Trotz Kirchenaustritt trotzdem Gottesdienste besuchen?
Ein paar meiner Kolleginnen sind schon länger bzw. auch vor kurzem aus der Kirche ausgetreten, da sie nicht mehr einsehen der Kirche monatlich ihr Geld zu geben. Am Glauben an sich hat sich für die Meisten allerdings eigentlich nichts geändert.
Eine Kollegin erzählt nun auch, dass sie weiterhin die Gottesdienste regelmäßig besucht. Zum einen habe sie nichts gegen die Arbeit ihres Gemeindepfarrers an sich und an ihrem Glauben zu Gott hätte sich auch nichts geändert. Zum anderen lebt sie aber auch in einer kleinen Gemeinde und möchte einfach einem Gerede und Getuschel vorbeugen, indem sie nicht mehr in der Kirche erscheint. Dass sie aus der Kirche ausgetreten sei, wisse außer dem Pfarrer ja sonst niemand. Eine Teilnahme am Gottesdienst ist nach einem Kirchenaustritt ja nicht verboten, man darf lediglich die Heilige Kommunion nicht mehr empfangen.
Wie seht ihr das, würdet ihr nach einem Kirchenaustritt weiterhin regelmäßig Gottesdienste besuchen? Würdet ihr nur zu besonderen Anlässen wie Ostern, Weihnachten, Taufe, Hochzeit & Co. einen Gottesdienst besuchen? Würdet ihr die Kirche weiterhin lediglich besuchen, um das Getratsche der Gemeinde zu vermeiden? Würdet ihr lieber anderweitig versuchen euren Glauben zu leben, falls der Austritt nicht darin begründet war?
Ich finde das wahnsinnig inkonsequent und letztendlich ist das auch kein fairer Zug. Ich meine immerhin nutzt man dann die Kirche und deren Dienstleistungen aus und zahlt nicht mal mehr Kirchensteuer dafür. Das finde ich nicht fair. Gerade auch wegen den vermutlichen Lästereien von anderen Menschen sollte man nicht in die Kirche gehen, wenn man es nicht möchte. Das sollte einem egal sein, egal in was für einem kleinen Nest man wohnt. Wenn man eine Entscheidung trifft, dann muss man auch dazu stehen.
Prinzipiell ist es natürlich vollkommen in Ordnung, Gottesdienste zu besuchen, auch wenn man aus dem Verein ausgetreten ist, oder wie ich niemals Mitglied war. Schließlich ist jeder willkommen. Und wenn ich regelmäßig gut genug bin, um Noten umzublättern oder zu singen, dann werde ich wohl auch einfach so da sein dürfen, oder. Es gibt was in den rumgehenden Hut und fertig. Man respektiert sich halt, ich lasse mich und meine Kinder auch brav segnen und bete am Tisch mit dem Probst dezent mit. Dafür werde ich um Gegenzug nicht mit Taufe und dem bekehrenden Kram belästigt.
Die Kollegin dagegen finde ich verdammt blauäugig. Natürlich weiß das nicht nur der Pfarrer, auch die Gemeindesekretärin und die Jugendlichen, die den Pfarrbrief verteilen, wissen Bescheid. Und selbst wenn die dicht halten, fällt die fehlende Teilnahme an der Kommunion bald auf. Was hat man da erst auf dem Dorf zu quatschen! Weil dann muss die Gute schließlich nicht reinen Herzens sein. Und welche grässliche Sünde muss das wohl gewesen sein, wenn sie sich offensichtlich nicht zur Beichte traut.
Bei mir ist es genau anders herum. Ich zahle aus pragmatischen Überlegungen weiter Kirchensteuer, habe aber innerlich mit dem Laden abgeschlossen. Zwar wurde ich klassisch katholisch sozialisiert, aber in meiner Heimatgemeinde gab es schlicht keine Angebote für Kinder, sodass bei mir nie durch die entsprechende Indoktrination ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft entstehen konnte. Wenn man Kirche nur als Zwang, sonntagmorgens aufzustehen, sich ordentlich anzuziehen, die Klappe zu halten und nach vorne zu gucken kennengelernt hat, ist es schwierig mit der emotionalen Bindung. Und Religion und Glauben sind ja nicht an einen bestimmten Ort oder bestimmte Rituale gebunden.
