Über touristisch unerschlossenes Land bei Reise ärgern?
In einem längeren Reisebericht über ein kleines afrikanisches und noch relativ bis fast gänzlich touristisch unerschlossenes Land ärgerte der Berichterstatter sich ausgerechnet über eben diese Rückständigkeit. Die Leute waren nicht wirklich auf Touristen geeicht, die Abläufe zu umständlich und langsam, das Essen teuer und nicht sonderlich variantenreich, die Möglichkeiten sehr begrenzt usw.
Ist so eine Beschwerde oder Einschätzung berechtigt oder nicht eher total naiv? Sollte man dann nicht besser in ein vollkommen erschlossenes Land mit guter Infrastruktur reisen, wenn man empfindlich ist oder ist es nur menschlich, wenn man eben dieses Land unbedingt gerne einmal kennen lernen würde, aber dann doch von den Realitäten einigermaßen geschockt ist, wenn man sie live vor Ort sieht? Motto: Selber schuld oder Pech gehabt?
Für mich ist man in so einem Fall selbst Schuld. Es klingt für mich eher danach, als hätte sich jemand unzureichend über das Reiseziel informiert und daher total falsche Erwartungen entwickelt und vieles einfach als selbstverständlich wahrgenommen, weil man das von anderen Reisezielen her kennt. Wenn man sich vorher ausreichend über das Reiseziel informiert häte, dann hätte man ja von Anfang an gewusst, was einen erwarten würde und dann wäre der Ärger auch nicht so groß gewesen (über die eigene Dummheit und Faulheit).
Ich denke auch, dass derjenige aus irgendeinem Grund falsche Erwartungen an das Reiseland hatte. Irgendwie wollte er wohl ein Land, das touristisch nicht gefragt und damit nicht überlaufen ist, aber gleichzeitig voll erschlossen mit voller Infrastruktur. Das ist aber nicht so einfach und ich würde schon sagen, dass man selber Schuld daran ist, wenn man so ein Land als Reiseziel wählt und dann andere Vorstellungen hat.
Ich wollte schon immer extrem gerne einmal nach Myanmar reisen, wobei ich mich vor einigen Jahren darüber informiert habe, weil das Reiseland tatsächlich für uns zur Debatte stand. Allerdings ist Myanmar tatsächlich auch touristisch recht unerschlossen, so dass es da auch keine besonders gute Infrastruktur gibt. Wir hätten dort auch kaum etwas vom Land sehen können, weil es nur wenig richtige Straßen gibt und es auch gefährlich ist, da herumzureisen, weil die Infrastruktur eben so schlecht ist.
Zwei Wochen hätten da auch nicht wirklich ausgereicht, weil man wohl teilweise sehr lange brauchen soll, um von A nach B zu kommen. Das fand ich schon immer sehr schade, da ich das Land eben unheimlich gerne sehen will. Allerdings ärgere ich mich auch nicht darüber, ich finde es auf jeden Fall besser, wenn ein Land nicht von Touristen überschwemmt ist und man die Chance hat, die Kultur richtig kennenzulernen.
Aber da muss man sich eben vorher einfach informieren und auch schauen, wie man so herumkommt, welche Möglichkeiten es für Touristen gibt und wie die Infrastruktur ist. Das habe ich bisher auch immer so gemacht, was dann auch immer gut gegangen ist. Von daher würde ich mich da nicht ärgern. Wenn man sich vorher informiert, dann weiß man ja ungefähr, was auf einen zukommt und was einen erwartet.
Das klingt aber irgendwie ziemlich naiv. Erst in ein Land reisen, dass für einen Europäer rückständig ist und sich danach genau darüber beschweren. Ich meine wer sich unter einem guten Urlaub einen Urlaub in einem Land vorstellt, dass von Touristen lebt, der kann sich doch einfach so ein Land aussuchen. Es gibt doch nun genügend Länder, die vom Tourismus leben und wo man das auch weiß.
Genauso macht man sich doch vorher mal etwas schlau über die Länder, die man besuchen will. Da erfährt man doch schon, ob und wie die jetzt auf Touristen vorbereitet sind. Genauso gibt es doch auch in den meisten afrikanischen Ländern Ecken, die von Touristen leben und wo es auch vermeintlichen Luxusurlaub gibt. Das kriegt man doch vorher raus. Da braucht sich doch hinterher keiner beschweren, dass es jetzt so überhaupt nicht gepasst hat mit dem Urlaub.
