Verlangt gute Erziehung und Anstand dass man unehrlich ist?

vom 28.06.2017, 18:21 Uhr

Ich habe hier einen Thread eröffnet Besser ehrlich und direkt als gelogen und hintenrum bei dem auch eine Antwort ist, wo eine Userin meint, dass eine gute Erziehung und der Anstand verlangt, dass man nicht immer ehrlich ist. Hat man also dann erst alles richtig in der Erziehung gemacht, wenn das Kind aus Anstand lügt? Oder denkt ihr, dass es wichtig ist ein Kind zur vollkommenen Ehrlichkeit zu erziehen? Was es dann später daraus macht ist dann die Sache des Kindes. Aber muss man nicht immer drauf achten, dass ein Kind ehrlich erzogen wird?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Diese Userin war denke ich ich und ich habe diese Diskussion auch schon vielfach erlebt. Kinder sind nämlich sehr ehrlich und sagen oft Dinge, die man lieber nicht hören möchte. Diese Kinder werden dann meistens von den Erwachsenen zurecht gewiesen und es wird gesagt, dass man das nicht sagt.

Kinder verstehen das dann auch nicht und sagen, aber es ist doch so, warum darf ich es denn nicht sagen, wenn es wahr ist. Du hast doch gesagt, ich soll die Wahrheit sagen. Schon sehr oft hatte ich solche Diskussionen mit meiner Tochter. Sie meinte es nicht böse aber sagte dann einfach oft Dinge, die ehrlich waren, aber Menschen eben verletzt hatten.

Ich finde aber auch, dass man da wirklich aufpassen muss. Beispielsweise, wenn jetzt das Kind sagt, dass jemand dick ist oder so. Meistens können die Menschen, die dick sind ja gar nichts dafür, dass sie so dick sind. Sie haben vielleicht einfach eine Krankheit.

Oder sie sagen über Behinderte zum Beispiel, Mama, warum lässt der die Zunge heraus hängen, oder Mama warum verhält sich dieser Mensch so? Und sie starren richtig hin, weil sie so etwas nicht kennen. Das wurde uns ja auch aberzogen. Man darf nicht starren und Leute nicht beurteilen, wenn man sie nicht kennt. Außerdem macht man sich nicht lustig über Behinderte oder stellt diese in den Vordergrund.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin ja der Meinung, dass man ein Kind immer zu Ehrlichkeit erziehen sollte. Aber es gibt ja auch Situationen, wo lügen praktisch gesellschaftlich erwünscht ist. Wer will schon hören, dass das neugeborene Baby eigentlich hässlich ist? Da sagt man aus Höflichkeit, dass es eben "süß" ist, auch wenn man es anders empfindet. Wenn man in solchen Situationen dann die Wahrheit sagt, wird man gleich als unerzogen, vorlaut und generell als negatives Balg abgestempelt. Irgendwie schon paradox die Situation finde ich.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



@nordseekrabbe: Wenn meine Kinder mich gefragt haben, warum was so oder so ist und wenn es auch einen Menschen betraf, dann habe ich ihnen erklärt warum es so ist. Da kann dieser Mensch das auch mitbekommen. Es ist doch gut, wenn ein Kind fragt und nicht hinterm Rücken redet und lacht. So wächst das Kind so auf, dass auch behinderte Menschen nicht unnormal sind.

@Täubchen: Da habe ich meine Kinder doch so erzogen, dass sie lieber gar nichts sagen als eben zu beleidigen. Das ist keine Lüge und eben Anstand, dass man nicht immer alles sagt und sich einen Teil denkt. Empfindet man ein Baby wirklich hässlich, dann kann man einfach nur gratulieren und nichts sagen. Aber ich würde da meinen Kinder erklären, dass Babys manchmal eben noch sehr zerknittert aussehen und kein Baby wirklich richtig hässlich ist.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Diamante hat geschrieben:Da habe ich meine Kinder doch so erzogen, dass sie lieber gar nichts sagen als eben zu beleidigen. Das ist keine Lüge und eben Anstand, dass man nicht immer alles sagt und sich einen Teil denkt.

