Über Ursache von Auftauchen der Polizei spekulieren?
Ich war kürzlich bei meinen Eltern zu Besuch, wobei ich mich ziemlich erschreckte, als lauter Sirenen in der Straße zu hören waren. Vor dem Flüchtlingshaus gegenüber standen dann innerhalb weniger Minuten mehrere Feuerwehrautos und auch ein Polizeiauto. Alle Nachbarn strömten direkt auf die Straße und schauten von den Balkonen, wobei scheinbar aber nichts passiert war. Nachdem die Feuerwehr den Schlauch wieder eingerollt hatte, war sie auch schon wieder weg, wie ich von meinen Eltern erfuhr, die ebenfalls nach draußen strömten.
Jedenfalls war das dann einige Tage "das" Gesprächsthema in der Straße, wobei alle Anwohner der Straße immer wieder darüber spekulierten, weshalb Polizei und Feuerwehr wohl angerückt waren. Scheinbar lässt ihnen das keine Ruhe, bis sie es dann irgendwann mal wissen. Direkt nachfragen wollte immerhin scheinbar noch niemand. Spekuliert ihr auch tagelang über die Ursache, wenn ihr irgendwo Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen vor einem Haus seht? Unterhaltet ihr euch direkt mit den Nachbarn über das Spektakel?
So etwas kann auch nur in einem Dorf passieren. Ich bin in der Großstadt aufgewachsen, wobei ich diese Beobachtung nicht machen konnte. Man fragt sich vielleicht für den Moment, was da passiert ist, wenn das Feuerwehrauto oder die Polizei vorbeirauscht, aber man fragt sich das hier nicht die ganze Zeit. Sobald der Wagen außer Sichtweite und Hörweite ist, wird das hier direkt wieder vergessen.
Ich habe aber auch eine Zeit lang in einem Dorf gelebt und dort habe ich auch das Verhalten der Nachbarn beobachten können, das du da beschreibst. Da klatscht und tratscht man noch Wochen oder Monate später darüber, was denn da passiert sein könnte. Als ob die Anwohner dort nichts besseres zu tun hätten und die Hobbys einfach fehlen.
Bei mir kommt es darauf an, inwiefern mich das betrifft und welche Auswirkungen das auf mich hat. Wenn ich zum Beispiel eine Straße passieren wollen würde, die dann durch die Polizei gesperrt ist, würde ich mich schon fragen, was da los ist und wie lange das ungefähr dauern könnte bis ich normal weiter machen kann.
Ansonsten hatte ich im letzten Jahr die Situation, dass ich im Zug saß und dieser nicht weiterfahren konnte wegen einem Polizeieinsatz. Da ich noch einen Anschluss kriegen wollte, habe ich mich dann auch gefragt was da los sein könnte, wie lange das vielleicht noch dauern könnte und ob ich den Anschluss noch kriege oder ob ich umplanen muss. Wenn ein Polizeieinsatz so gar keine direkten oder indirekten Auswirkungen auf mich hat, ist mir das so ziemlich egal, warum die Polizei da ist.
Ich muss zugeben - mein erster Gedanke war auch, dass das doch sicherlich auf einem Dorf passiert ist. Es ist dort einfach typisch, dass sich alle Leute umdrehen, wenn sie irgendwo eine Sirene hören. Wenn das dann auch noch in der Nachbarschaft passiert ist und man gesehen hat, wie vielleicht das Polizeiauto auch noch ein paar Stunden dort stand, dann wird sich tagelang über nichts anderes mehr unterhalten und es wird gerätselt, was da wohl los war.
In der Großstadt ist es hingegen etwas anderes. Da wird es dann einfach so hingenommen und die Menschen achten nicht mehr drauf, einfach, weil es dort um einiges öfter passiert und dort mehrere Autos am Tag vorbei fahren. Da kann man sich meist gar nicht merken, wann da die Polizei vorbeigefahren ist, wann die Feuerwehr und wann es denn der Krankenwagen war und ob noch ein Notarzt dabei war. In der Großstadt ist es halt einfach so und die Leute interessieren sich meist nicht dafür.
Die Ausnahme bildet natürlich das Gaffen. Das ist eine Unart, die sowohl in der Stadt als auch im Dorf gerne praktiziert wird. Die Leute wollen dann immer möglichst viele schreckliche Details sehen und möglichst viel gaffen, sodass sie dann am Ende etwas haben, über das sie reden können. Ich finde es schrecklich und vor allem, weil dadurch zum Teil die Rettungskräfte behindert werden und nicht so helfen können, wie sie es eigentlich hätten tun können.
Ich mache mir eigentlich nicht großartig Gedanken darüber, wenn ich die Polizei irgendwo sehe. Eher wenn ein Krankenwagen vor dem Haus steht. Da ist mein Gedanke dann oft, dass hoffentlich den Bewohnern nichts schlimmes zugestoßen ist.
Aber dann gehe ich meiner Wege und die Überlegungen sind auch beendet. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die dann aus dem Haus laufen, um sich den Hals zu verrenken und zu schauen, was denn da passiert ist. Das habe ich hier schon bei diversen Unfällen erlebt und kann so ein Verhalten nicht nachvollziehen.
Feuerwehreinsätze bekomme ich häufiger durch meinen Partner mit. Da gehören meine Gedanken dann eher den betroffenen Menschen und auch den Einsatzkräften. Ich mache mir dann eher Sorgen um meinen Partner, dass dieser den Einsatz heil übersteht.