Von daher hätte ich keine Lust, als nicht-zahlendes Mitglied zwar noch als Staffage und Singstimme geduldet zu sein, aber die "Heilige Kommunion" und die anderen Sakramente (die Katholiken sind da gut aufgestellt) sind leider leider nur den zahlenden Mitgliedern vorbehalten. Da ist nichts Heiliges mehr dran, besten Dank auch. Ich gehe ja auch nicht in den Tischtennisverein, wenn ich dort keinen Schläger mehr anfassen darf, sondern bestenfalls noch die Tischplatten wienern.
Ich bin mir auch gar nicht mehr so sicher, ob die Leute tatsächlich reden, wenn jemand nicht (mehr) zur Heiligen Kommunion nach vorne latscht. Selbst auf dem Dorfe ist meiner Erfahrung nach die soziale Kontrolle nicht mehr so eng und die Weihnachtskirchgänger stellen schon lange die Mehrheit. Aber genau kann ich es nicht beurteilen, da ich schon immer eine Außenseiterin war, der es völlig egal war, ob im Dorf "getratscht" wurde. Vielleicht ist es bei den "Lutherischen", wie mein Opa immer gesagt hat, auch anders. Ich habe schon wahre Horrorstorys aus der Pietismus-Ecke gehört. Dass da keine Hexen mehr verbrannt werden, ist auch reine Glückssache.
Ich selbst bin deswegen aus der Kirche ausgetreten, weil ich mit dem Thema Religion und Kirche nicht viel anfangen kann. Dementsprechend habe ich auch keine Motivation, an Gottesdiensten teilzunehmen. Allerdings schaue ich mir gern historische Kirchen an. Da habe ich kein schlechtes Gewissen, zumal mir scheint, dass die Renovierung und Instandhaltung vieler Kirchenbauten gar nicht unmittelbar über die Kirchensteuer finanziert wird.
Wieso ist das inkonsequent? Nur weil man aus der Kirche austritt, um nichts mehr einzubezahlen, ist der Glaube doch nicht verlorengegangen. Oder verstehe ich das falsch? Viele bleiben auch nur in der Kirche, damit sie gegebenenfalls beruflich mal bei einem kirchlichen Träger anheuern können, was ich auch nicht verwerflich finde, denn viele Pflegeeinrichtungen laufen immer noch unter solchen Trägern und man wird teilweise gut bezahlt.
Ich reibe ja auch nicht jedem unter die Nase, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin. Außerdem sehen die anderen Menschen auch nicht meine Gehaltsabrechnungen, also wer außer der Pfarrer oder der jeweilige Sachbearbeiter sollte wissen, dass ich nicht mehr in der Kirche bin.
Und ich denke auch, dass man weiterhin Gottesdienste besuchen darf, wenn man es denn möchte und weiterhin gläubig ist. Nur man darf halt selbst nicht mehr kirchlich heiraten. Aber ansonsten steht es meines Wissens schon jedem frei seinen Glauben zu praktizieren. Ich sehe darin kein Problem.
Und auch in kleinen Dörfern ist das meistens kein Problem. Ich gehe nicht davon aus, dass der Pfarrer nun in seiner Kanzel steht und alle Ungläubigen und Kirchenaustreter nun öffentlich vor der gesamten kirchlichen Gemeinde bloßstellt. Ich denke, dass ein guter Pfarrer schon mit seinen Schäfchen redet und vielleicht auch die Beweggründe wahrnimmt. Aber aus einem Gottesdienst ausgeschlossen wird man dann wohl nicht unbedingt.
Seit neuestem arbeite ich für einen kirchlichen Träger. Der weiß, dass ich schon immer konfessionslos bin. Und wie alle anderen Mitarbeiter, zu denen auch gläubige Musliminnen mit Kopftuch gehören, bin ich verpflichtet, am Gottesdienst teilzunehmen. Das ist bezahlte Arbeitszeit, man hat sich sehenden Auges für einen christlichen Arbeitgeber entschieden, basta!
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