Über psychische Krankheit offen reden oder verschweigen?

vom 06.11.2017, 09:47 Uhr

Eine Freundin leidet seit Jahren an Depressionen. Allerdings macht sie daraus kein Geheimnis und sagt das jedem offen. So wissen das eigentlich alle in ihrem Umfeld. Sie sagt selbst, dass sie damit so gut erfahren gemacht hat und sich andere eben auch so darauf einstellen können, falls es ihr eben mal nicht so gut geht. Bisher hätte sie da noch gar keine negativen Erfahrungen gemacht und fände es für sich auch leichter, wenn andere darüber Bescheid wüssten.

Man hört ja aber doch immer wieder, dass psychische Erkrankungen teilweise durchaus noch Tabuthemen sind, über die eben nicht gerne gesprochen wird. Manche Menschen finde das auch seltsam und ich könnte mir vorstellen, dass man da schon mal auf Unverständnis und Vorurteile stößt und vielleicht auch komisch angesehen wird.

Was meint ihr dazu? Würdet ihr eine psychische Krankheit lieber verschweigen und vielleicht nur ein paar ausgewählten Personen davon erzählen? Oder würdet ihr da offen mit jedem drüber sprechen? Habt ihr da schon Erfahrungen gemacht? Muss da jeder selbst heraus finden, womit er selbst besser zurecht kommt?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Nelchen, es ist doch gar nicht so lange her, als du genau die gleiche Frage mit fast identischer Überschrift geschrieben hast Offen über psychische Erkrankung reden oder lieber nicht?. Vielleicht nutzt du selber mal die Suche. Ist gar nicht so schwer ;).

Ich denke, dass man auf jeden Fall offen über die Sache sprechen sollte damit sich das Umfeld auch nicht wundert, warum sich eine Person gerade so verhält und dass man eben auch versucht ein wenig Rücksicht zu nehmen.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Eine Depression ist ja eine Erkrankung die gut allgemein bekannt ist. Von daher sehe ich da keine Probleme, wenn man andere einweiht. Es ist ja nichts, wovor andere Angst haben müssen, weil es eher selten jemand anderen gefährdet.

Gründlicher überlegen würde ich, ob man über andere Störungen offen redet. Wenn man zum Beispiel schwer nachfühlbare Phobien hat oder sonstige irrationale Ängste hat. Also bei solchen Krankheiten, die Andere als abstoßend oder beängstigend empfinden.

Wobei das alles aber auch jede Person anders aufnimmt und man da sicher von Person zu Person individuell entscheidet. Es gibt ja sogar welche, die nicht mal Verständnis dafür haben, wenn jemand nach einer schweren Krankheit depressiv ist und das als Charakterschwäche auslegen. Da wäre ich selbst bei einer Depression zurückhaltend.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Meiner Meinung nach empfiehlt sich hier ein Mittelweg. Nur weil man nicht jedem seine Diagnose auf die Nase bindet, heißt das in meinen Augen nicht, dass man eine Krankheit, welcher Natur auch immer "verschweigt". Bei manchen Zeitgenossen weißt du schließlich schon vorher, dass diese mit psychischen Krankheiten nicht umgehen können und dich dann schneiden oder hinter deinem Rücken tuscheln, wenn du allzu "offen redest".

Und viele Leute empfinden es auch als ganz angenehm, nicht immer über ihre Krankheiten reden zu müssen, besorgte Nachfragen und wohlmeinende Tipps ("Geh doch mal wieder unter Leute!") über sich ergehen zu lassen und quasi täglich ein Bulletin abliefern zu müssen, wie es der Depression geht und ob die Medikamente wirken. Es ist auch für die Behandlung nicht immer empfehlenswert, wenn sich das ganze Leben und Denken nur um die Krankheit dreht und die Betroffenen mit allem und jeden zwanghaft offen sprechen müssen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Depressionen würde ich jetzt nicht als Krankheit bezeichnen. Daher würde ich da auch nicht öffentlich über sowas reden. Generell stehe ich auch psychischen Krankheiten sehr skeptisch gegenüber, da doch gar nicht bewiesen ist, dass es sowas wie eine Psyche gibt.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Sternenbande hat geschrieben:Depressionen würde ich jetzt nicht als Krankheit bezeichnen.

Na ja, Depression als Krankheit ist aber inzwischen allgemein anerkannt. Sie führt unter anderem zu Missempfindungen, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, und kann durchaus auch tödlich enden.

