Offizier der Bundeswehr werden
Seit vielen Monaten beschäftige ich mich nun damit ob ich zur Bundeswehr gehe oder nicht. Denn es ist gar nicht mal so einfach sich zu entscheiden. Viele meiner Freunde meinen ich soll nicht zur Bundeswehr gehen, weil man sich dort für einen Auslandseinsatz einschreiben muss. Andere sagen wieder das Geld und die Aufstiegschancen sind sehr gut. Natürlich gehen die Meinungen darüber weit auseinander, darum weiß ich auch nicht so recht wie ich jetzt handeln soll. Ich bin Abiturient und habe noch 1 Jahr bis ich mich bei der Bundeswehr einschreiben könnte.
Was meint ihr, würdet ihr in die Bundeswehr eintreten und dort glücklich werden oder wart ihr schon einmal selbst bei der Bundeswehr und seid aus speziellen Gründen wieder ausgetreten?
Es muss doch einen Grund geben warum du in Betracht ziehst zur Bundeswehr zu gehen. Ich finde diese Option gar nicht mal so schlecht, schon gar nicht als Abiturient. Du kannst bei der Bundeswehr etwas Studieren was dir unter anderem Umständen vielleicht gar nicht möglich wäre, wie z.B. Medizin. Dafür wirst du dann weitaus besser bezahlt als es unter anderen Umständen der Fall wäre. Als Student zahlt man ansonsten ja fürs Studieren, als umgekehrt. Im Gegenzug verpflichtest du dich für cirka 15 Jahre der Bundeswehr, was aber auch bedeutet, du hast 15 Jahre lang einen spitzen bezahlten Job bei dem du keine Angst vor Arbeitslosigkeit haben musst.
Du strebst eine Offizierskarriere an. Aufstiegschancen, gute Bezahlung und so weiter sind wahrlich die Vorteile. Aber du musst bedenken, dass du unter Umständen in Krisengebieten stationiert sein wirst, wo du dein junges Leben tagtäglich riskierst, hinzu kommt die Entfernung zur Familie und das soziale Kontakte (alte Freunde) ziemlich eindämmen. Wenn du die Möglichkeit hast lass dich am Besten selbst von einem Berufssoldaten beraten und von seinem Alltag erzählen. Bei uns kamen einige auf die Schule um für die Bundeswehr zu werben. Vielleicht ist das bei euch auch so.
Man muss sich für 12 Jahre verpflichten. Dabei gehen drei Jahre für die Offiziersausbildung, drei Jahre für das Studium und sechs Jahre Arbeit als Soldat drauf. Man muss aber bedenken, dass man diese sechs Jahre nicht unbedingt in seinem Fach verbringt, das man studiert hat. Man kommt also möglicherweise nach 12 Jahren mit einem studierten Beruf, aber null Berufserfahrung aus der Bundeswehr. Andererseits bekommt man als ehemaliger Zeitsoldat anscheinend recht leicht einen Job im öffentlichen Dienst (wenn ich es richtig gehört habe bekommt man sogar den Job garantiert wenn man als Offizier ausscheidet).
Normalerweise ist dann auch ein Auslanseinsatz Pflicht. Dieser Auslandseinsatz kann man natürlich von zwei Seiten sehen. Auf der einen Seite kann so etwas natürlich sehr gefährlich sein, auf der anderen Seite ist das sicherlich auch eine sehr prägende (Lebens-)Erfahrung. Und auch rein finanziell lohnt sich so ein Auslandseinsatz sicherlich.
Dass soziale Kontakte durch einen einzigen Auslandseinsatz leiden halte ich eher unwahrscheinlich. Diese dauern ja meistens nicht so lang - in der freien Wirtschaft kann es schneller mal passieren, dass man für 2-3 Jahre ins Ausland geschickt wird. Viel schlimmer ist es, dass du bei der Bundeswehr im Prinzip in ganz Deutschland unterwegs bist und selten mal länger an einem Ort bleibst. Da fällt es sicherlich schwer eine Familie zu gründen.
Ich kann da aus persönlicher Erfahrung heraus nur abraten - ich selbst bin zwar Kriegsdienstverweigerer, das hat aber nichts mit dem Dienst an der Waffe zu tun gehabt (bin seit Ewigkeiten Jäger, Paintballer und Schütze), sondern mehr mit den mehr an Vorteilen des Zivildienstes - denn mein Cousin ist Berufssoldat und Pilot.
