Tun sich gerade Behörden schwer mit Coronaregeln?

vom 08.05.2021, 20:33 Uhr

Schon vor einiger Zeit kam Reul mit seiner Behörde in die Schlagzeilen, weil dort Hygieneregeln massiv missachtet wurden. Im Zuge dessen fiel mir ein, dass auch Freunde, die in Behörden arbeiten, berichten, dass dort im Vergleich mit Firmen aus der freien Wirtschaft das Homeoffice nur sehr schwer durchzusetzen ist und die verkrusteten Strukturen sich nicht aufzuweichen scheinen.

Viele Bezirksleiter oder Amtschefs verweigern sich soweit es geht dem Homeoffice und finden dafür allerlei Erklärungen. Eine, die ich hörte, war zum Beispiel, dass man die Behörden nicht schließen könne, wenn doch selbst die Schulen offen bleiben müssen.

Habt ihr diese Beobachtung auch gemacht? Wenn das der Realität entspricht, woran liegt es, dass gerade in Behörden, die einer besonderen Vorbildfunktion genügen sollten, die Coronaregeln so schlecht eingehalten und umgesetzt werden?

» Verbena » Beiträge: 4938 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Vielleicht ist es gar nicht so, dass Behörden sich besonders schwer tun. Allgemein gibt es Unternehmen oder Institutionen, die diese Regeln streng umsetzen und welche, bei denen es eher lascher ist. Da wo ich meinen Nebenjob habe, trägt beispielsweise niemand Maske und es hält auch keiner Abstand. Es wird sogar wie eh und je zusammen gegessen und es gab auch eine heimliche Firmenfeier. Der Chef ist nämlich so ein wenig Querdenker. An der Uni hingegen nehmen die das alle total streng mit den Regeln und da darf man im Flur nur mit Maske herumlaufen.

Bei anderen Firmen habe ich ein durchwachsenes Bild gesehen, auch bei Behörden. Manche sagen einem auch offen, dass sie die Regeln blöd finden und halten sich nur so lange daran, wie ein Kollege dabei ist und sobald der weg ist, fällt die Maske herunter.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich durfte/musste während meiner Ausbildung mall ein paar Monate in einer Behörde arbeiten sowie im Vorfeld auch schon Praktika dort absolvieren. Es waren ganz verschiedene Behörden, aber die Denkstrukturen schienen sich sehr zu ähneln. Und auch eine Freundin, meine Mutter, ein Onkel und mein Großvater waren Beamte in der Verwaltung, auch da habe ich einige Denkweisen wiedergefunden. Nicht umsonst gibt es so einige Witze über Beamte, die ja oft in den Behörden zu finden sind. :lol: Und ich meine da nicht die Witze über den Arbeitseifer.

In Behörden gibt es bestimmte Prinzipien in Denkweisen, die oft einfach mit der Arbeitsweise zu tun haben bzw. dem Arbeitsgebiet. Sie haben ganz viel mit dem Verwaltungsrecht zu tun. Und um mit diesem Gebiet umzugehen und es etwas vereinfacht anwenden zu können, gibt es bestimmte Denkweisen. Eine davon ist meiner Erfahrung nach das Totschlagsargument "Das haben wir schon immer so gemacht!" bzw. in seiner negativen Form "Das haben wir noch nie so gemacht!"

Wenn man versucht, mit einem Beamten oder einem eingefleischten Verwaltungsmenschen einen Sachverhalt aus seiner Arbeit zu diskutieren, läuft es im Endeffekt sehr oft auf dieses Argument hinaus. Dazu kommt eine recht ausgeprägte Hierarchie, wo Befehle immer von oben an die nächstuntere Stufe weitergegeben werden. Da darf nichts übersprungen werden, damit es vielleicht schneller geht! Alles muss seinen geordneten Gang gehen, sonst bricht das Chaos aus!

Und dann kommen noch solche verwaltungsinternen Vorschriften, die jedem einzelnen haarklein sagen, wie die Gesetze auszulegen sind und wie man sie anzuwenden hat in bestimmten Fällen. In der Verwaltung ist also alles haarklein geordnet, jeder einzelne Schritt ist genau vorgegeben. Nichts wird dem Zufall überlassen. Das hat auch mit dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes zu tun: Wirklich alles muss in einem Gesetz stehen!

