Unfertige Kleidung zum Spenden kaufen human?
Ich habe neulich Sakkos um 1,90 Euro gesehen. Diese waren nicht fertig genäht, aber sahen sonst recht passabel aus. Davon hingen rund 20 Stück an der Stange und das Geschäft war auch kurz vor der endgültigen Schließung. Bis in ein paar wenige Tage kann ich mich entscheiden, ob ich diese Sakkos kaufen könnte, um sie an Bedürftige zu spenden.
Ist es human, unfertige Kleidung zu spenden? Ich dachte dabei an Obdachlose oder andere Leute, die auf der Straße herumsitzen oder wäre so etwas beleidigend und inhuman?
Warum willst du denn Klamotten kaufen um sie zu spenden? Es ist ein Mythos, dass es zu wenig Kleidung auf der Welt gibt, tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Es gibt so viel gespendete Kleidung, dass ein großer Teil gar nicht weiter getragen wird sondern auf Müllkippen oder in der Verbrennung landet. Selbst in Afrika gibt es inzwischen ein so großes Überangebot, dass hinter den Kleidermärkten direkt die Müllkippe für die unverkauften Sachen anfängt.
Wenn du irgendwas an Obdachlose spenden willst, kauf warme Socken oder Unterwäsche. Hygieneprodukte sind auch immer gefragt oder Schlafsäcke, wenn du etwas mehr Geld investieren willst.
Dass in Afrika Kleidung vernichtet wird, kommt aber dadurch, dass die Afrikaner gerne Markenprodukte kaufen. Diese kommen gebraucht zu Spottpreisen nach Afrika, sodass dort niemand die lokale Noname-Kleidung tragen will. Das hat nichts mit Überproduktion zu tun, sondern mit einem die lokale Textilindustrie vergiftende Spendenwut an Markenkleidung.
Cloudy hat's mal wieder erfasst. Wie schon öfter erwähnt, war mein Freund mal in der Kleidercontainerleerbranche tätig, und ich habe daraus auch gelernt, dass es wahrhaftig keinen Mangel an Kleidung gibt, sodass man irgendwelche benachteiligten Menschen mit unfertigem Müll belästigen muss. Man hat ja als obdachlose Person wohl andere Sorgen, als sich sein Sakko fertig zu nähen, und würde sich über Socken oder Unterwäsche bestimmt mehr freuen. Der Meinung bin ich auch. Die meiste Kleidung, die in irgendwelchen Containern landet, wird auch zu Dämmstoffen oder ähnlichem verarbeitet, weil selbst die "armen Kinder in Afrika" unseren Müll mittlerweile nicht mehr dankend annehmen. Die haben schon mit unserem Elektroschrott genügend zu kämpfen.
Ich kenne auch etliche Quellen für Kleidung für weniger wohlhabende Mitbürger, bei denen man für einen symbolischen Beitrag sich komplett neu einkleiden kann. Zwar findet man da weder ein Ballkleid noch einen Pelzmantel, aber normale, solide, nicht kaputte Hosen, Hemden und Pullover zu finden ist glücklicherweise kein allzu großes Problem hierzulande. Ich selber hätte auch keine Hemmungen, aus Sparsamkeitsgründen Second-Hand-Kleidung im Sozialkaufhaus zu erwerben, weil es da wirklich ordentliche Sachen gibt.
Wozu also sollte ich jemandem ein halbfertiges Sakko aufdrängen, um mich dann für eine Wohltäterin zu halten? Selbst wenn ich Kleidung zum Spenden hätte (was schon öfter vorgekommen ist), würde ich nur Sachen spenden, die ich selber noch anziehen würde, wenn ich mich nicht aus der entsprechenden Kleidergröße heraus gefuttert hätte. Und ich würde sie auch nicht irgendeinem Individuum aufnötigen, nur weil die Person ein bedürftiges Gesicht macht. Der Mensch schmeißt sie am Ende schon aus Platzgründen weg, während ein Sozialkaufhaus oder eine Wärmestube oft eine Kleiderkammer haben, aus der sie die Menschen nach ihren Wünschen, und nicht nach denen der "edlen Spender" versorgen können.
celles hat geschrieben:Dass in Afrika Kleidung vernichtet wird, kommt aber dadurch, dass die Afrikaner gerne Markenprodukte kaufen. Diese kommen gebraucht zu Spottpreisen nach Afrika, sodass dort niemand die lokale Noname-Kleidung tragen will. Das hat nichts mit Überproduktion zu tun, sondern mit einem die lokale Textilindustrie vergiftende Spendenwut an Markenkleidung.
Die Großhändler kaufen zu Ballen geschnürte gebrauchte Kleidung aus Europa, vorsortiert wird in der Regel nach Zustand und Art der Kleidung. Es werden also zum Beispiel hundert Kilo Jeans oder fünfzig Kilo T-Shirts verkauft. Diese Großhändler verkaufen dann weiter an kleinere Händler, die die Sachen auf lokalen Märkten an die Endkunden verkaufen.
Der Markt ist aber inzwischen selbst in Afrika so gesättigt, dass die Großhändler längst nicht mehr alles los werden. Das wird dann vor Ort vernichtet. Das hat mit Marken überhaupt nichts zu tun sondern schlicht und einfach mit der Tatsache, dass es zu viele Klamotten auf der Welt gibt und, dass es noch nie so günstig war sich mit neuen Sachen einzudecken. Es gibt inzwischen so viele Dokumentationen und Artikel zum Thema Textilindustrie, es ist nicht schwer sich über das Thema zu informieren wenn es dich wirklich interessiert.
Ich finde es kommt darauf an, wie unfertig die tatsächlich sind. In einen Container würde ich es aber auch nicht werfen, sondern schauen, dass ich das regional an die Obdachlosen verteile. Da gibt es ja durchaus Einrichtungen, die sich da auskennen und das dann auch weitergeben können. An sich ist es aber eine Frage, ob man das wirklich als Obdachloser braucht, denn es kann eben auch nicht wirklich gut warmhalten und zu Hochzeiten oder ähnliches muss man ja auch nicht.
Also besser als nichts, aber vielleicht kommt das dann auch nicht so gut an. Wahrscheinlich würde ich da vorher mal in solchen Einrichtungen nachfragen, ob dafür Bedarf da ist und es dann kaufen oder nicht. Ich finde es aber wirklich schön, dass es Menschen gibt, die sich deswegen Gedanken machen und dann auch bereit sind Geld auszugeben und es nicht damit abtun, dass es diese Menschen nicht wert sind für sie Geld auszugeben, denn das sind auch Menschen.
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