Warum wird Rudolf Hess von Neonazis so sehr verehrt?

Hallo,
in Geschichte beschäftige ich mich gerade mit dem Thema "Das dritte Reich". In meinen Büchern kommt die Sprache auch unter anderem auf Rudolf Hess, der ja Stellvertreter von Adolf Hitler war. 1941 ist er nach Schottland geflogen um mit den Engländern den Frieden zu verhandeln, die haben ihn jedoch festgenommen. Daraufhin wurde Hess von Hitler zum Verräter erklärt und für geisteskrank abgestempelt. Er wurd beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zu lebenslanger Haft verurteilt die er auch auf den letzten Tag abgessen hat bis er 1987 gestorben ist.

Was mich nun stutzig macht ist, dass es seit 1987 in Wunsiedel, wo Hess begraben ist, regelmäßig jedes Jahr Neonaziaufmärsche gibt. Das führt ja immer wieder zu Diskussionen ob man das nicht verbieten könnte, usw.

Was ich mich nun Frage ist wieso gerade Rudolf Hess von den Neonazis so verehrt wird? Schließlich wurde er ja im Dritten Reich als "Verräter" angesehen. Gibt es dafür irgendwelche logischen Gründe?

Er ist der Stellvertreter des Führers gewesen. Zudem hat er auch nach seiner Verhaftung zu keinem Zeitpunkt irgendetwas bedauert oder sich vom System distanziert. Und vor allem nach seiner Verurteilung im Kriegsverbrecherprozess von Nürnberg (dessen Urteile ja unter Nazis generell als Siegerjustiz-Urteile gelten) hat er immer noch an den "Idealen" des dt. Reichs festgehalten.

Spätestens nach seinem Tod (soweit ich weiß ein Freitod, was habt ihr denn über sein Ableben gelernt?) ist er aber in der Rolle eines Märtyrers, der eben alles (auch sein Leben) der Sache (also Deutschland) geopfert hat und es war ihm kein Opfer zu groß, für seine Sache einzustehen.

Das macht ihn eben zu einem vermeintlich vergötterungswürdigem Märtyrer. Zusätzlich gibt es einen Anlass, sich selbst und die eigene Bewegung zu feiern. Hinzu kommt das bewusste hinnehmen, dass diese Prozessionen (zu Recht) regelmäßig verboten werden. So kann man sich in der Reihe mit Hess selbst als "Opfer" des "Siegersystems" sehen. Und darin gefallen sich die Nazis sehr.

Ich stimme derpunkt soweit zu, hinzu kommen könnte, dass Teile nationalsozialistischer Vereinigungen denken, dass Rudolf Hess ermordet wurde und nicht durch Suizid starb. Es wurde sogar mal mit recht eindringlichen Plakaten kundgetan, damit jeder erfährt, was ihm wiederfahren ist. Die Plakate waren in unserer Gemeinde recht schnell wieder verschwunden.

Das macht ihn eben zu einem vermeintlich vergötterungswürdigem Märtyrer.

Hier vor allem sein "mysteriöser" Tod, da es sowohl seitens der Neo-Nazis als von Nicht-Nazis arge Zweifel am Selbstmord von Rudolf Hess gibt - im Wesentlichen geht es darum, wie sich jemand erhängen konnte, der kaum noch ohne Pfleger laufen konnte. Hier werden immer wieder, je nach Verschwörungstheorie, mal die Briten als Mörder hingestellt oder die böse Sowjetunion, die Hess nicht aus dem Knast laufen wollte und ihn da sterben ließ.

Die Demos sind ja je nachdem mal verboten, mal erlaubt - je nachdem, wer gerade darüber urteilen muss und was im Vorjahr Sache war bzw. mit welchem "energischen" Auftreten der Teilnehmer zu rechnen ist.

Dazu kommt wahrscheinlich noch, dass die Überreste von Hitler nirgendwo begraben sind (bis auf seinen Schädel, der in russischen Archiven lagert), eben um hier Ehrenmärsche zu vermeiden. Dann hält man sich eben an die Nummer 2, die sich öffentlich nie von dem ganzen Kasperkram losgesagt hat / lossagen konnte.