Seine anfängliche vor dem Dienst hat mittlerweile stark nachgelassen, was vor allem daran liegt, dass seine Erwartungen nur ansatzweise erfüllt wurden und seine persönlichen Verhältnisse sich veränderten, vor allem: unzufrieden mit den Versetzungen, die alles andere als vorteilhaft für seine Beziehung sind. Wäre seine Freundin nicht so tolerant wäre die schon lange zu Ende.
Das Studium klingt gut, ist aber im Grunde für die Tonne. Er hat noch Glück da er etwas studiert hat, was ihm mit Glück bei seinem jetzigen Posten noch nach dem Bund nützlich sein kann, wenn auch lange nicht in der eigentlichen Ausrichtung. Anders sieht es bei anderen Studiengängen aus: Die sind oft, auch nach der ernüchternden Meinung ehemaliger Kameraden, nur Zier, denn das Hauptproblem ist, was auch schon Weasel_ ansprach, dass man zwar etwas studiert hat, aber:
a) bei der Bundeswehr (deren Studienprogramm nicht unbedingt up-to-date ist) und
b) man (je nachdem) darin keinerlei Erfahrungen sammeln konnte.
Gerade letzteres entwertet das Studium komplett, denn bereits "normale" Akademiker und Ausgebildete gelten nach 1 - 2 Jahren ohne Erfahrung in dem Job (kommt natürlich auch auf die Branche an) als "ungelernt" mangels der praktischen Anwendung und Festigung der Kenntnisse im Berufsleben. Das bestätigen auch diverse Erfahrungsberichte ehemaliger Berufssoldaten, wie z. B. dieser hier. Erfahrungen ehemaliger Kameraden meines Cousins: nur wenn man sehr viel Aufwand vor der Entlassung in die Weiterbildung steckt und das erste Jahr der Entlassung massiv in Fortbildungen und Praktika investiert wird man mit viel Glück aus "frischer Azubi / Studierter" gerade noch so angenommen (und dementsprechend schlecht bezahlt) - ansonsten nicht einmal das. Heißt: Im Grunde geht nach dem Bund wieder das los, was andere mit dem Studium / Ausbildung Jahre vorher hinter sich gelassen haben.
Auch die Erwartungen wurden nur teilweise erfüllt: Die Bezahlung ist nicht sehr gut, sondern nur mittelmäßig, wenn man sich mit Arbeitskräften am freien Markt vergleicht, die ähnliches studiert haben und genausolange beschäftigt sind. Das Problem: Die Bezahlung beim Bund, wenn man als Zeitsoldat und Offiziersanwärter einsteigt, ist natürlich überdurchschnittlich hoch, ohne Frage - aber die Steigerungen danach sind verglichen mit dem freien Markt ein Witz! Unter`m Strich heißt das: das "hohe" Gehalt mit Anhebungen beim Bund verliert gegen das eher niedrige Einstiegsgehalt im freien Markt mit deutlich stärkeren Zuwächsen mit steigender Berufserfahrung in der Summe. Das hohe Einstiegsgehalt verliert sich also mit der Zeit im Schnitt, da andere durch ihre Zuwächse über diesem liegen.
Gleiches gilt für Beförderungen: Er hat noch Glück gehabt, da bisher nicht großartig übergangen worden zu sein, Kameraden von ihm ist das allerdings desöftern passiert und teilweise rutschen die genau in die Lage ab, wo jeder im Grunde Angst vor hat: abgeschoben / hin- und hergeschoben auf "Warteposten" wo man keine Erfahrungen sammeln kann, "berufsfremde" Aufgaben erledigt (sowohl hinsichtlich des Studiums als auch bezüglich "Bundeswehraufgaben") und im Grunde nur ein dafür hochbezahlter Depp vom Dienst wo die Übernahme seitens des Bundes nach Ablauf des Zeitvertrages jetzt schon mit Sicherheit definitiv nicht erfolgen wird.
Was hast du denn so für Interessen? Gerade Technikinteressierte finden sicherlich etwas was das Ganze ein bischen angenehmer macht. Hubschrauber und Flugzeuge sind immer faszinierend, Panzer auch, besonders wenn man sie selbst fliegen beziehungsweise fahren darf. Ansonsten würde ich mich mal unverbindlich beraten lassen. Ich kann mir eigentlich nicht so recht vorstellen dass man seinen Abschluss praktisch umsonst gemacht hat weil die praktische Erfahrung fehlt. Ein Mediziner wird garantiert im Sanitätsdienst eingesetzt und ein Techniker im praktischen Dienst. Dafür ist die Ausbildung einfach zu teuer.
