Verfallfrist zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses

vom 02.03.2018, 13:26 Uhr

Frau Ratlos hat im Februar letzten Jahres ein Arbeitsverhältnis in einer Firma beendet, weil sie eine neue, bessere Anstellung gefunden hat. Ein Arbeitszeugnis war bisher kein Thema. Aber der Vollständigkeit wegen würde sie gerne für die Unterlagen ein Arbeitszeugnis der alten Firma haben und hat dies dann auch schriftlich beantragt. Doch anstatt eines Arbeitszeugnisses bekam sie gestern einen Brief vom alten Arbeitgeber, in dem steht, dass sie auf die Verfallsfristen des Arbeitsverhältnisses hinweisen. Demnach wäre die Ausstellungspflicht des Arbeitszeugnisses hinfällig.

Frau Ratlos dachte nicht, dass nach einem Jahr schon die Frist für den Antrag eines Arbeitszeugnisses abgelaufen ist. Stimmt das denn? In welchem Gesetz steht, dass die Verfallfrist zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses tatsächlich nur ein Jahr ist. Oder ist die Frist gar länger? Warum weigert sich wohl ein Arbeitgeber ein Zeugnis auszustellen? Wie kann Frau Ratlos nun vorgehen, damit sie noch ein Zeugnis bekommt?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Es gibt keine gesetzlich festgelegten Fristen. Die einzige Ausnahme wäre, dass im Arbeitsvertrag festgehalten wurde, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer gewissen Frist geltend gemacht werden müssen. Beträgt diese zum Beispiel vier Wochen, so kann Frau Ratlos in der Tat nach Ablauf dieser keines mehr einfordern und hätte auch auf dem Rechtsweg schlechteste Chancen.

Ansonsten entscheidet die Rechtsprechung hier von Fall zu Fall und manchmal bekommen Arbeitnehmer auch nach mehreren Jahren noch Recht, wenn sie in letzter Konsequenz ein Zeugnis einklagen müssen. Lenkt der Arbeitgeber nicht ein, wird der Klageweg auch ihre einzige Möglichkeit sein.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Diamante hat geschrieben:Frau Ratlos dachte nicht, dass nach einem Jahr schon die Frist für den Antrag eines Arbeitszeugnisses abgelaufen ist. Stimmt das denn? In welchem Gesetz steht, dass die Verfallfrist zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses tatsächlich nur ein Jahr ist.

Ganz so einfach ist das alles nicht, aber denken, man hätte ewig Zeit, ist halt auch nicht der richtige Weg. Ich frage mich da eh immer, warum man sich genau um sowas nicht eher kümmert, denn jetzt ist der Schlamassel da und da gibt es wohl auch nichts mehr zu rütteln. Denn man muss bei einer Zeugnisausstellung immer mehrere Punkte beachten und nicht alles lässt sich immer mit Paragraphen und Gesetzen einfordern. Denn bei Zeugnissen gibt es eine Verjährung und eine Verwirkung und die Verwirkung greift tatsächlich in diesem Fall, wenn man sich einschlägige Gerichtsurteile ansieht.

Zeugnisse unterliegen einer Verjährungsfrist von 3 Jahren, diese Frist beginnt mit der Einreichung der Kündigung, nicht mit dem Austritt selber. Jedoch und das ist hier der wesentlich wichtigere Punkt, ein Zeugnis unterliegt einem schuldrechtlichen Anspruch und damit einer kann einer allgemeinen Verwirkung. Für die Verwirkung gibt es verschiedene Voraussetzungen. Der Arbeitnehmer hat hier über einen längeren Zeitraum seinen Anspruch nicht geltend gemacht (in diesem Fall ca. 1 Jahr nach dem Austritt) und damit beim Arbeitgeber die Überzeugung geschaffen haben, das er sein Recht auf die Ausstellung des Zeugnisses nicht mehr geltend machen wird.

Der Arbeitgeber hat sich entsprechend hierauf eingerichtet (das wird er bereits nach weniger als 12 Monaten gemacht haben, meistens rechnen Personalabteilungen schon nach weniger als 6 Monaten nicht mehr damit noch ein Zeugnis ausstellen zu müssen, wenn der ehemalige Arbeitnehmer sich nicht gemeldet hat bis dahin) und als letzter Punkt muss dem Arbeitgeber die Erfüllung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr zumutbar sein. Dies tritt insbesondere bei Zeugnissen schnell auf, wenn der Vorgesetzte und ggf. auch weitere Mitarbeiter, die den ehemaligen Arbeitnehmer bewerten könnten nicht mehr im Unternehmen angestellt sind. Eine Verwirkung tritt in der Regel nach 10-12 Monaten nach Aussprache der Kündigung bereits ein, so haben in der Vergangenheit mehrere Gerichtsurteile bereits entschieden.

Warum weigert sich wohl ein Arbeitgeber ein Zeugnis auszustellen?

Ja warum wohl? Weil es Arbeit ist und es ist ein deutlich größerer Aufwand, ein Zeugnis für einen Arbeitnehmer auszustellen, der schon länger nicht mehr im Unternehmen ist. Wer soll den Arbeitnehmer noch bewerten? Wie soll man hier noch fair und gerecht bewerten? Der Mensch ist keine Maschine, die sich alles merken kann und über die Zeit verklärt sich der Blick. Ein Arbeitgeber hat da auch kein Interesse ein unter Umständen fehlerhaftes Zeugnis auszustellen, weil die Bewertung nicht mehr korrekt vorgenommen werden kann.

Wie kann Frau Ratlos nun vorgehen, damit sie noch ein Zeugnis bekommt?

Rechtlich würde sie wohl kaum eine Chance haben, da noch etwas zu erreichen, wenn dann würde ich ihr raten, direkt dort anzurufen und das Gespräch zu suchen und hoffen, das sich doch noch jemand erbarmt ihr das auszustellen.

» StarChild » Beiträge: 1405 » Talkpoints: 36,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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