Umgang mit disziplinierten Menschen eher freudlos?

vom 25.03.2015, 18:01 Uhr

In der Familie meines Freundes gibt es einige Personen die sich in Disziplin üben oder das zumindest so betonen. Das geht offenbar auf den Großvater meines Freundes zurück, der darauf sehr großen Wert gelegt haben soll. Ich selbst musste die Erfahrung machen, dass mich der Umgang mit solchen Menschen nicht unbedingt erfreut. Ich finde sie sogar eher etwas starr und freudlos in ihrer Lebensweise.

Ein Onkel meines Freundes geht beispielsweise jeden Sonntag und Mittwoch in die Kirche. Und das bedeutet, auch wirklich jeden Sonntag und Mittwoch. Es gab schon Situationen, da schüttete es an diesem Tag in Strömen, da war alles komplett zugeschneit oder aber man wollte zu einer Hochzeit fahren oder so. Das ging aber nicht, ohne das dieser Onkel vorher auf der Messe gewesen war und behinderte mitunter den Tagesablauf enorm.

Ein Cousin meines Freundes ist 35 Jahre alt und hat seit seinem 15 Lebensjahr weder Schokolade noch Nüsse gegessen. Er behauptet er würde diese Lebensmittel penibel meiden, da er davon Pickel bekommen könnte. Das sei statisch so erwiesen. Tatsächlich gibt es aber keine seriöse Studie die dies einwandfrei belegen würde, da ist jemand offenbar den Artikeln in der Teeniezeitschrift zum Opfer gefallen.

Auch bei ihm finde ich diese Angewohnheit immer total nervig, denn er betont immer wieder, wie diszipliniert er doch sei und dass das sicherlich sonst niemand schaffen würde. Wo der Vorteil sein soll, habe ich aber noch nie verstanden. Mir kommen Menschen deutlich sympathischer und lebensfreudiger vor, wenn sie auch mal aus ihren starren Regeln ausbrechen und sich etwas gönnen können. Besonders dann, wenn es keinen plausiblen Grund gibt, es nicht zu tun.

Auch die Oma meines Freundes nervt mich mitunter, denn diese achtet immer penibel darauf, dass man sich immer nur extrem wenig aufs Brot schmiert und das Schokolade gelutscht wird. Der Sinn dahinter soll wohl sein, dass man von gelutschter Schokolade mehr hat, dass diese einem dann vielleicht gar nicht mehr so schmeckt, ist relativ egal.

Wie ist das bei euch, kennt ihr auch Menschen die sich in Disziplin üben und die damit vielleicht auch angeben? Wie findet ihr diese Menschen, findet ihr das eher bewundernswert oder nervt es euch vielleicht auch eher etwas? Findet ihr auch, dass diese Menschen möglicherweise in einigen Bereichen des Lebens weniger Spaß haben?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Meiner Meinung nach ist die Grenze zwischen "diszipliniertem" Verhalten und persönlichen Macken und Marotten sowieso ziemlich fließend. Schon deine Beispiele zeigen in meinen Augen keine besonders disziplinierten Verhaltensweisen, sondern eher die Launen von Menschen, die offensichtlich das Bedürfnis haben, sich "besser" vorzukommen als ihre Umwelt. Oder es handelt sich um fehlende Flexibilität bzw. den guten alten Geiz, wobei sich die Oma deines Freundes vielleicht noch an magere Zeiten erinnert, als es Schokolade nur an Weihnachten gab.

Disziplin sieht für mich ganz anders aus und muss beileibe nicht auf Kosten der Umwelt und der Laune der Mitmenschen ausgelebt werden. Für mich hat Disziplin etwas mit Verzicht zu tun, der auch anderen Leuten zugute kommen kann.

Wer beispielsweise bei Wind und Wetter früh morgens mit dem Hund spazieren geht, weil das arme Vieh sonst zu wenig Auslauf bekommt, handelt für mich diszipliniert. Oder der angehende Konzertpianist, der jeden Tag stundenlang übt, um dem Stück und dem Komponisten gerecht zu werden und dem Publikum ein besonderes Erlebnis zu bieten. Das hat nichts damit zu tun, ob man Schokolade lutscht.

Wirklich disziplinierte Menschen, die an höheren Zielen arbeiten, müssen daher in meinen Augen auch nicht immer schwierig im Umgang sein. Ich finde lediglich, dass eine gewisse Toleranz von beiden Seiten her gegeben sein muss und Verständnis dafür, dass Ziele und Ideale bei jedem Menschen unterschiedlich ausfallen können.

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich tu mich da gerade schwer mit, bei den Beschreibungen der genannten Personen von Disziplin zu sprechen. Den Kirchen-Onkel mag ich dabei noch anerkennen, wenn ich die völlige Ausschließlichkeit hinter diesem Verhalten allerdings auch wieder für eine ziemliche Verbohrtheit halte.

