Wenn Eltern ihr Kind wie ein Baby behandeln

vom 03.10.2009, 19:16 Uhr

Hallo,

in meinem Beruf als Kindergärtnerin erlebe ich es immer wieder mit, dass Eltern ihre Kinder wie Babys behandeln. Oftmals hat man den Eindruck, dass die Eltern nicht wollen, dass das Kind älter und selbstständiger wird und es daher von vorne bis hinten bedienen.

Ich habe momentan einen sehr extremen Fall in meiner Gruppe und wüsste nun gerne eure Meinung dazu. Der Junge muss zu Hause absolut gar nichts machen. Er wird mit seinen knapp 2,5 Jahren komplett von der Mutter angezogen- er streckt nicht mal seinen Arm in das T-Shirt!!! und muss noch nicht mal alleine essen! Nachdem er es nun gar nicht kennt, dass er alleine isst- egal ob mit den Fingern oder mit Besteck, trifft er nicht einmal seinen eigenen Mund.

Weiters trinkt er noch aus der Flasche und hat auch noch Windeln (das alleine wäre ja halb so wild in dem Alter). Ich bzw. auch meine Kolleginnen sind nun kurz vorm Verzweifeln und wissen absolut nicht, wie wir dem Kind weiterhelfen können, wenn die Mutter nicht mithilft.

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» Nipfi » Beiträge: 3076 » Talkpoints: 8,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Hallo!

Ich habe ja auch Erzieherin gelernt. Auch wenn ich schon lange nicht mehr in diesem Beruf arbeite, so ist es mir dennoch in Erinnerung, dass wir die eine oder andere Mutter auch kennengelernt haben, die sich ähnlich verhalten haben.

Wir haben die Mütter (es waren in den Jahren glaube ich 3 oder 4) dann zu einem Einzelgespräch gebeten und ihnen klar gemacht, was sie ihrem Kind mit dieser Verhaltensweise antun. Man musste für dieses Gespräch oft 2-3 Stunden einplanen, weil die Mütter ziemlich uneinsichtig waren. Aber wir haben ihnen auch vor Augen gehalten, was ein Kind in dem Alter können sollte.

Bei uns waren es Kinder ab 3 Jahre, wo auch da ein Kind dabei war, was sich nicht mal den Mund alleine abwischte. Es war wirklich traurig. Die Kinder wollten eigentlich auch mehr können, wurden aber durch die Mütter immer wieder zurückgehalten. Im Kindergarten haben die Kinder zwar schon viel gelernt, aber die Mütter haben es immer wieder zu Hause kaputt gemacht.

Ich denke, dass du ein intensives Gespräch mit der Mutter und der zuständigen Erzieherin helfen wird, Plant für das Gespräch ruhig mehrere Stunden ein und zeigt ihr auch anhand von Beispielen, was ein Kind können sollte, damit es in dieser Welt auch weiterkommt. Denn dem Kind tut man keinen Gefallen, wenn man ihm alles abnimmt und das Kind dadurch nicht selbstständig wird.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Mir ist gerade aufgefallen, dass ich unterbewusst meiner Tochter (zweieinhalb Jahre) auch sehr viel abnehme. Oft geschieht es aber auch aus einem Zeitdruck heraus. Da meine Tochter ein Trödellieschen ist und sie dann so lange herum zischt, bis der Bus uns fast vor der Nase davon fährt, geschieht es beispielsweise oft, dass ich sie anziehe, obwohl sie es eigentlich selber könnte.

Heute vor dem Schlafen gehen (das war ja schon gestern- ein Blick auf die Uhr verrät es mir), haben wir ein Experiment gestartet. Sie sollte sich versuchen, selber auszuziehen und selber das Pyjama (zweiteilig) anzuziehen. Sie zog also eine Jeanshose, die Tagsocken und den Pullover (hier musste ich etwas Hilfestellung beim Herausschlüpfen aus den Ärmeln geben), alleine ab. Was mich aber noch mehr erstaunte, war, dass meine Tochter ihre Pyjamahose ganz ohne Hilfe anzog, sowie die Socken und das auch ohne Gejammere. Beim Pyjamaoberteil waren wir aber ca. eine Viertelstunde dran. Ich ließ mich aber nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn sie enttäuscht war und ungeduldig schrie, dass es nicht ginge, sondern ließ sie so lange probieren, bis es klappte. Das Erfolgserlebnis war bei uns beiden unvorstellbar und als ich sie lobte, lachte sie herzlich und freute sich.