Bei uns war neulich im Dorf eine ältere Frau, die einen Krankenwagen gebraucht hat. Da nun schon jemand völlig panisch vor der Tür stand habe ich meine Hilfe angeboten, aber letztendlich war ich auch mehr seelischer Beistand als alles andere, da man da nur mit einem Krankenwagen weiterkam. Im Dorf ist das natürlich noch mal eine Spur privater, wobei ich auch in der Stadt meine Hilfe angeboten hätte, da klar ersichtlich war, dass es der Person nicht gut geht. Lästern finde ich aber vollkommen daneben und ich kann es auch gar nicht leiden, wenn die Menschen dann auf die Straße kommen und den Einsatzleuten dann noch im Weg stehen.
So etwas ist richtig schlimm und das habe ich auch schon in der Stadt erlebt. Teilweise ist man da auch unter der Absperrung durch um zu fragen was ist um dann noch mehr lästern zu können. Manche Menschen haben einfach keinen Anstand. Lästern und spekulieren ist da völlig fehl am Platz, man muss die Leute arbeiten lassen und wenn es etwas Wichtiges war, kann man es dann in der Zeitung lesen.
Diese Unterscheidung zwischen Dorf und Stadt gehe ich so nicht mit und finde ich auch etwas zu einfach. Ich habe mehrere Jahre in einer Großstadt gelebt und wenn da im Nachbarblock irgendwas war und dann gleich mehrere Feuerwehren ausgerückt sind und das Gebiet umzingelt haben, dann bildete sich auch eine kleine Versammlung vor dem Block und die Leute schauten alle aus ihren Fenstern. meist waren das Fehlalarme oder so etwas wie Kabel beim Fahrstuhl durchgeschmorrt und jemand hat dann eben einen verbrannten Geruch wahrgenommen. Da rückt die Feuerwehr gleich mal mit Großaufgebot an - lieber zu viel statt zu wenig.
Im Dorf passiert nun solch ein Großaufgebot seltener bis gar nicht, aber auch da wird eben geredet, wenn die Feuerwehr da ist. Ich sehe da keinen fundamentalen Unterschied zwischen dem Dorfbewohner und denen in der Stadt. Dass dann Menschen vom Dorf so hingestellt werden, als hätten sie schlimme Langeweile und würden daher über Belangloses ewig grübeln, finde ich nicht so schön.
Ich muss zugeben, dass ich auch zu den Menschen gehöre, die sich gerne über ungewöhnliche Vorfälle in der Nachbarschaft unterhalten und darüber spekulieren, was passiert sein könnte. Natürlich ist es menschlich, neugierig zu sein und das Interesse anderer Menschen am Geschehen in der Nachbarschaft zu wecken. Man fragt sich, was wohl passiert ist und ob alles in Ordnung ist. Es ist ja auch schön zu sehen, dass sich die Nachbarn für das Wohl des anderen interessieren und sich Sorgen machen.
Allerdings finde ich auch, dass es wichtig ist, die Privatsphäre der betroffenen Person oder Familie zu respektieren. Niemand möchte, dass sich die ganze Nachbarschaft über seine Probleme unterhält oder darüber spekuliert, was passiert ist. Es ist gut möglich, dass die betroffenen Personen sich gerade in einer schwierigen oder peinlichen Situation befinden und nicht möchten, dass alle darüber Bescheid wissen.
Deshalb finde ich es wichtig, vorsichtig zu sein und nicht direkt bei den Nachbarn nachzufragen oder Spekulationen weiterzugeben. Wenn man sich Sorgen macht oder helfen möchte, ist es besser, diskret zu sein und die betroffenen Personen auf eine respektvolle Art und Weise zu kontaktieren. Man kann zum Beispiel anbieten, Hilfe anzubieten oder einfach nur zu fragen, ob alles in Ordnung ist.
Ich denke, dass es wichtig ist, ein gesundes Maß an Neugierde und Empathie zu haben, um sich um die Nachbarn zu kümmern, aber auch ihre Privatsphäre zu respektieren.
In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, ist es auch immer ein mittleres Drama, wenn alle heiligen Zeiten mal der Sanka, am Ende noch mit Notarzt im Schlepptau auftaucht. Da stehen auch ganze Familien am Gartenzaun aufgereiht und glotzen mit hängendem Unterkiefer, wenn die alte Gruberbäuerin rausgetragen wird, weil sie die steile Treppe runtergefallen ist oder was auch immer der Anlass war. Die Polizei rückt nur bei Verkehrsunfällen aus, was im Ort selber eine Seltenheit darstellt.
Und natürlich zerreißen sich die ganzen gelangweilten Hausfrauen hinterher noch tagelang das Maul darüber. Es passiert ja sonst nichts in dem Kaff, wo das letzte signifikante Ereignis der Einmarsch der Alliierten im Frühjahr 1945 war, und seitdem nur der ein oder andere Unfall oder Herzinfarkt für Furore sorgt.
Würde man besagte Hausfrauen fragen, hieße es natürlich auch: Wir machen uns nur Sorgen, und natürlich respektieren wir die Privatsphäre der Betroffenen! Aber damit lügen sie sich eigentlich in die eigene Tasche, weil die Sensationsgier und Neugierde ganz offensichtlich überwiegen.
Wenn wirklich die Sorge um die Mitmenschen vorherrschen würde, würde vielleicht jemand zum Beispiel besagter Gruberbäuerin auch mal dabei helfen, die Einkäufe die steile Treppe hochzutragen. Aber man ergötzt sich lieber an dem Schauspiel, wenn die Leute mit den Warnwesten kommen und beschränkt sich aufs Tratschen und Spekulieren.
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