Zu den schon erwähnten schlechten Tätigkeitsmöglichkeiten in der freien Wirtschaft kann ich nichts sagen weil ich niemanden kenne der nach langjähriger Armeezeit dorthin gegangen ist. Die meisten landen doch in der Selbstständigkeit oder im öffentlichen Dienst. Ich denke mal dass es zum Teil auch daran liegt dass sie für ein normales Berufsleben aus anderen Gründen nicht mehr unbedingt tauglich sind, gerade im öffentlichen Dienst fällt so etwas aber garnicht auf.
Die Bezahlung bei freier Kost und Logis ist attraktiv, ein kostenloses Studium bekommt man finanziert und der Job ist sicher. Gerade wer nicht so recht weiß ob er sich in der normalen Berufswelt mit einer normalen Ausbildung das Leben verwirklichen kann was er sich so vorstellt sollte darüber nachdenken. Klar gibt es auch Nachteile, die Ehefrau sollte schon tolerant sein, feste Freundschaften auf Grund der häufigen Ortswechsel sind eher selten und natürlich sind auch die drohenden Auslandseinsätze nicht zu vernachlässigen.
hooker hat geschrieben:Ich kann mir eigentlich nicht so recht vorstellen dass man seinen Abschluss praktisch umsonst gemacht hat weil die praktische Erfahrung fehlt.
Das ist einfach nur Unsinn, dazu muss man sich nur einmal ansehen, was denn so alles an Studiengängen bei der Bundeswehr anfällt:
- Maschinenbau
- Luft- und Raumfahrttechnik
- Wirtschaftsingenieurwesen
- Volkswirtschaftslehre
- Betriebswirtschaftslehre
- Sportwissenschaften
- Pädagogik
- Politikwissenschaft
So und jetzt mal ganz simpel gefragt: Wo möchte man hier in all diesen Studiengängen vergleichbare praktische Erfahrungen wie im zivilen Berufsleben machen? Klar gibt es da Stellen - aber hier ist es, siehe Kameraden meines Cousins, noch extremer als auf dem freien Markt: die Stellen, wo man vergleichbare Erfahrungen sammeln kann sind dünn gesät und logischerweise wird das Gros der Offiziere nicht dort, sondern auf anderen eingesetzt! Dazu kommt, dass mögliche Jobs bei Rüstungsunternehmen, für die man durch bestimmte Studiengänge in Kombination mit der richtigen Karriere beim Bund vorerst ausgeschlossen sind! Sprich: Der Wechsel vom Bund dahin ist nicht sofort möglich, sondern erst nach einer Übergangsphase.
Bis auf technische Studiengänge ist der Rest für die meisten nur Zier! Nach Erfahrungen der Kameraden meines Cousins haben vor allem VWLer, BWLer, Pädagogen sowie Wirtschaftsingenieure sehr schlechte Karten - aber auch bei den anderen sieht es kaum besser aus da die Firmen, die nach bestimmten Kräften suchen eben auch nur eine begrenzte Zahl an Stellen pro Jahr anbieten, die weit unter der Entlassungsquote liegen!
hooker hat geschrieben:Ein Mediziner wird garantiert im Sanitätsdienst eingesetzt und ein Techniker im praktischen Dienst.
Sorry, aber das ist Wunschdenken! Vor allem da das Studium mehr oder weniger zweitrangig ist. Denn primär zählt das erlernte "Handwerkszeug" - wer gut auf seinem Posten funktioniert, z. B. als Pilot, wird nicht in technische Abteilungen versetzt nur weil sein Studium hier 1A ist.
hooker hat geschrieben:Dafür ist die Ausbildung einfach zu teuer.
Als ob Behörden und Bundesministerien ernsthaft auf ihre Mittel achten - dass das bei der Bundeswehr kaum anders ist bestätigt jedes Jahr der Bundesrechnungshof und auch zig Berichte von Zeitsoldaten, die oft nur den Kopf schütteln können was die Anschaffungspolitik angeht. Und wo ist die "teure" Ausbildung ein Argument? Das Studium ist u. A. ein Lockmittel, da eben nicht jeder nach dem 42.+ Lebensjahr übernommen wird, man aber auch einen zivilen Beruf braucht um nicht in der Arbeitslosigkeit zu enden, ergänzt durch das Konzept Bürger in Uniform.
Und nicht umsonst gehen die meisten nach der Entlassung beruflich völlig andere Wege, eben jene, die nicht mit dem eigentlichen Studium zu tun haben. Anders gesagt: Wer irgendwann mal Zimmermann gelernt hat und dann jahrelang Angebote im Büro erstellt hat wird bei einer Entlassung nicht wieder am Hobeltisch anfangen nur weil er das mal gelernt hat.
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