Unterscheidet ihr zwischen Russlanddeutschen und Russen?

vom 21.01.2016, 19:43 Uhr

Ich verfolge seit einigen Tagen so eine Meldung über eine 13-jährige Schülerin, die in Berlin angeblich von Flüchtlingen entführt und vergewaltigt geworden sein soll. Besonders stutzig werde ich aber immer, wenn man sich ganz offensichtlich wegen der Nationalität "verschusselt", wie beispielsweise hier dargestellt.

Am Anfang wird die ganze Zeit geschrieben, das Mädchen sei eine "Russin", später heißt es, das Mädchen sei die Tochter einer russlanddeutschen Familie. Für mich sind das definitiv zwei verschiedene Paar Schuhe und ein meilenweiter Unterschied. Mir ist jedoch schon oft aufgefallen, dass Russlanddeutsche pauschal für Russen gehalten werden, nur weil sie vielleicht diese Sprache sprechen und aus der ehemaligen Sowjetunion stammen.

Russlanddeutsche haben aber nichts mit den Russen zu tun. Es sind doch nur Deutsche, die sehr lange in Russland gelebt haben und sich untereinander fortgepflanzt haben. Die Staatsangehörigkeit ist immer Deutsch geblieben, während das bei den Russen doch ganz offensichtlich nicht so ist. Außerdem habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele Russlanddeutsche sich diskriminiert fühlen, wenn man sie als "Russen" bezeichnet, weil der Ausdruck meistens abwertend und negativ gemeint ist.

Unterscheidet ihr persönlich zwischen Russlanddeutschen und Russen? Oder ist es für euch ein und dasselbe?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Wo wird denn in dem Bericht irgendetwas verschusselt? Russische Medien bezeichnen das Mädchen als Russin. Das liegt nahe, wenn man in Russland Stimmung gegen arabische Einwanderer machen möchte. Naturgemäß liegt der russischen Bevölkerung das Schicksal eines russischen Mädchens viel näher als das eines deutschen, russlanddeutschen und deutschrussischen Kindes.

Die deutschen Medien bezeichnen das Mädchen dagegen als Russlanddeutsche. Also läuft doch alles korrekt. Das Mädchen wird als Kind von aus Russland ausgewanderten, deutschstämmigen Eltern eingestuft. Niemand bezeichnet sie als deutsch ohne russischen Hintergrund. Niemand bezeichnet sich als Deutschrussin, also als Tochter eines russischen und eines deutschen Elternteils.

Durcheinander geht im Bericht doch nichts. Die Bezeichnung als Russin ist lediglich ein Zitat aus den russischen Medien. Zitate verändert man nicht. Besonders dann nicht, wenn das Zitat wichtig ist, um die russische Haltung zu verdeutlichen.

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Der Artikel hat mich daran erinnert, dass diese Begriffe grundsätzlich in Deutschland durcheinander geworfen werden. Ich meinte das nicht ausschließlich auf diesen Artikel bezogen. So treffe ich immer wieder Deutsche, die Russlanddeutsche als "Russen" bezeichnen und nicht glauben können oder wollen, dass diese "deutschstämmig" sind. Siehst du das genauso?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kenne niemanden, der so eine Haarspalterei betreibt, also der Nachbar von meiner Großmutter ist auch ein Russlanddeutscher, aber niemand bezeichnet ihn als "den Russen" oder so, er wird ganz normal mit seinem Nachnamen - oder eben auch Vornamen - angesprochen. Ich kenne es nicht, dass Leute diese Begriffe durcheinander werfen und Russlanddeutsche als Russen abstempeln oder umgekehrt.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich bin in einem Klima aufgewachsen, wo man eher von Aussiedlern gesprochen hat. Die wenigstens haben sich über die neuen Bürger gefreut. Sprüche wie, dass ein Deutscher Schäferhund in der Familie ausreichend ist, um als Russlanddeutscher zu gelten, waren nicht selten. Das gehörte sich zwar nicht, aber es war hinter vorgehaltener Hand dann doch gesellschaftlicher Konsens.

Ich habe diese Ablehnung nie wirklich verstanden. Meine Urgroßeltern sind gleich nach dem Ersten Weltkrieg aus der Gegend um Königsberg ins Ruhrgebiet gezogen. Heute ist genau diese Region Oblast Kaliningrad eine russische Enklave.

Meine Vorfahren sind hierher gekommen, als Ostpreußen noch unbestritten Teil des Deutschen Reiches war. Niemand hielt sie für nicht deutsch. Was sicher auch die komplett deutschen Namen erleichtert haben. Allerdings klang Uroma durch und durch ostpreußisch.

Warum sollten die, die erst viel später gegangen sind, plötzlich keine Deutschen sein? Das habe ich nie eingesehen. Allerdings stand ich mit der Meinung ziemlich allein. Wobei in meiner Schulzeit aber auch Kinder mit polnischen Nachnamen von den Lehrern klar benachteiligt worden sind.

Und das war so, obwohl das Ruhrgebiet schon lange ein Schmelztigel unterschiedlichster Nationalitäten ist. Wegen Bergbau und Stahl kamen im 19. Jahrhundert beispielsweise viele Polen. Die lebten damals schon fast 100 Jahre hier und hatten natürlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Und trotzdem wurden sie oft noch ausgegrenzt. Warum sollten dann Russlanddeutsche willkommener sein?

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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