Und auf einmal ist Containern erlaubt …
Lange Zeit galt Containern als verschrien und strafbar und wurde auch je nachdem geahndet. Neuerdings ist das aber vollkommen legal und wird auch nicht bestraft. Wie empfindet ihr denn diese gesetzliche Kehrtwende? Findet ihr das richtig oder hat es doch einen gewissen „Beigeschmack“?
Habe ich da was verpasst? Seit wann ist Containern erlaubt? Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen. Kannst du bitte einen Link dazu einstellen. Ich behaupte mal, dass ich etwas davon mitbekommen hätte. Ich habe auch nicht die Wahrnehmung, dass Containern jemals verschrien gewesen wäre. Ich habe eher die gegenteilige Wahrnehmung. Und was heißt überhaupt "verschrien" in dem Zusammenhang?
Egal, was ich davon halte, ob ich die Leute, die das tun, verstehe, deren Handlungen gutheiße und es richtig finde, dass sich die Besitzer der Tonnen kulant verhalten, finde ich es richtig, dass es illegal ist. Ich möchte auch nicht, dass jeder auf mein Grundstück kommen darf und meine Mülltonnen durchwühlt.
Ganz ehrlich, wenn man das jetzt erlaubt hat, dann ist es ja dennoch nicht erlaubt einfach so auf das Grundstück zu gehen, also ist den Betroffenen ja dennoch nicht geholfen, zumal sie ja immer noch an die Tonnen gehen müssen. Ich würde es gut finden, wenn man nun beschließt, dass die Supermärkte die Waren dann in irgendeinen zugänglichen Bereich lagern und dann entsorgen, wenn sie keiner nimmt. Das wäre doch eine gute Sache, denn da muss sich niemand beim Containern verletzen und sich auch nicht blöd vorkommen und der Supermarkt hätte letztendlich auch weniger Kosten, wenn die Lebensmittel noch Abnehmer finden,
Dass von Menschen gemachte Gesetze anders als beispielsweise die Schwerkraft an Ort und Zeit gebunden sind, ist aber auch ein schwer zu begreifendes Konzept. Beispielsweise waren sexuelle Handlungen zwischen Männern, wenn man es ganz genau nimmt, ab dem 12. Juni 1994 auch "auf einmal erlaubt ... ", und auf der Autobahn kannst du auch "auf einmal" 220 fahren und dann doch wieder nur 90. Alles sehr seltsam.
Containern, also im Müll von Supermärkten etc. nach Verwertbarem zu suchen, finde ich nach wie vor sehr fragwürdig, weil es in meinen Augen gegen die Menschenwürde verstößt. Im Augenblick heißt es ja noch oft und gerne "Geh doch zur Tafel", wenn armutsbetroffenen Menschen nicht mehr genug Geld für Lebensmittel bleibt. Heißt es vielleicht bald: Dann wühl doch im Müll hinter dem EDEKA?
Ich finde es falsch, Teile der Bevölkerung auf diese Art zu degradieren, dass sie sich aus der Lebensmittelverschwendung der Bessergestellten noch ein paar Reste zusammensuchen "dürfen". Wo sind wir denn, im Mittelalter? Ich würde nicht mehr verkäufliche Lebensmittel wenigstens hygienisch und ordentlich zum Mitnehmen anbieten, aber dann geht wahrscheinlich gleich wieder der Futterneid los, und so ein Regal oder ein paar Kisten kosten ja auch so viel mehr als ein dreckiger Müllcontainer.
Wo hast du das denn her, dass Containern in Deutschland schon legal ist? Meines Wissens ist gerade ein Gesetzesentwurf in Arbeit der Containern entkriminalisiert. Der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat diesen wohl in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium auf den Weg gebracht.
Dies soll allerdings nur straffrei sein, solange man keinen Hausfriedensbruch begeht oder Sachbeschädigung. Als Beispiel wurde genannt, dass man zwar über eine hüfthohe Mauer klettern darf, um zu containern, aber auf keinen Fall irgendwelche Werkstore aufbrechen. Oft befinden sich die Container aber nicht wirklich frei zugänglich, sodass diese Straffreiheit sowieso in vielen Fällen ein Witz ist.
Ich finde es wirklich schade, dass Menschen in Containern wühlen müssen, um Lebensmittel zu retten. Ich habe solche "Beute" schon mal gesehen und finde, dass es wirklich traurig ist, was da an guten Lebensmitteln landet. Viel besser fände ich es, wenn man den Umgang mit Lebensmittelabfällen komplett neu regeln würde. Unsere europäischen Nachbarn haben da viel bessere Modelle. In Frankreich sind große Supermärkte z.B. dazu verpflichtet solche Lebensmittel zu verschenken/spenden bzw. nicht mehr Verzehrbares an die Landwirtschaft zur Kompostierung zu geben.
Nachlesen kann man es beispielsweise hier und ja, gesetzlich ist da das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen, aber man kann wohl davon ausgehen, dass es ohne große Widerstände durchgewunken wird. Und es ist doch wohl auch klar, dass es nicht straffrei bleiben kann, wenn man sich gewaltsam Zutritt zu derartigen Waren verschafft.
