Verlorene Kindheit oder Jugend inwiefern später nachholen?
Es gibt ja viele Menschen, die von sich behaupten, ihre Kindheit oder Jugend recht früh verloren zu haben, da sie sehr schnell selbstständig und erwachsen werden mussten, lange Zeit an psychischen Problemen litten, die viele Jahre ihres Lebens einnahmen oder was auch immer. Vielen Kindern geht es ja so, dass sie bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, das auch noch viel arbeiten muss und weshalb sie sich um jüngere Geschwister kümmern müssen.
Einige dieser Menschen haben dann später auch das Bedürfnis, ihre verlorene Kindheit oder Jugend später nachzuholen, indem sie dann auch im späteren Erwachsenenalter viel in Discos gehen oder andere Sachen machen, die gesellschaftlich gesehen nun nicht unbedingt mit Menschen ihrer Altersklasse in Verbindung gebracht werden. Welche "Methoden" kennt ihr, mit denen Menschen ihre verlorene Kindheit oder Jugend später nachholen?
Ich glaube nicht, dass das wirklich funktioniert. Ich meine, angenommen meine Eltern hätten mir früher nie erlaubt mit meinen Freunden feiern zu gehen. Kein Kindergeburtstag, keine Kinderdisco, keine Teenagerpartys und so weiter.
Natürlich hätte ich dann jedes Wochenende um die Häuser ziehen können nachdem ich ausgezogen war, aber damit kann ich doch nichts nachholen. Die Umstände sind einfach ganz andere und die Freunde vielleicht auch. Ich kann nicht nachholen wie sich ein sechsjähriges Kind beim Topfschlagen gefühlt hat oder wie sich der Abiball angefühlt hat.
Ich glaube nachholen ist hier die falsche Wahl. Man kann das ja nicht. Hatte man als Kind kein Spielzeug, dufte nichts ausprobieren kann man das zwar nachkaufen, aber es bringt einen auch nicht weiter. Ich finde man sollte dann als Erwachsener mit seiner Kindheit abschließen und das Beste aus dem machen, was man hat und sein Erwachsenenalter genießen. Man hat ja nur das eine Leben und muss das auch genießen.
Ich glaube auch nicht, dass man einen gesamten Lebensabschnitt nachholen kann, aber ein paar Ereignisse vielleicht schon.
Mein Mann zum Beispiel hat nie eine Carrera Bahn bekommen, weil es in seiner Familie eine riesige Modellbahn gab. Es hieß immer, dass er ja damit spielen kann. Anfang 20 hat er dann eine Carrerabahn von mir bekommen und er liebt sie. Er hat sich noch selbst kleine Metallstützen gebaut und die Bahn optimiert und weitere Teile hinzugekauft usw.
Und bei mir zum Beispiel war es ein Wunsch, mal in einen Wasserrutschenpark zu gehen. Ich kannte die, vom vorbei fahren zum Beispiel an ein Urlaubsziel in meiner Kindheit, aber wir sind nie reingegangen. Meine Eltern gehen beide nicht gerne in Schwimmbäder etc. und so ein Rutschenpark wäre für sie nichts gewesen und daher habe ich als Kind so was nie besucht. Auch dies habe ich mit meinem Mann "nachgeholt".
Ich würde von mir nicht behaupten, eine "verlorene" Kindheit oder Jugend gehabt zu haben. Meine Eltern hatten einfach nicht sonderlich viel Geld, und dass in dem Kaff am Ende der Welt, in das ich hineingeboren wurde, keinerlei Kultur oder Unterhaltung für mich zu haben war, kann ich ihnen im Nachhinein auch schlecht vorwerfen. Dorfdisco und Schützenfest gab es, aber damit konnte ich nie etwas anfangen, weswegen ich mit Ü40 auch nicht mehr in Discos gehen muss. Gibt es die überhaupt noch?
Dennoch wäre ich beispielsweise gerne mehr gereist und war schon in der Grundschule voll des Neides auf meine Klassenkameradinnen, die sich mit der ganzen Familie in Bibione haben grillen lassen. Auch Ausflüge aller Art waren vielleicht einmal im Quartal auf der Tagesordnung, und ein Jahr ist noch lang, wenn du selber erst 10 Jahre alt bist. Von daher habe ich schon einen gewissen Nachholbedarf und schaue jetzt im Erwachsenenalter durchaus, dass ich zu meinen Reisen, Ausflügen oder auch mal einem Theater- oder Konzertbesuch komme. Sonst langweile ich mich ja mein ganzes Leben lang.
Ich habe selbst als Kind viel Verantwortung übernehmen müssen. Ich habe oft das Gefühl gehabt, dass ich zu schnell erwachsen werden musste und dass ich keine richtige Kindheit hatte.
Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder das Bedürfnis verspürt, meine verlorene Kindheit oder Jugend nachzuholen. Ich denke, das ist ein ganz normales Bedürfnis, wenn man in jungen Jahren viel Verantwortung tragen musste oder traumatische Erfahrungen gemacht hat. Für mich bedeutete das, Dinge zu tun, die ich als Kind oder Jugendliche verpasst hatte, wie zum Beispiel in eine Disko zu gehen oder neue Freunde zu finden.
Allerdings habe ich auch gelernt, dass das Nachholen der verlorenen Kindheit oder Jugend keine Lösung für meine Probleme ist. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Leben nicht rückwärts geht und dass man nicht alles nachholen kann, was man verpasst hat. Es ist viel sinnvoller, sich darauf zu konzentrieren, im Hier und Jetzt glücklich zu sein und positive Veränderungen in seinem Leben herbeizuführen.
Das bedeutet nicht, dass man nicht ab und zu eine Party feiern oder sich etwas gönnen sollte. Aber es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Nachholen der verlorenen Kindheit oder Jugend nur ein vorübergehendes Glücksgefühl verschafft und nicht die Wurzel der Probleme löst. Stattdessen sollte man sich um seine psychische Gesundheit kümmern, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, Freunde und Familie um Unterstützung bitten und sich ein erfüllendes Leben aufbauen.
Wie will man etwas nachholen, was auch vom Alter abhängig ist? Ich kann ja wohl kaum mit 30 noch bei der Schülerdisko auftauchen. Man sollte es einfach schaffen zu akzeptieren, dass man gewisse Dinge nie hatte oder machen durfte. Und wenn es an den Eltern oder eben den Umständen lag, kann man versuchen den eigenen Kindern diese Erfahrungen zu ersparen.
Und ja, ich habe auch einige Dinge, wo ich heute sage, dass ich da was verpasst habe. So eben Geburtsfeiern direkt auf den Tag oder andere Feiertage, wo allein zu Hause saß, weil meine Eltern durch den Schichtbetrieb arbeiten mussten. Da habe ich mir immer geschworen, dass ich das mal besser mache. Bis meine Kinder ihre eigenen Pläne für den Geburtstag hatten, habe ich immer geschafft, dass ich mir diese Tage freihalten kann, um für sie da zu sein.
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