Verstrahlt sein - was heißt das genau?

vom 09.12.2009, 12:02 Uhr

Hallo,
ich habe vor ein paar Tagen im Fernsehen eine Reportage über Tschernobyl gesehen. Dort passierte ja am 26. April 1986 ein sogenannter "Super-Gau", und große Mengen Radioaktivität wurden bei dem Reaktorunfall ausgestrahlt. In dem Bericht wurde auch gesagt, dass 50 Kilometer um den Reaktor eine Sperrzone ist, wo niemand hindarf, da dieses Gebiet aufs Höchste verstrahlt ist und dort wird wohl nie mehr Leben möglich sein.

Aber damals lebten ja sehr viele Menschen in der unmittelbaren Nähe des Reaktors und wurden bei dem Gau verstrahlt. Aber in dem Bericht wurde leider nicht gesagt was es eigentlich heißt "verstrahlt" zu sein. Kann man an einer Verstrahlung sterben oder löst diese Folgeerkrankungen aus an denen man dann stirbt?

» josey » Beiträge: 346 » Talkpoints: 4,28 » Auszeichnung für 100 Beiträge



"verstrahlt" sein ist ein relativer Ausdruck. Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte das auf keinen Fall verharmlosen, aber jeder Mensch ist jederzeit natürlicher radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Daher sind wir alle ein wenig "verstrahlt". Nun ist es aber so, dass solche zusätzliche Strahlung die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken erhöht. Das ist aber eine rein statistische Geschichte. Wenn man also bei einem Reaktorunfall verstrahlt wurde, dann hat man nicht automatisch Krebs, sondern eine mehr oder weniger erhöhte Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken. Leider lässt sich an einem Krebs nicht erkennen, was denn nun exakt der Auslöser gewesen ist. Ein Beispiel, wenn nun also 90% der Leute im Umkreis von 10 Kilometer an Tschernoby an Lungenkrebs erkranken, dann haben nicht alle zwingen den Krebs wegen der Radioaktivität, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr hoch.

Neben diesen statistischen Wahrscheinlichkeiten für Krebs gibt es noch eine akute Verstrahlung. Das ist quasi ein Sonnenbrand des ganzen Körpers, also nicht nur aussen auf der Haut, sondern auch im Körper selber, besonders Schleimhäute (unter anderem auch der Darm). Da werden sehr viele Zellen nicht nur geschädigt, mit Einfluss auf die DNA und somit auf die Wahrscheinlichkeit von Krebs, sondern die Zellen sterben sogar ab. Das äussert sich dann in akuter Strahlungskrankheit, welches sich durch eine Vielzahl von Symptomen, wie z.B. heftige Übelkeit und massives Erbrechen, äussert. Davon betroffen waren besonders die Aufräumtruppen, die unmittelbar nach dem Unfall im Bereich des Reaktors eingesetzt wurden. Diese Leute sind alle nach kurzer Zeit gestorben.

Ich bin sicher, dass eine medizinisch geschulte Person genaueres dazu sagen kann. Aber vielleicht möchte man das ja auch nicht gar so genau wissen.

» thisnamewasfree » Beiträge: 1102 » Talkpoints: 2,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


"Verstahlt sein" bedeutet einfach, dass man (großen) Mengen radioaktiver Strahlung ausgesetzt war. Mein Vorredner hat das schon ziemlich gut erläutert, was ich noch hinzufügen kann: Wenn die Strahlung "durch den Körper reist" zerstört sie dabei die DNS der Zellen, diese funktionieren also nicht mehr ordnungsgemäß und können, wie erwähnt, sogar zu Krebs führen.

Außerdem ist es meines Wissens nicht sonderlich ratsam als verstrahlter Mensch noch Kinder zu zeugen, da die Strahlung wohl besonders schlimme Auswirkungen auf die Produktion von Samen und Eizelle hat und dadurch das Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, enorm ansteigt.

» AP Nova » Beiträge: 336 » Talkpoints: 19,85 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Außerdem ist es meines Wissens nicht sonderlich ratsam als verstrahlter Mensch noch Kinder zu zeugen, da die Strahlung wohl besonders schlimme Auswirkungen auf die Produktion von Samen und Eizelle hat und dadurch das Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, enorm ansteigt.

Das stimmt grundsätzlich. Wobei man beachten muss, dass dieser Rat bei Frauen viel bedeutsamer ist, da die Eizellen der Frau nicht neu gebildet werden, sondern quasi auf Lager warten und bei Bedarf reifen. Wenn diese geschädigt werden, dann wird diese Schädigung möglicherweise auf das Kind übertragen. Beim Mann hingegen ist es etwas weniger schlimm, da die geschädigten Spermien bei den ersten paar Ejakulationen abgehen und neue gebildet werden. Wenn die Hoden nicht geschädigt wurden, dann sind die neu gebildeten Spermien ohne Schaden. Dann kann der Mann ohne Gefahr ein Kind zeugen. Wenn allerdings die Hoden geschädigt wurden, dann gilt ähnliches wie für die Frau.