Wenn man einen Urlaub verbringen will, sollte man sich meiner Meinung nach auch informieren. Es gibt Regeln und Umgangsformen über die man Bescheid wissen sollte und wenn man sich vorher Informationen einholt, kann man dann auch nicht sonderlich überrascht werden. Ich meine, was erwartet man denn, wenn man so gar keine Informationen vorher einholt? Es ist nun mal nicht jedes Land so erschlossen und da sollte man sich immer vorher informieren, was einen erwartet. Man fährt ja nicht einfach hin und schaut sich mal was an, sondern sollte schon grob wissen, was einen erwartet. Alles andere ist sehr naiv.
Manchmal kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, was sich die Touristen eigentlich erwarten, wenn sie in ein anderes Land reisen. Ist das Land touristisch gut erschlossen, wird oft genau darüber geschimpft - nämlich, dass alles so touristisch sei und das Land total an Ursprünglichkeit eingebüßt habe. Andererseits passt es den Reisenden in touristisch unerschlossenen Ländern auch wieder nicht, dass dort das Reisen umständlicher, langsamer, teurer, mühsamer sein kann.
Am Ende wünschen sich solche Reisende wahrscheinlich doch ein Reiseland, in dem die Ursprünglichkeit in Form von Folklore und historisierenden Nachbauten und Attrappen vorgetäuscht wird, aber ansonsten eine gut ausgebaute (touristische) Infrastruktur vorherrscht.
Da fällt mir mein Vater ein, der vor Jahren mal in die Dominikanische Republik gereist ist und sich darüber aufgeregt hat, dass das Fleisch dort nicht so zubereitet war wie bei uns. Klingt unglaubwürdig nach Klischee, war aber wirklich so. Er meinte, dass es doch wirklich nicht so schwer sei, ein Schnitzel zuzubereiten.
Wenn ich in ein fremdes Land fahre, dann informiere ich mich je nach Region vorher sehr gründlich darüber. Über ein afrikanisches Land informiere ich mich zum Beispiel intensiver als über ein europäisches. Selbst in Deutschland ist es in bestimmten Gegenden ratsam, sich zu informieren, etwa wenn man in den Bergen auf eine höher gelegene einfache Hütte fährt. Da erwarte ich auch kein Einzelzimmer mit Dusche oder Bad, sondern muss je nach Hütte in einem einfachen Matratzenlager übernachten.
blümchen hat geschrieben:Da fällt mir mein Vater ein, der vor Jahren mal in die Dominikanische Republik gereist ist und sich darüber aufgeregt hat, dass das Fleisch dort nicht so zubereitet war wie bei uns. Klingt unglaubwürdig nach Klischee, war aber wirklich so. Er meinte, dass es doch wirklich nicht so schwer sei, ein Schnitzel zuzubereiten.
Zu Zeiten meiner Jugend haben viele Leute übrigens sogar über andere europäische Länder so gedacht. Aus Sicht vieler Deutscher war es quasi überall schlechter als zuhause. Selbst ich bin als Kind mit dem Gedanken erzogen worden, dass fast das gesamte Ausland gefährlich, dreckig und rückständig sei.
Man erzählte sich, dass man in anderen Ländern grundsätzlich überfallen und ausgeraubt würde, und falls man davon verschont bliebe, würde man wegen des unsauberen oder schlechten Essens krank werden. Die einzigen anderen Länder, die man mehr oder weniger als sauber und sicher einschätzte, waren Österreich und die Schweiz.
Ein weiterer Beweis für mich, dass manche Leute, die sich für weltoffene und erfahrene Kosmopoliten halten, weil sie ja so viel und in so viele "exotische" Länder reisen, eigentlich mitnichten "Land und Leute kennenlernen", sondern sich nur für verhältnismäßig kleines Geld den Hintern pudern lassen wollen wie in der Heimat.
Was ja auch ein legitimes Urlaubsziel ist. Mir selber reicht auch schon der deutsche ÖPNV, da möchte ich mich in meiner Freizeit ehrlich gesagt nicht mit dem Busfahrplan im ländlichen Kenia herumärgern. Und deswegen halte ich mich da schön fern, anstatt den Leuten dort auf die Nerven zu gehen.
Ich teile einfach das Weltbild nicht, das damit verbunden ist, in weniger privilegierten Weltgegenden den gleichen Service zu erwarten wie daheim und sich noch toll vorzukommen, weil man irgendwelche Peruaner aus der Entfernung bestaunen durfte oder Ethnie X beim Dinner so schön getanzt hat. Gruselige Nachwehen des Kolonialismus sind das für mich, sonst nichts.
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