Versteht ihr Menschen, die wegen dem Geld nicht arbeiten?

vom 11.10.2019, 21:21 Uhr

Eine Bekannte von mir hat vor kurzem einen neuen Vertrag unterschrieben und verdient jetzt genug, dass sie aus Hartz IV ganz knapp raus ist. Im Endeffekt hat sie jetzt 300,- € mehr als vorher. Eigentlich. Den ab sofort muss sie die Busfahrkarte zur Arbeit (50 € / Monat), das Essensgeld für ihre Tochter (65 €/Monat) und die Nachhilfe (50 €/Monat) selbst zahlen. Natürlich fallen auch die ca. 150 € für Schulmateralien im Jahr und die Zuschüsse für Schulausflüge, Ferienpass und Mitgliedsbeitrag im Verein weg. Alles in allem hat sie also eigentlich "nur" 100,- € mehr im Monat als vorher.

Ihr macht der neue Job Spaß und sie ist auch froh, dass sie ihrer Tochter ein gutes Vorbild ist. Außerdem zahlt sie ja wieder aktiv in die Rentenkasse ein. Aber sie sagt auch, dass sie schon etwas enttäuscht ist dass der Unterschied so gering ist zwischen Arbeitslosigkeit und 40/Std. Job. Würde ihr der Job nicht so viel Freude machen, wäre ihre Motivation wohl auch sehr gering. Aus diesem Grund könne sie die Meinung mancher Langzeitarbeitslosen schon verstehen, denen der Antrieb für die Jobsuche fehlt. Wie seht ihr das, könnt ihr Leute verstehen, die nicht arbeiten gehen wollen, weil der finanzielle Unterschied kaum spürbar ist?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich finde es macht auch einen Unterschied im Tagesablauf, man hat eine Aufgabe und wird gebraucht, wenn man arbeitet und das macht ja auch etwas mit einem. Vom Geld her mag der Unterschied nicht immer so hoch sein, allerdings ist es immer eine Sache der inneren Einstellung. Es gibt einfach Menschen, die das dann auch als Ausrede nehmen und dann lieber zu Hause bleiben. Ich habe bisher noch nie Arbeitslosengeld bekommen, aber vielleicht gibt es auch Möglichkeiten aufzustocken, wenn man dennoch ein geringes Gehalt hat.

Letztendlich sind das natürlich einfach Kosten, die man vorher nicht zu tragen hatte oder die übernommen wurden und die jetzt wieder zu Buche schlagen, aber das ist ja auch okay so, weil man ja nun mal dafür arbeiten geht. Letztendlich muss das jeder selber wissen was er macht, ich denke dass es auch einfach wichtig ist eine Aufgabe zu haben im Leben und sicherlich ist es auch nicht angenehm, wenn einem das Arbeitsamt ständig auf die Nerven geht. Deswegen würde ich arbeiten immer bevorzugen. Es gibt aber auch Menschen, die da anders ticken und dann einfach faul sein wollen. Der Anreiz ist natürlich bei 100 € mehr auch nicht mehr so hoch, aber man weiß ja dass man es selber geschafft hat und das wertet es auf.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Also ich kann jeden verstehen, der am Ende des Tages sagt, dass er jetzt für 100 Euro mehr keine 40 Stunden arbeitet geht. Umso bemerkenswerter finde ich es, wenn sich doch noch Leute finden, die es trotzdem tun. Natürlich ist das für das die Wertschätzung schon ganz anders, wenn man nicht mehr vom Staat abhängig ist und sich nicht mehr vor dem Amt nackig machen muss. Aber genauso ist eben doch deprimierend, dass man Vollzeit arbeiten geht und kaum etwas davon hat.

Hier müssten einfach andere Übergänge geschaffen werden um die Attraktivität deutlich zu erhöhen. Ich kann mir da nämlich schon vorstellen, dass es doch recht viele Menschen gibt, denen dieser Unterschied zu gering ist und die dann eben nicht arbeiten gehen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Natürlich. Die 40 Wochenstunden Lebenszeit bekommst du ja nicht obendrauf, und mit sehr wenig Geld auszukommen ist ein Vollzeitjob für sich. Wie soll man denn die vielen guten Tipps beherzigen, die dir die Außenstehenden so gerne zustecken? Prospekte wälzen, Coupons sammeln, Tomaten anbauen, kreative Resteküche, Stopf- und Flickstunde, von einem Discounter zum anderen tingeln und den 25-Kilo-Kartoffelsack im Angebot ohne Auto auf der Schulter heimschleppen, all das kostet Zeit und Energie, die man dann noch zusätzlich zu einem Vollzeitjob aufbringen müsste. Und nötig wären derlei Aktionen nach wie vor.

Von daher habe ich vollstes Verständnis dafür, wenn auch "arme" Menschen sorgfältig abwägen, wie sie mit ihrer Energie und ihren Möglichkeiten haushalten, um sich nicht völlig zu ruinieren. Es ist ja niemandem gedient, wenn Körper und/oder Psyche den Dienst versagen und gar nichts mehr geht, weil dich 40 Stunden Maloche mit exakt den gleichen Geldsorgen wie vorher endgültig mürbe gemacht haben.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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