» thisnamewasfree » Beiträge: 1102 » Talkpoints: 2,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Als der Reaktorunfall von Tschernobyl sich ereignete besuchte ich die Grundschule. Ich kann mich noch lebhaft an die grausigen Berichte in der Tagesschau erinnern. Viele Babys kamen damals total missgebildet auf die Welt. Die grausigen Bilder der armen Wesen, die man danach in Gläsern eingelegt für die Forschung aufbewahrt hat, spuken mir noch heute im Kopf herum. Als Kind soetwas zu sehen war ziemlich grauenvoll. Vor allem fand ich damals verunsichernd, wie sämtliche Erwachsene plötzlich ratlos waren. Viele von uns Kindern damals glaubten, dass wir niemals selbst gesunde Kinder auf die Welt bringen werden und dass wir niemals älter als 30 würden. Die Stimmung, die damals unter uns Kindern herrschte, war unbeschreibliche Panik. Ein paar von meinen Kumpels damals war mit dem ersten Regen nach dem Reaktorunglück in Kontakt gekommen. Erst danach erfuhr man durch die Medien, dass es das Reaktorunglück gegeben hatte. Diese Kinder waren total in Panik und dachten, dass sie bald strahlenkrank würden. Wir durften Wiesen und Spielplätze nicht mehr betreten, weil das angeblich alles radioaktiv war. Und kein Erwachsener konnte uns erklären, was dieses unheimliche Wort "radioaktiv" genau bedeutete.

Wenn man akut zu viel radioaktive Strahlung abbekommte, leidet man an der Strahlenkrankheit. Diese tritt vor allem dann auf, wenn der Mensch Opfer eines Atomunfalls, wie z.B. Tschernobyl wurde oder bei der Explosion einer Atombombe anwesend war. Wie starkt der einzelne die Strahlenkrankheit bekommt, hängt davon ab, welche Strahlendosis der Mensch abbekam. Je mehr Strahlung man abbekommt, desto schneller bricht die Strahlenkrankheit auch aus und desto länger dauert sie und desto schwerwiegender sind die Folgen für den Körper. Wenn man eine Strahlendosis von über 50 Gray abbekommt, dann ist man mehr oder weniger sofort tot. Wenn man "nur " 1 bis 2 Gray abbekommt, dann muss man damit rechnen, dass etwa 10 % der Strahlenopfer mit dieser Dosis die nächsten dreißig Tage nicht überleben wird.

Bei einer Strahlenbelastung von knapp einem Gray kann der Mann vorübergehend unfruchtbar werden. Strahlendosen bis 0,2 Gray werden als Krebsverursachend bewertet.

Bei der Reaktorkatastrophe von Tchernobyl wurden zumindest laut dem, was ich nun nachgelesen habe in der nächsten Zeit nach der Katastrophe weniger als 50 Zivilisten Todesopfer der Strahlen, dafür aber weit mehr Liquidatoren. Dafür gibt es ungezählte Krebsopfer, Langzeiterkrankte, Totgeburten, fehlgebildete oder kranke Babys. Die Ursachen dafür sind nicht immer zweifelsfrei auf Tschernoby zurückzuführen.

Wie hoch die Zahlen wohl wirklich sind, wie viel in den Medien damals Panikmache war und wie viel heut Verharmlosung ist, kann ich nicht sagen. Aber wie die Zahlen oben zeigen verkraftet der Mensch durchaus eine gewisse Menge an Strahlen ohne sofort merkliche Schäden davon zu tragen.

Mitarbeiter in Kernkraftwerken tragen in sensiblen Bereichen immer Dosimeter. Das sind Geräte, die die Strahlenbelastung die auf den Techniker einprassel messen. Damit kann sicher gegangen werden, dass die Kernkraftwerkmitarbeiter nicht mehr an Strahlung abbekommen, als sie vertragen.

Bis die Regionen rund um Tchernobyl wieder bewohnbar werden, dauert es eine Ewigkeit. Die so genannte Halbwertszeit gibt an, wie lange ein Stoff braucht, bis die Hälfte der radioaktiven Strahlung abgebaut ist. Auch ein Mensch kann einen gewissen Teil der radioaktiven Strahlung verkraften und wieder abstrahlen. Einen Teil der Schäden kann der Körper auch wieder reparieren. Deshalb ist es verträglicher, wenn man über einen längeren Zeitraum niedrigen Dosen ausgesetzt ist, als wenn man über einen kurzen Zeitraum hohen Dosen ausgesetzt ist.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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