Lupenleser, wie kommst du denn auf plötzlich? Spätestens seit 2018 gab es immer wieder politische Vorstöße, das Containern straffrei zu stellen und die Verschwendung von Lebensmitteln durch Vorgaben zur Verwertung zu reduzieren. Dass nun vielleicht der x-te Anlauf erfolgreich verlaufen könnte, ist doch nicht die große Überraschung, oder? Schließlich kann man seit Jahren beobachten, dass das gesellschaftliche und politische Stimmungsbild zu diesem Thema kippt.
Allerdings finde ich es unsäglich, das Containern zu erlauben, ohne weitere strenge Auflagen zur Müllvermeidung durchzusetzen. Denn ich finde es vollkommen legitim, Übriggebliebenes zu verschenken oder auch nur bestimmten Personenkreisen zugänglich zu machen, aber ich finde es eine Frechheit, Bedürftige im Müll wühlen zu lassen.
@Lupenleser: Nur weil man darüber in der Regierung diskutiert, ist es noch nicht gleich erlaubt. Und selbst wenn man dazu die eigentliche Strafe abschaffen würde, kommt hinzu, dass dabei doch noch der Straftatbestand des Einbruchs und Hausfriedensbruchs im Raum steht. Die wenigsten Container stehen frei zugänglich und sind offen, sondern stehen in meisten Fällen hinter einem Zaun und haben ein Schloss dran.
Mir wurde aus dem Radio vor wenigen Wochen nur zugetragen, dass man vermeiden möchte, dass das Containern als Diebstahl gewertet wird. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass es legalisiert wurde und auf der anderen Seite, da sind wir uns doch einig, wird es wie immer ein Schlupfloch geben. In Deutschland bedeutet dies dann wahrscheinlich, unbefugtes Betreten eines Grundstückes. Sei es bei LIDL & Co.
Viel schlimmer ist die Tatsache, dass dort Menschen von leben müssen, weil sie keinen Platz mehr in den Tafeln bekommen, die seit Jahren am Limit arbeiten müssen. Die Tafel war einst eine Institution, die man nicht auf Ewigkeiten haben wollte und man annahm, dass man nur kurzfristig überbrückend helfen müsse. Stattdessen schießen Tafeln, Arche & Co aus den Böden, weil die Menschen sich vieles nicht leisten können, selbst wenn sie jahrelang gearbeitet haben. Ein Armutszeugnis für ein solch industrialisiertes und vermeidlich reiches Land wie Deutschland! Widerlich!
Darüber hinaus ist es dramatisch zu sehen, was und in welchen Mengen weggeworfen wird. Ich kenne zig Menschen, die bei LIDL, Netto und Aldi arbeiten. Ich sehe regelmäßig Fotos von Fleisch- und Wurstwaren sowie Kistenweise Gemüse/Obst, welches weggeworfen wird. Davon ernähren sich mehrere Menschen Wochen! Und genau das gilt es endlich zu verbieten, sodass man da eingreifen muss. Vielleicht mit eben der Unterstützung durch die Tafel, aber auch das „Billiger“ machen sowie eben einem Gesetz, welches einen solchen Überfluss im Müll verbietet.
Es ist im Übrigen auch für die Umwelt besser. Allein der Fleischwegwurf bedeutet auf allen Ebenen ein echtes Versagen, weil schon die Herstellung in vielerlei Hinsicht umweltschädlich ist. Dann das gesamte Obst und Gemüse, wovon vieles eben importiert wurde. Ein Undingen hoch zehn ist das.
Nach dem Motto, die Tafel kann nicht so viel nehmen, unseren Mitarbeiter/-innen gönnen wir das nicht und 30% bis 50% reichen nicht aus, werfen sie es dann teilweise tonnenhaft weg. Für mich ist das allein schon ein Grund, dagegen endlich vorzugehen. Den einen Tag wurden bei einer Freundin fast 50 Kilogramm Fleisch weggeworfen, weil von oben die Ansage um 18.00 Uhr auf einen Samstag kam, jetzt bitte runter setzen, das bringt dann natürlich auch noch sehr viel!
Für mich bleibt die Frechheit dahinter, dass die Discounter & Co teilweise damit argumentieren, dass wenn man es erlauben würde, verschenken würde usw. das dann niemand mehr was kauft. Das ist vollkommener Blödsinn, denn man weiß nie, was es täglich gibt und wieviel. Es macht aber Sinn, seinen Mitarbeiter/-innen das Mitnehmen schon einmal zu gestatten, was es eben bei LIDL & Co nicht gibt. Wenn dann einer 20 Kilo Fleisch und Obst/Gemüse mitnimmt, damit Oma, Nachbarin & Co mit leben können, wirft man es immer noch nicht weg!
Lieber wegwerfen, statt es Bedürftigen zu schenken, statt es Lebensmittelrettern zur Verfügung zu stellen oder am Ende vielleicht 70 % darauf zu geben, für mich ist das das eigentlich Strafbare daran. Wirklich ein Armutszeugnis.
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