Unterschiede von humanistischen und christlichen Idealen
Durch einen Kommentar wurde mir eben bewusst, dass ich nicht genau sagen könnte, was eigentlich humanistische Ideale sind. Philosophie wurde damals an meiner Schule nicht angeboten und ich habe mich nie näher damit befasst. Auch die Möglichkeit zu einem Ethik-Unterricht, der, soweit ich weiß, gewissermaßen mit Philosophie verwandt ist, gab es in meiner Jugend nicht.
Für mich war es hingegen immer selbstverständlich, dass ich als Mensch human bin. Was sollten Menschen sonst sein? Maschinell, animalisch? Auch sehe ich ethisches Handeln als Notwendigkeit und an vielen Stellen als gesetzliche Verpflichtung. So bin ist es mir nicht nur verboten, meine Art zu verspeisen, sondern ich bin auch verpflichtet Artgenossen nicht zu schaden und muss sogar helfen, wenn mir einer blutend vor die Füße fällt.
An anderen Stellen werden gewisse Verhaltensweisen von mir erwartet und wenn ich weiterhin Teil der jeweiligen Gemeinschaft (sei es nun ein Verein, die Familie, ein Freundeskreis, eine Interessengruppe oder Unternehmens) bleiben will, dann muss ich mich entsprechend ethisch korrekt verhalten.
Doch was genau, sind eigentlich humanistische Ideale? Und wie unterscheiden diese sich von christlichen Idealen?
Trisa hat geschrieben:
Doch was genau, sind eigentlich humanistische Ideale? Und wie unterscheiden diese sich von christlichen Idealen?
Ich denke, ein wichtiger Unterschied ist, dass humanistische Ideale keinen Gott brauchen bzw. sich nicht an der Vorstellung eines göttlichen Wesens orientieren. Ein Sinn des Lebens wird aus sich selbst bzw. der Menschheit entwickelt, bzw. jeder ist eingeladen, seinen eigenen Sinn des Lebens zu finden. Ich denke, im humanistischen Denken lehnt man Dogmatismus ab und erlaubt Menschen, ihre jeweiligen Lebensentwürfe in ihrer Vielfalt zu leben.
Wichtig wäre halt, dass man sich in all dem gegenseitig wertschätzt und respektiert und nicht versucht, auf Kosten anderer Menschen zu leben oder rücksichtslos zu agieren, sondern dass man auch die Bedürfnisse der anderen Menschen im Blick behält.
Das würde bedeuten, dass Gottgläubige nicht nach humanistischen Idealen leben können? Sind nicht Ideale und Vorstellung ohne Gott Atheismus? Oder andersherum gefragt: Sind alle Humanisten Ungläubige? Da Humanistik doch Teil der Philosophie ist, womit sich zumindest im christlichen Glauben durchaus die Studierenden befassen, kann ich mir dies nicht vorstellen.
Für mich liest das weiterhin so, als glaubst du, dass Gläubige anderen Menschen etwas verbieten wollen? Das kann ich nicht nachvollziehen, denn ich wüsste nicht, was Gläubige pauschal anders machen als andere Menschen. Jeder will doch, dass in seinem Haus, Tempel, Garten, Verein, in seiner Universität oder Familie gewisse Regeln eingehalten werden, oder?
Das funktioniert, solange mein Lebensentwurf nicht mit denen der jeweiligen Gruppe, an der ich teilnehmen möchte, kollidiert. Wenn mein Lebensentwurf vorsehen würde, dass ich so lebe, wie ich erschaffen wurde und nicht auf Kosten von Tieren oder Pflanzen deren Eigentum nutzen und verarbeiten lassen will (was in den meisten Fällen auch zu Lasten der an der Produktion beteiligten Mitmenschen passiert), dann kann ich das in meinem Zuhause oder meiner Gemeinde mit Gleichgesinnten praktizieren, aber doch nicht erwarten, dass mir die humanistische Universität Wertschätzung und Respekt entgegenbringt. Stattdessen muss ich mich entscheiden, ob ich mich den Bedürfnissen und Regeln Fremder unterordne - oder mich von ihnen fernhalte.
Ich erinnere ich mich an eine Diskussion, als wir mit einer Gruppe den Hindu-Tempel besuchen wollten und ein Ehepaar dies ungeheuerlich fand: weil Frauen während ihrer Periode den Tempel nicht betreten sollen, würde jeder der dort hinein geht Frauenfeindlichkeit unterstützen. Die meisten Teilnehmerinnen waren Frauen und es war wohl jedem klar, dass dies niemand kontrollieren wird und es somit die eigene moralische Entscheidung ist, ob man sich heimlich darüber hinweg setzt.
Außerdem darf man auch nicht mit Rauchen, Fleisch verzehren, Haustiere mitbringen, nicht mit ausgestreckten Beinen sitzen und muss die Schuhe ausziehen. Eigenartigerweise sah darin niemand, eine Feindlichkeit gegenüber Tieren, Rauchern, Schuhen oder gar Beinen. Ich muss diese Regeln nicht wertschätzen, sondern sie (wie alle anderen, die es irgendwo in der Gesellschaft gibt) lediglich akzeptieren, wenn ich teilnehmen/besuchen möchte.
Und so wie die Hindus im Tempel ihre Regeln haben, so hat sie jede Gemeinschaft. Darin sehe ich aber kein Dogma, dass für alle Menschen gilt. Oder siehst du es als humanistisches Dogma, dass deinesgleichen erwartet, dass ich ihnen bekleidet gegenübertrete?
Es gibt nicht "den" Humanismus, sondern es sind viele verschiedene, teils sich widersprechende Strömungen. Das ist in der katholischen Kirche ja nicht anders. Aber der bekannte und verbreitete Renaissance-Humanismus baut auf wissenschaftliche Erkenntnisse und dass es eben weder göttliche Schöpfung, noch einen göttlichen Plan gibt.
Der Mensch steht im Mittelpunkt und das Menschsein ist der Sinn des Lebens. Dabei bewegst du dich immer in einem Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und ethischen Zielen wie dem Engagement für andere oder dem Erhalt der Natur. Das schränkt dann deine Selbstverwirklichung ein.
cooper75 hat geschrieben:
Der Mensch steht im Mittelpunkt und das Menschsein ist der Sinn des Lebens. Dabei bewegst du dich immer in einem Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und ethischen Zielen wie dem Engagement für andere oder dem Erhalt der Natur. Das schränkt dann deine Selbstverwirklichung ein.
Genau, das beschreibt es meines Erachtens gut, und genauso sehe ich es auch. Ein Unterschied zu Religionen ist eben, dass man auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut und dass man ohne den Glauben an eine göttliche Instanz auskommt, die die Welt geschaffen hätte oder den Menschen Richtlinien geben würde. Trotzdem kann natürlich nicht jeder machen, was er will, weil limitierende Faktoren existieren, wie z.B. das Wohlergehen der anderen Menschen und der Natur.
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