Schüler als Richter über Schüler?
Nordrhein-Westfalen möchte jetzt mit einem Modellprojekt in neue Grenzen vorstoßen – und zwar sollen Regelverstöße von Schülern an Schulen zukünftig von anderen Schülern geahndet werden dürfen und die Schüler sozusagen als Richter an Schulschiedsstellen fungieren. Das Projekt soll vorerst nut in 10 Schulamtbezirken an verschiedenen Schulen getestet werden.
Die Schulschiedsstellen sollen ein Gremium aus 3 Schülern sein denen ein Sozialpädagoge zur Seite steht und bei Gewalt, Rangeleien, Schulschwänzen, Mobbing oder Sachbeschädigung an Schulen Sanktionen verhängen darf, wie z. B. Schadensersatzzahlungen mit dem Taschengeld, Handy Verbote oder das Ableisten von Sozialstunden. Die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Sommer (CDU) meint: "Wenn Kinder und Jugendliche sich etwas zu Schulden kommen lassen, müssen ihnen rasch die Grenzen aufgezeigt werden" und mögliches Fehlverhalten sollte nicht toleriert und zeitnah geahndet werden, damit eine Wiederholung oder ein „Abgleiten“ verhindert werden kann. "Der positive Einfluss Gleichaltriger kann dabei oft mehr erreichen als die Einwirkung Erwachsener.", so Sommer.
Bevor die Gremien jedoch in Aktion treten dürfen, werden sie über 40 Stunden an einem Unterricht über die bevorstehende Aufgaben und Grundlagen des Strafrechts und Schulrechts an das Thema herangeführt, in Gesprächsführung geschult werden und Lernen, wie man mit welchen Sanktionen auf welchen Regelverstoß reagieren sollte. Die Gremien werden auch keine selbstständigen Tribunale sein, sondern treten erst dann in Aktion, wenn die Schulleitung sie anruft.
Das ganze erinnert mich stark an Mediation und wurde schon zu meinen Schulzeiten aktiv betrieben. Finde das ist eine gute Sache: Die Schüler, die im Clinch miteinander liegen treffen sich, beide Seiten stellen ihre Meinungen dar. Der Schüler, der als Mediator fungiert, hört sich beide Seiten an und reflektiert dann offen über beide Perspektiven.
Hierbei werden Widersprüche geklärt, um die Wahrheit, was wirklichn passiert ist, herauszufinden. Zum Schluss müssen beide Schüler einen ertrag unterschreiben, der regelt, wer Schuld hat und wie die beiden Schüler sich in Zukunft gegenüber einander verhalten werden.
Finde das ist eine ausgezeichnete Angelegenheit.
Bei Schüler als "Richter" allerdings, sehe ich die Gefahr, dass Kinder mit Strafen zu einem besserenVerhalten erzogen werden sollen. Kommen die Strafen von Gleichaltrigen, ist das Unrechtsempfinden auf Seiten des Beschuldigten garantiert höher, als wenn sie von einem Lehrer kommt. Ich bin skeptisch, dass dies sinnvoller ist als das Prinzip der Mediation, da dieses nicht mit negativ belegtem Ausgan endet, sondern stets kompromitierend vermittelt.
Entershinobi hat geschrieben:Ich bin skeptisch, dass dies sinnvoller ist als das Prinzip der Mediation, da dieses nicht mit negativ belegtem Ausgan endet, sondern stets kompromitierend vermittelt.
Meintest Du wirklich kompromittierend (bloßstellen, kränken, demütigen) oder nicht einen Kompromiss finden
Ich stimme Dir aber zu, ein Schüler als Richter mag auf den ersten Blick eine gute Lösung sein, aber sind die Schüler wirklich für so eine Aufgabe geeignet. Dazu braucht es ja meines Erachtes schon gehörig Charakterstärke, die schon manch Erwachsener nicht hat. Außerdem ist Richter schon ein Stück negativ belegt und die Anrufung von Gerichten und damit Richtern erfolgt ja schon inflationär.
Die Mediation finde ich auch die bessere Lösung. Denn in diesem Verfahren wird vermittelt, dass auch gütliche Einigungen möglich sind, auch wenn es dazu manchmal der Hilfe unbeteiligter Dritter bedarf.
Oh, ich meinte natürlich "nicht kompromittierend" statt "stets".
Eben das ist ja auch emine Meinung, bei der Mediation wird daruaf geachtet, dass beide Schüler das Gesicht behalten und sich entschuldigen können, ohne dabei zurückstecken zu müssen. Die Lösung soll stets so ausfallen, dass eine "Win-Win"-Situation entsteht.
Bei Richtern ist die Konnotation für mich die, dass es auf eine "Win-Lose"-Situation wie das halt bei Gerichten ist hinausläuft. Natürlich wird so auf irgendeine Weise ein Rechtsempfinden gefördert, handelt es sich zB um eindeutige Taten wie Diebstahl oder Gewaltanwendung.
Allerdings werden Kinder aus gutem Grund vor Gericht anders behandelt als Erwachsene. Meine Befürchtung wäre in Bezug darauf, dass eine Gerichtsverhandlung auf die Ebene einer echten, erwachsenen Verhandlung gehoben würde. Außerdem wissen wir alle, was für ein Bild von Gerichtsverhandlungen über das deutsche Fernsehen in letzter Zeit vermittlelt wird. Grade Kinder können da schon vorbelastet an die Sache herangehen und den durch RTL und Co. erzeugten Realitätsverlust als Grundlage für eine Konfliktlösung nehmen. Da muss ich ganz ehrlich sagen, das wäre eine Horrovorstellung, wenn sich solche Dämlichkeiten später im Klassenzimmer wiederfinden ließen.
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