Unter welchen Bedingungen chronische Depression heilbar?
Mein Cousin hat schon seit vielen Jahren eine Depression. Nach Aussage meiner Tante hat es damit angefangen, dass sie kurz nach der Wende wegen eines neuen Jobs meines Onkels nach Hessen gezogen sind und da wurde er in der Schule immer als „Ossi“ gehänselt. Die haben ihn dann komplett verkorkst und eigentlich das Leben versaut. Denn dadurch sei er dann depressiv geworden - das ist etwa 15 Jahre her. Es war wohl nicht nur ein wenig eine depressive Verstimmung, sondern so, dass er auch richtig paranoide Züge hatte und dachte, man will ihm was antun.
Mehrere Klinikaufenthalte später funktioniert er heute halbwegs und kann sein Studium abschließen. Wegen der Klinikaufenthalte kam er mit dem Studium ziemlich in Verzug. Und er nimmt immer noch Antidepressiva, schon seit 15 Jahren eben. Wenn ich bedenke, was das früher für ein lustiger und humorvoller Mensch war, dann ist es echt traurig zu sehen, was daraus geworden ist. Er ist total unruhig und zittert beispielsweise wenn er mal still sitzen soll. Er kann einem auch nicht in die Augen gucken. Meine Tante meint, das läge an den Antidepressiva und wenn er nächstes Jahr mit dem Studium fertig wird, will der Psychiater mal probieren, ob man die absetzen könne.
Ich frage mich, ob der jemals wieder normal wird. Denn dass man jemandem nicht in die Augen gucken kann, das kann doch nicht an den Tabletten liegen. Die Unruhe und das Zittern vielleicht, aber das Vermeiden von Augenkontakt? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er einen richtigen normalen Job bekommt. Derzeit arbeitet er an der Uni alleine vor sich hin und er hat auch ein Fach studiert, wo vielleicht viele etwas schrullig sind. Aber einen Job mit Kundenkontakt könnte er gar nicht ausüben und einem 8-Stunden-Arbeitstag wäre er vielleicht gar nicht gewachsen und dann gänge es wieder von vorne los.
Wenn man so eine chronische Depression hat - 15 Jahre würde ich schon als chronisch ansehen - wird das denn dann wieder besser? Ist davon auszugehen, dass da jemals wieder eine Besserung eintritt, wenn es schon so lange geht? Ist das realistisch, auf eine Besserung zu hoffen? Oder wird er immer ein Problemfall bleiben? Geht das mit dem Zittern und der Unruhe wieder weg, wenn er keine Antidepressiva mehr nimmt? Ist das überhaupt heilbar?
Dass das Mobbing in der Schule nun der Grund für eine dauerhaft chronische Depression mit jahrelangen Aufenthalten in der Klinik ist, glaube ich nicht. Das mag vielleicht der Auslöser oder einer der Trigger gewesen sein, aber sicher nicht die Ursache. Da habe ich das Gefühl, dass deine Tante sich oder anderen etwas vormacht. Die meisten psychischen Erkrankungen sind in der Genetik und der Herkunfts-Familie zu finden.
Ob er jemals wieder komplett gesund wird, wird dir kein Arzt oder Psychiater der Welt jemals beantworten können, das wäre ja unseriöse Wahrsagerei. Du hast natürlich mit einigen Befürchtungen recht, je jünger jemand bei der Erstmanifestation ist und je länger die Krankheit dauert, desto geringer werden die Chancen, dass alles jemals so komplett verschwindet. Aber es gibt durchaus Leute, selbst solche mit einer Psychose, die plötzlich nach einem Jahrzehnt der Krankheit einen Entwicklungssprung machen und psychisch stabiler werden.
Davon abgesehen... Was ist denn eigentlich schon normal? Er kann anderen nicht gut in die Augen gucken, wie vermutlich draußen auf der Straße jeder dritte Mensch auch. Das muss nicht gleich hochgradig krankhaft sein. Und er steht vor dem Abschluss eines Studiums, trotz und mit seiner Krankheit. Diese Leistung muss man auch mal anerkennen. Wie sein berufliches Leben aussehen wird, kann man doch jetzt auch nur spekulieren und nicht jeder muss acht Stunden arbeiten oder in einer kundenorientierten Branche tätig werden.
Verbena hat geschrieben:Dass das Mobbing in der Schule nun der Grund für eine dauerhaft chronische Depression mit jahrelangen Aufenthalten in der Klinik ist, glaube ich nicht. Das mag vielleicht der Auslöser oder einer der Trigger gewesen sein, aber sicher nicht die Ursache. Da habe ich das Gefühl, dass deine Tante sich oder anderen etwas vormacht. Die meisten psychischen Erkrankungen sind in der Genetik und der Herkunfts-Familie zu finden.
