Umgang mit Kraftlosigkeit nach langer Krankheit
Eine Bekannte von mir hat jetzt eine recht langwierige Chemotherapie hinter sich und kommt mittlerweile wieder auf die Arbeit. Sie hat jedoch das Problem, dass sie nur erschwert laufen kann und dass sie es nicht mal mehr schafft einen vollen Ordner anzuheben. Wenn sie Kollegen bittet, sie zu unterstützen, bekommt sie nur ein Augenrollen und blöde Sprüche. Ich bemühe mich, ihr zu helfen, kann aber selbst nicht alles machen.
Sie ist total verzweifelt und meinte schon, dass selbst das Krafttraining in der Physiotherapie ihr noch nichts gebracht hat. Sie tut sich am Morgen schon schwer, die Hose anzuziehen und überlegt sich ernsthaft, erneut in den Krankenschein zu treten, obwohl sie das nicht möchte. Sie hat sich eigentlich einen normalen Neueinstieg gewünscht und kommt damit nicht klar, dass sie nicht mal mehr Kleinigkeiten schafft.
Ich kenne das Gefühl ja teilweise selbst und habe ihr gesagt, dass sie soweit machen soll wie sie kann und wenn es nicht geht, dann geht es halt nicht. Aber man merkt schon, dass es sie belastet, dass sie wie gesagt, teilweise nicht mal einen Ordner anheben kann. Wie sollte die Kollegin nun reagieren? Soll sie einfach weitermachen und sich nicht von den Bemerkungen der Kollegen imponieren lassen? Oder sollte sie lieber noch einmal aussteigen und sich "erholen"? Wie würdet ihr reagieren?
Also persönlich hätte ich nichts dagegen einem Kollegen bei solchen Dingen zu helfen, aber das würde meine Arbeitsqualität auf Dauer beeinträchtigen. Wenn ich jedes Mal aufspringe und meine Arbeit unterbreche, weil jemand einen Ordner nicht heben kann, muss ich mich immer wieder neu in die Arbeit einfinden. Dafür ist sicher nicht jeder geschaffen.
Abgesehen davon denke ich jedoch die Kollegin hat sich hier übernommen und sollte sich noch etwas erholen. Die Rekonvaleszenz nach einer Chemo kann sehr langwierig ausfallen und ist nicht zu unterschätzen. Zudem sollte der Körper die wiederkehrenden Kräfte erstmal für sich selbst nutzen, immerhin war das hier keine Mandelentfernung, es geht um das Überleben.
Zudem klingt es für mich nach einer wahnsinnigen Quälerei, sie ist noch in der Phase, in der jede Bewegung ein Kraftakt ist, mir erschließt sich der Sinn einer so frühen Wiederaufnahme der Arbeit nicht. Mich würde mal interessieren wie lange die Chemo überhaupt her ist. Die meisten Menschen die ich kenne, brauchten viele Monate bis zu zwei Jahre um wieder auf den Posten zu kommen.
Man muss sich die Erholung aber auch leisten können, immerhin steuert die Krankenversicherung nach 78 Wochen aus. Und ohne Krankengeld und Krankenversicherung ist die Gesundung nicht grad lustig. Da heißt es dann, Arbeitslosengeld als Übergang stellen und Erwerbsminderungsrente beantragen. Und hoffen, dass der Rentenantrag durchgeht, bevor der Anspruch auf Arbeitslosengeld endet, sonst heißt es Rücklagen aufbrauchen oder Grundsicherung.
Ich finde es total verständlich, dass die versucht, ihren Arbeitsplatz zu halten und keine Aussteuerung zu riskieren. Dumme Bemerkungen sind da echt nicht angebracht, da packt man halt mit an und unterstützt weitgehend. Vernünftig wäre eine stufenweise Wiedereingliederung, die aber nicht jeder Arbeitgeber unterstützt.
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