nur darum, dass man "Randgruppe X" gesteinigt sehen will.

Von daher bin ich im Großen und Ganzen schon ganz angetan davon, dass wir eine halbwegs unabhängige Justiz haben, die nicht von den geifernden Hasskommentaren abhängt, die quasi jeden am Galgen sehen wollen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit und es gibt Urteile, die ich nur bedingt nachvollziehen kann. Was aber mit Sicherheit auch daran liegt, dass sich meine Studien im juristischen Bereich auf Copyright, Markenschutz und ähnliche Geschichten beschränkt haben. Von Strafrecht habe ich keine Ahnung. Und ja, ich tue mich auch generell schwer damit zu akzeptieren, dass Straftaten, die zu einem rein materiellen Schaden führen, schwerer bestraft werden können als Straftaten, die einen körperlichen oder seelischen Schaden zur Folge haben.

Aber ich halte die deutsche Justiz für gut und relativ unabhängig und ich sehe absolut keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich da in den letzten Jahren irgendwas grundlegend geändert haben könnte - was dein "noch" wohl suggerieren soll. Wenn ich mir anschaue wie korrupt die Justiz in anderen Ländern teilweise ist oder was für eine große Rolle solche Aspekte wie Hautfarbe oder sozialer Status vor Gericht in einem erste Welt Land wie den USA doch spielen dann haben wir es hier schon verdammt gut. Das ist jammern auf sehr hohem Niveau.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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