Ich sehe das offen gestanden ähnlich. Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass nur "das bisschen Mobbing" Schuld an allem ist. Ich frage mich eher, was denn da in der Familie los gewesen Denn in einer liebenden und stabilen Familie, die ihm Rückhalt gibt, hätte doch so mancher psychischer Stress abgefangen werden können denke ich mir. Auf mich wirkt es eher so, als hätte der junge Mann seine Probleme ganz alleine lösen müssen, also bezogen auf das Mobbing in der Schule jetzt und als hätten sich die Eltern nicht wirklich dafür interessiert. So als wäre ihnen ihr Kind egal gewesen.
Ich meine, welche Eltern schauen zu, wenn das Kind gemobbt wird? Die meisten Eltern sprechen dann doch mit den Lehrern oder den mobbenden Schülern oder lassen ihr Kind die Schule wechseln. Normale Eltern ziehen doch die Notbremse, wenn sie merken, da stimmt was nicht. Da muss ein Kind nicht mal drüber sprechen, das sieht man doch auch so, wenn etwas nicht stimmt, wenn das Kind plötzlich Schlafstörungen bekommt, die Noten absacken und dergleichen und ich finde es erschreckend, dass es tatsächlich Eltern gibt, die das einfach nicht sehen und hören wollen, wenn es dem Kind schlecht geht. Da ist es doch logisch, dass das Kind Depressionen bekommt, mir wäre es bestimmt ähnlich ergangen.
Dass das Mobbing in der Schule nun der Grund für eine dauerhaft chronische Depression mit jahrelangen Aufenthalten in der Klinik ist, glaube ich nicht. Das mag vielleicht der Auslöser oder einer der Trigger gewesen sein, aber sicher nicht die Ursache.
Ja, aber an den Genen kann man ja nichts ändern. Mag sein, dass es da eine genetische Vorbelastung gibt, aber inwiefern hilft einem das Wissen darüber? Wenn er nicht gemobbt worden wäre, hätte er vielleicht ein ganz prima Leben gehabt, daher sehe ich das schon als den kritischen Punkt. Wer weiß, wie viele Menschen irgendeine genetische Vorbelastung haben und die kommt nicht zum Tragen, weil das Leben ohne großartige Zwischenfälle verläuft.
Ich meine, welche Eltern schauen zu, wenn das Kind gemobbt wird? Die meisten Eltern sprechen dann doch mit den Lehrern oder den mobbenden Schülern oder lassen ihr Kind die Schule wechseln. Normale Eltern ziehen doch die Notbremse, wenn sie merken, da stimmt was nicht. Da muss ein Kind nicht mal drüber sprechen, das sieht man doch auch so, wenn etwas nicht stimmt, wenn das Kind plötzlich Schlafstörungen bekommt, die Noten absacken und dergleichen und ich finde es erschreckend, dass es tatsächlich Eltern gibt, die das einfach nicht sehen und hören wollen, wenn es dem Kind schlecht geht.
Na ja, das muss ich aber entschieden widersprechen. Da hat niemand zugeschaut, aber was will man denn bitte machen als Elternteil? Was soll das bringen, mit den anderen Kindern zu reden? Denkst du, die sagen sich dann "Ja stimmt, wir waren böse, das lassen wir jetzt mal sein mit dem Mobbing" - das ist doch unrealistisch. Und genauso wenig können die Lehrer da etwas machen. Das ist eine Klassendynamik, die sich nicht einfach aufhalten lässt.
Mein Tante ist eigentlich ein Mensch, der sich sehr für die Kinder einsetzt und sie hat da sicherlich versucht, etwas zu ändern, aber es gibt Situationen, in denen man einfach nichts machen kann. Und bei einem Schulwechsel wäre er auch wieder der "Ossi" gewesen. Um das zu beenden, hätten sie alle wieder zurück in die neuen Bundesländer ziehen müssen. Ich finde das eigentlich sehr unangemessen, dann zu unterstellen, die Familie sei schuld, weil man nichts gemacht hat. Er wurde dann ja auch schnell in Behandlung gebracht als man gemerkt hat, dass das nicht mal nur eine Stimmungsschwankung ist. Da kann keine Rede davon sein, dass die Eltern nichts gemacht haben.
Depressionen können unterschiedlichste Gründe und Auslöser haben, darüber würde ich nicht philosophieren. Er ist in Behandlung und der Facharzt muss dementsprechend schauen, was machbar ist. Ein normales Leben ist mit jeder Krankheit schwierig, aber man kann durchaus immer einen Weg finden damit leben zu lernen und auch bei chronischen Depressionen kann es zu einer Besserung kommen.
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