Das ist eine gute Lösung, wobei das aber sicherlich nicht immer einfach so umsetzbar ist und gerade am Anfang der eine oder andere verbale "Fehltritt" eines Kindes sicherlich ausgebügelt werden muss. Ich habe als Kind so einiges gesagt, was meinen Eltern peinlich gewesen ist und wo ich hinterher aufgeklärt worden bin, dass man das so nicht sagt, weil das eben respektlos ist, auch wenn es eben wahr ist. Erziehung ist eben ein Lernprozess.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


nordseekrabbe hat geschrieben: Beispielsweise, wenn jetzt das Kind sagt, dass jemand dick ist oder so. Meistens können die Menschen, die dick sind ja gar nichts dafür, dass sie so dick sind. Sie haben vielleicht einfach eine Krankheit. [...]

Oder sie sagen über Behinderte zum Beispiel, Mama, warum lässt der die Zunge heraus hängen, oder Mama warum verhält sich dieser Mensch so?


Aber wenn jemand einfach nur deswegen dick ist, weil er oder sie gerne isst und keinen Sport treibt, darf man das kommentieren? Nur krankheitsbedingte Dicke "dürfen" unkommentiert dick sein? Ich selber bin felsenfest der Überzeugung, dass höfliche Lügen zu einer normalen Erziehung hierzulande dazu gehören, aber die Beispiele stoßen mir doch arg sauer auf.

Wie soll ein Kind denn auch lernen, dass es alle möglichen Menschen gibt, die sich in der Öffentlichkeit bewegen, wenn es keine Fragen stellen darf? Ich empfinde es nämlich nicht als unehrlich oder taktlos, wenn ein kleines(!) Kind zum Beispiel fragt, wieso die Person schwarze Haut hat oder im Rollstuhl sitzt oder komische Geräusche macht. Natürlich würde ich das Balg nicht am Sauerstoffschlauch einer behinderten Person zerren lassen oder die Haare eines dunkelhäutigen Menschen anfassen, aber die Antwort auf all diese Fragen ist doch dieselbe:

Menschen kommen in allen Varianten, und manche funktionieren körperlich oder geistig eben auch anders als du oder ich. Dazu wird noch ein Beispiel geliefert, z.B. von der dunkelhäutigen Schulfreundin oder der dicken Tante Hildegard, und gut ist. In meinen Augen tut man niemandem einen Gefallen, wenn man sich bei derlei Kinderfragen anfängt, sich peinlich berührt zu winden und etwas von Krankheiten und Toleranz faselt, wenn doch eher wissenschaftliche Neugier einer Person mit wenig Lebenserwartung der Auslöser ist. Mit Ehrlichkeit hat das in meinen Augen gar nichts zu tun.

Ich bin durchaus der Meinung, dass es zur Erziehung dazu gehört, sich beispielsweise auch für ein ungeliebtes Geschenk artig zu bedanken und der Oma keine Vorwürfe zu machen, weil sie das falsche Computerspiel angeschlepppt hat. Auch dass man seine Meinung nicht immer kundtun muss, kann man im Laufe der Zeit den Kindern auch vermitteln, aber vieles davon ergibt sich doch auch im Laufe der normalen Entwicklung, und wenn man mit drei Jahren noch nicht gelernt hat, wann es peinlich berührt wegzuschauen gilt, müssen die Erwachsenen eben ein bisschen toleranter gegenüber Leuten sein, die die Feinheiten des sozialen Umgangs noch lernen.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Für mich verlangt Anstand, Respekt und Erziehung nur eines - Ehrlichkeit. So kenne ich sie in meiner Familie und die kann dann auch mal brutal sein. Ich kenne jedoch auch die arrogante Familienseite, die der Meinung ist, man muss vieles dann bitte freundlich umreden oder mal eine kleine Notlüge tätigen und diese Meinung teile ich ganz klar nicht.