Und dann bricht das Chaos aus, denn es gibt eine Pandemie! Regeln, die jahrzehntelang galten, gelten plötzlich nicht mehr! Man weiß nie, welche Regeln am nächsten Tag oder gar in der nächsten Stunde gelten! Und wie sollen die Regeln umgesetzt werden? Gibt es Verwaltungsvorschriften dafür? Eine Reihe von Arbeitsschritten besagt, dass man eine Akte aufruft, sie bearbeitet, das Ergebnis ausdruckt, einen Ausdruck in den Postausgang gibt und einen Ausdruck abheftet. Je nachdem gibt man den Vorgang dann weiter oder legt ihn sich auf Wiedervorlage.

Und dieser Arbeitsablauf steckt so in einem Verwaltungsmenschen drin, dass er kaum aus seiner Haut heraus kann und das plötzlich ins Homeoffice verlegen kann. Das passt nicht ins Denkschema! Man darf schließlich keine Akten mit nach Hause nehmen, man hat dort keine Kollegen, um sich mit ihnen auszutauschen und auch keinen Postausgang, keine Umlaufmappen und auch keine Kaffeepause zusammen! :lol:

Ich habe es nun versucht, etwas lustig zu schildern, aber meine Erfahrung ist wirklich, dass es so eingetretene Denkweisen und einen durchgetakteten Arbeitsablauf gibt, dass die eingefleischten Verwaltungsleute da wirklich nicht aus ihrer Haut können. Sie können nicht spontan oder flexibel sein, das steckt nicht in ihnen drin. Und sie lieben es, Kontrolle und Macht über ihre Arbeit zu haben - fehlt ihnen die, dann tun sie sich wirklich schwer. Die Arbeits- und Denkweise grenzen manchmal an Zwangshandlungen. Ein Onkel, der eingefleischter Beamter war, hatte schon im normalen Leben Probleme, wenn ihm die Kontrolle über irgendetwas entglitt. Im Beruf war er aber spitze.

Und dadurch tun sich Behörden eben sehr schwer, denn sie sind nicht spontan und können täglich auf neue oder andere Regeln reagieren. Und in diesen Menschen steckt seltsamerweise auch sehr häufig die Angewohnheit, die Regeln so auszulegen, wie sie ihnen passen, gerade wenn es keine näheren Vorschriften von oben dazu gibt. Insofern werden dann vielleicht auf den Fluren keine Masken getragen, weil es nur eine Anordnung gibt, das im Büro zu tun. Und so weiter und so fort. Da gibt es bestimmt viele Ausreden. Und im Endeffekt läuft es wieder hinaus auf "Das haben wir noch nie so gemacht!" :lol:

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich glaube auch, dass viele Behörden einfach festgefahrene Strukturen und Abläufe haben, die einfach schon seit Jahrzehnten so gemacht werden. Natürlich gibt es das auch in der freien Wirtschaft. Aber ein Unternehmen arbeitet ja meistens nicht unter der Prämisse irgendwie seine Leute zu beschäftigen, sondern irgendwie mehr Geld zu verdienen. Und alleine das dürfte an vielen Stellen schon Antrieb genug für Veränderungen sein und dafür sorgen, dass man zum einen immer mal wieder Arbeitsabläufe überprüft, woanders schaut, ob jemand das besser macht und auch in Pandemiezeiten überlegt wie man möglichst immer noch viel Arbeit unter anderen Umständen schaffen kann.

Eine Behörde dagegen hat ja so einen Antrieb nicht zwingend. Ob man nun 5 Akten am Tag bearbeitet oder 50 spielt ja nur eine untergeordnete Rolle. Dann macht man den Rest halt morgen oder übermorgen. Sicherlich etwas überspitzt, aber vielerorts ist es ja so, dass ja die Bürger was von der Behörde wollen und nicht andersherum. Und dann muss man eben als Bürger warten, wenn man etwas will.

Und wenn man da eben wenig ändert und vielleicht die einzige Änderung darin besteht, dass durch reine Terminvergabe am Ende nur weniger Menschen in die Behörde kommen, dann überprüft ja auch keiner ob Coronaregeln eingehalten werden. Merkt ja keiner. Wobei es da aber auch genug Unternehmen gibt, wo mit den Regeln selbst eher lax umgegangen wird. Davor sind ja auch Arztpraxen und Krankenhäuser nicht gefeit.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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