Darüber sprechen würde ich in einem verständnisvollen Umfeld schon, aber nicht jeder Mensch hat wohl Verständnis dafür, und es gibt auch leider Menschen, die einem dann einfach Faulheit, Lustlosigkeit, Drückebergerei etc. unterstellen würden. Das wäre dann schon kontraproduktiv und könnte einen noch weiter runterziehen. Zumindest würde ich nicht so offen darüber sprechen wie über Zahnschmerzen oder einen Bandscheibenvorfall.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Sternenbande hat geschrieben:Depressionen würde ich jetzt nicht als Krankheit bezeichnen.

Genau das meine ich. Es ist ja schön und gut, wenn es immer heißt, dass das Stigma gegenüber psychischen Krankheiten immer weiter abgebaut wird und dass es lange kein Tabu mehr darstellt, welches die Betroffenen verschämt verschweigen müssen und nach außen hin so tun, als sei alles wunderbar, um sozial nicht ausgegrenzt zu werden.

Aber dann rennst du doch wieder gegen eine Wand aus Ignoranz und Borniertheit und hast dann nicht nur mit deiner Krankheit zu kämpfen, sondern auch mit den Konsequenzen, wenn jemand nicht daran "glaubt" und dich zu allem Elend dazu noch als faul, als Heulsuse oder Weichei abtut. Und zwar für gewöhnlich hinter deinem Rücken. Deswegen muss man leider bei allen privaten und persönlichen Themen sehr genau hinschauen, wann und mit wem man "offen reden" kann.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich sehe das so wie Gerbera. Meiner Ansicht nach gibt es Dinge, die man gar nicht erwähnen braucht, weil das erstens niemanden etwas angeht und weil es zweitens in den meisten Fällen sowieso irrelevant ist. Warum sollte ich beim Kaffeekränzchen bei der Oma, beim Klassentreffen oder im Betrieb lang und breit treten, was für psychische Krankheiten ich habe? In den meisten Fällen fragt doch eh keiner nach oder hat euch schon mal jemand gefragt: "Du sag mal, bist du eigentlich psychisch gestört oder wurde nur noch nichts diagnostiziert?" :think:

Es ist eine Sache, wenn man schwer krank ist und Medikamente nehmen muss, sodass man keine Maschinen beispielsweise bedienen darf. Dann sollte das schon jemand wissen, weil man sonst im Betrieb oder Privatleben in gefährliche Situationen kommt.

Aber wenn es nicht unbedingt notwendig ist, würde ich nichts thematisieren. Das führt nur zu Stigmatisierung und Ausgrenzung und zu wenig Verständnis bei den Mitmenschen, sodass man sich noch ausgegrenzter fühlt und der psychische Zustand unter Umständen verschlimmert werden könnte.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Sternenbande hat geschrieben:Depressionen würde ich jetzt nicht als Krankheit bezeichnen. Daher würde ich da auch nicht öffentlich über sowas reden. Generell stehe ich auch psychischen Krankheiten sehr skeptisch gegenüber, da doch gar nicht bewiesen ist, dass es sowas wie eine Psyche gibt.

Psychische Krankheiten sind Krankheiten des Gehirns. Und ein Gehirn hat ja wohl jeder. Schwere Depressionen sind als Schwerbehinderung anerkannt. Man vermutet eine Störung im Gehirnstoffwechsel, aber genau weiß man es nicht, weil das Gehirn eben so schlecht zu untersuchen ist und noch so wenig darüber und über das zentrale Nervensystem bekannt ist.

Auch Psychosen sind Krankheiten, die ernst zunehmen sind. Keiner leidet freiwillig unter Psychosen. Was heißt das überhaupt, du stehst psychischen Krankheiten skeptisch gegenüber? Hältst du die Diagnosen der Ärzte weitestgehend für falsch? Glaubst du, dass die Leute zu leichtfertig sagen, sie hätten Depressionen? Damit könntest du vielleicht recht haben, denn damit wird die wirkliche Depression in der öffentlichen Beurteilung leichtfertig und zum Leid der Betroffenen verharmlost oder sogar ins Lächerliche gezogen. Depressionen sind ernsthafte Erkrankungen, die ohne Behandlung sehr oft tödlich enden.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 08.03.2019, 07:27, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Jedem würde ich das sicherlich nicht auf die Nase binden. Sicherlich hat es auch einige Nachteile, wenn man das jedem Menschen erzählt und man macht sich letztendlich auch angreifbar und verletzlich damit und deswegen würde ich da schon aufpassen, wem ich da was sage. Wobei ich für einen offenen Umgang mit Erkrankungen bin, aber wenn man dadurch angreifbar ist, muss man einfach etwas aufpassen.

Dem eigenen sozialen Umfeld kann man das aber schon anvertrauen, immerhin müssen die ja wissen warum man sich manchmal etwas anders verhält und vor allem auch, dass sie eben auch mal etwas Rücksicht nehmen müssen und etwas sensibler sein müssen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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