Mein Anstand und mein Respekt einer Person gegenüber verbietet es mir, unehrlich zu sein. Keine Person, selbst eine Persona non grata in meiner Auffassung hat es verdient, dass ich unehrlich bin. Ich bin immer ehrlich und das egal, in welcher Situation. Wenn die Fragen nicht zu intim sind, antworte ich auch ohne Weiteres darauf, wenn sie zu intim sind, dann sage ich bis hier und nicht weiter.

Doch wie surreal ist es, zu sagen, Anstand und Erziehung könnten auch so ausgelegt werden, dass man manchmal unehrlich sein muss? Ich denke das nicht, aber das muss natürlich auch jeder mit sich vereinbaren können. Ich hasse jegliche Arten von Unehrlichkeit und daher bin ich immer ehrlich.

Wenn Kinder mich etwas fragen, dann achte ich natürlich darauf, wie ich antworte. Ich nehme auch keine Erziehungsfragen wie Homosexualität, was ist das? vorne weg! Das steht mir natürlich nicht frei und das mache ich nicht. Doch Antworten tue ich auch Kindern, aber eben kindgerechter. Das bin ich meinen Nichten, Neffen, Halbgeschwistern usw. auch schuldig.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Wie soll ein Kind denn auch lernen, dass es alle möglichen Menschen gibt, die sich in der Öffentlichkeit bewegen, wenn es keine Fragen stellen darf? Ich empfinde es nämlich nicht als unehrlich oder taktlos, wenn ein kleines(!) Kind zum Beispiel fragt, wieso die Person schwarze Haut hat oder im Rollstuhl sitzt oder komische Geräusche macht. Natürlich würde ich das Balg nicht am Sauerstoffschlauch einer behinderten Person zerren lassen oder die Haare eines dunkelhäutigen Menschen anfassen, aber die Antwort auf all diese Fragen ist doch dieselbe:

Das ist es eben und viele sehen nicht dahinter, dass das nur die kindliche Neugier und Naivität noch ist, warum sie genau das Fragen. Erwachsene schämen sich dann dafür, wenn das eigene Kind jemanden als behindert bezeichnet hat oder auch anderweitig aus seiner Sicht beschreibt, wenn es die Worte denn dafür kennt. Dafür gibt es aber noch lange keinen Grund dazu, denn man kann immer noch nüchtern sagen was Gerbera gesagt hat, dass Menschen in vielen Varianten vorkommen und nicht alle weiß sind, nicht alle dünn und nicht alle einen funktionierenden Körper haben und keinen Sauerstoffschlauch in der Nase brauchen.

Ich schäme mich absolut nicht dafür, wenn mein Sohn jemanden als dick bezeichnet und dann noch andere Dinge dazu sagt, die vielleicht von manch einem Erwachsenen als Beleidigung aufgefasst werden könnten. Wie sollte er es sonst aus seiner kindlichen Sicht beschreiben wen er meint wenn er mir etwas zeigen möchte? Zu sagen, dass es die stämmige Alte ist mit der Stoffwechelerkrankung wäre etwas weit her geholt, zudem diese Krankheit keinem auf der Stirn abzulesen ist und die meisten dick sind, weil sie sich falsch ernähren und zu wenig bewegen, ist auch kein Geheimnis. Nun zu sagen, dass all diese krank sind und nur deswegen dick sind, ist ebenfalls eine Lüge die ich meinem Kind nicht auftischen werde.

Hier wird zur Ehrlichkeit erzogen, auch wenn es mal hart ist und weh tut. Denn das finde ich immer noch besser, als dem Kind Lügen zu vermitteln die es dann weiter gibt. Das mit dem "nichts sagen" darauf kommt jedes Kind irgendwann alleine, dazu muss ich nicht einmal anhalten und ich schäme mich auch nicht dafür, wenn er aus seiner kindlichen Sicht manches noch anders betitelt und manche deswegen eingeschnappt sind.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^