Was du da sonst noch beschreibst, definiere ich nicht mehr als Diszipliniertheit, sondern als geizig, denkfaul und beratungsresistent. Wenn diese Leute sich selbst für diszipliniert halten, reden sie sich ihr Getue schön oder verstehen die Definition nicht.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Disziplin bedeutet für mich ein Ziel zu verfolgen. Beispielsweise wenn man lernt um einen Abschluss zu bekommen und dafür vielleicht auch mal andere Dinge nicht macht. Natürlich sind solche extremen Einstellungen auch nicht gesund für den Alltag, weil man sich ja auch unter Druck setzt um das zu schaffen, wenn man beispielsweise immer in die Kirche muss. Ansonsten nervt es natürlich, wenn Menschen zu sehr verbohrt sind und nicht mit sich reden lassen, aber das Disziplin nervt möchte ich nicht unbedingt behaupten.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



In meinen Augen bin ich selber auch ein sehr disziplinierter Mensch, aber ich gehe nicht so weit, dass ich dadurch unflexibel werde und den Tagesablauf anderer Personen störe.

Weiter ist es bei mir auch nicht so, dass ich ständig betone, wie diszipliniert ich doch bin und dass ich mich ja so gut zusammenreißen kann. Ich muss jedoch zugeben, dass ich keinen Alkohol trinke und stets betone, wenn ich darauf angesprochen werde, wie meine Ansichten zum Alkoholkonsum sind und dass ich dabei immer sehr viel Wert darauf lege, dass ich eben keinerlei Alkohol zu mir nehme. Aber ich finde nicht, dass ich es damit übertreibe. Und wenn ich es einer Person einmal erklärt habe, dann reicht es mir damit dann auch und wenn ich von dieser Person erneut angesprochen werde, dann erinnere ich nur daran, dass ich keinen Alkohol trinke.

Ich kenne noch ein Paar andere Menschen, welche ich als diszipliniert bezeichnen würde, und ich stehe recht gerne im Kontakt mit ihnen. Als freudlos kann ich den Umgang mit diesen Menschen nicht bezeichnen, eher im Gegenteil, ich komme mit ihnen wesentlich besser zurecht als mit vielen anderen Zeitgenossen. Teilweise bemängele ich Disziplinlosigkeit bei anderen Personen nämlich schon in einer konkreten Situation in meinem Kopf. Ich mag es nicht, wenn man wenig Disziplin an den Tag legt und kann dies auch nicht nachvollziehen. Das heißt für mich aber nicht, dass man mit disziplinierten Menschen weniger Freude hat als mit anderen.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Die Beispiele mögen schon etwas mit Disziplin dazu gehören. Sicherlich ist jemand, der kategorisch ein bestimmtes Lebensmittel meidet, in irgend einer Form diszipliniert. An dem Beispiel mit dem Brot und der Schokolade wiederum kann ich nicht den kleinsten Ansatz von Disziplin finden. Das ist einfach eine Angewohnheit, die überhaupt keine Anstrengung erfordert, um sie einzuhalten.

Aber das ist ganz offensichtlich nicht das, was dich an diesem Verhalten stört. Es klingt ganz ehrlich so, als wollte dich das stören. Wieso interessiert es dich, wie die Oma ihr Brot schmiert? Selbst wenn sie jedes Mal betont, wieso sie das so tut, muss es dich doch überhaupt nicht stören.

Davon abgesehen sind undisziplinierte Menschen oft nerviger. Eine Form ist nämlich Unpünktlichkeit. Wer eine Person kennt, auf die man immer mindestens eine Viertel Stunde warten muss, weiß sicherlich, was ich meine. Fehlende Disziplin ist auch im Bereich Studium, Arbeit und Ehrenamt tierisch nervig. Wer kennt das nicht, dass man mal unter großer Anstrengung Feuerwehr spielen durfte, weil jemand wegen fehlender Disziplin seine Arbeit nicht oder falsch erledigt hat? Das hat eine ganz andere Dimension wie die beschriebenen Beispiele, weil es wirklichen Stress verursachen kann und nicht nur minimal störende Charaktermerkmale sind.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich behandle extrem disziplinierte Menschen genauso wie jeden anderen Menschen auch und kann mit diesen auch sehr gut sowie eng befreundet sein. Ich kenne nur wenige, die mit ihrer strengen Disziplin angeben, worüber ich auch froh bin, weil das etwas sein sollte, was ja jeder für sich alleine macht und durchzieht.

Ob ein disziplinierter Mensch langweilig und freudlos ist, hängt doch ganz davon ab, in welchem Lebensbereich eine gewisse Maxima verfolgt und eingehalten wird. Ich persönlich finde es immer etwas blöd, wenn eine Person auf Alkohol und jegliche ungesunde Sachen verzichtet, weil diese Person dann spätestens zur Mitte des Abends gar keinen Spaß mehr hat, was einen selber ja auch die Laune verdirbt. Es wäre aber schade, wenn man deswegen mit guten Freunden nichts mehr unternimmt.

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» Synchro » Beiträge: 1641 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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