Ich nehme mir nun ebenfalls vor, meine Tochter selber machen zu lassen, wo es nur geht, auch auf die Gefahr hin, dass sie ungeduldig herum schreit, wenn etwas nicht gleich funktioniert. Den Mund abwischen tut sie sich übrigens selber und essen auch. Sag mal, ist denn der Junge aus dieser Phase wo er alles selber machen möchte schon heraus? Oder hatte er die gar nicht? Die ist doch für ein Kind lebenswichtig. So energisch wie meine Tochter immer darauf besteht, alles selber zu machen, lasse ich ihr gerne ihren Willen um weitere Schreiereien zu vermeiden und ich denke, das ist auch gut so und von der Natur so eingerichtet. Sonst würden die Kinder wahrscheinlich nie selbstständig.

Trocken ist meine Tochter übrigens auch noch nicht. Wir haben es eigentlich über einen längeren Zeitraum ohne Windeln versucht, sind aber nun daran gescheitert, dass es nicht klappt, wenn wir unterwegs sind oder sich meine Tochter woanders als zu Hause aufhält. Im Kindergarten oder bei anderen Betreuungspersonen geht sie leider nicht auf die Toilette. Wir wollen jetzt aber langsam wieder anfangen. Ich denke aber, ein Kind zu zwingen ist immer der falsche Weg, egal wie alt es ist. Es muss vom Kind selber aus kommen!

Im Allgemeinen kann ich nur dazu sagen: Führe so bald wie möglich ein Gespräch mit der Mutter und frage einmal nach, ob denn der Bub noch nicht in dieser Phase wäre, in der er alles selber machen möchte. Meine Tochter ist ja im selben Alter und sie hat das schon mindestens ein ganzes Jahr so, dass sie alles am liebsten selber machen möchte. Entweder ist meine Tochter einfach weiter voraus als Kinder in diesem Alter- ich denke aber eher, dass der betreffende Junge zurück geblieben ist bzw. von seiner Mutter von einer gesunden Entwicklung zurück gehalten wird.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich muß sagen das mich dein Post jetzt fast geschreckt hat, denn vieles das der 2,5 jährige nicht kann, kann meine einjährige Tochter schon.

Meine Tochter ißt schon alles alleine, sie mag esüberhaupt nicht wenn sie gefüttert wird. Meistens mit der Hand, hin und wieder auch schon mit dem Löffel oder der Gabel. Da ist sie recht geschickt. Zumindest das müßte ein Kind mit 2,5 Jahren schon können.

Beim Anziehen weiß sie schon genau das sie ihre Hand durch den Ärmel strecken muß. Sicher muß ich ihr überall helfen, das ist eh klar aber sie versucht schon alles alleine zu machen. Lustig ist es wenn ich ihr zusehe wie sie versucht sich einen Schuh anzuziehen.

Irgendwie war es sehr schön als sie noch ein kleines Baby war und auf Hilfe angwiesen, aber ich kann ja nicht erzwingen das sie ein Baby bleibt indem ich alles für sie mache. Sie muß irgendwann selbständig werden. Helfen könnt ihr dem Kind wahrscheinlich nur sehr wenig, denn so wie ich es herauslese will die Mutter das anscheinend ja nicht das ihr Kind selbständig wird.

Ich würde auch, wie bereits vorgeschlagen, ein Gespräch mit der Mutter führen. Ich würde ihr klar machen was sie dem Kind damit antut, denn es tut dem Kind nicht gut wenn es nicht zur Selbständigkeit erzogen wird. Leider wissen das viele Mütter nicht und meinen es nur gut mit dem Kind.

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» torka » Beiträge: 4376 » Talkpoints: 7,91 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich würde in einem solchen Fall auf jeden Fall zunächst das Gespräch mit den Eltern oder eben der Mutter des Kindes suchen. Denn wenn man etwas beobachtet, dann muss das nicht immer die vermuteten Ursachen haben, sondern es kann auch andere Ursachen haben. Dies kann man dann aber nur mit den Eltern klären - am besten natürlich ohne irgendwelche Vorwürfe der Person gegenüber, denn das verstärkt noch die Abwehrhaltung.

Klar sollte man ein Kind möglichst viel in Eigenregie tun lassen, auch wenn es dann meist etwas länger dauert und in der Regel auch noch Nacharbeit erforderlich ist. Aber genau das ist dann auch das Problem: nicht immer hat man die Geduld dazu. Das wiederum ist manchmal wirklich mangelnder Zeit geschuldet, manchmal aber auch der Bequemlichkeit. Vielleicht ist es aber auch wirklich so, dass manche Eltern mit dem Abschied von der Babyzeit hadern. Nur wenn man die Ursachen des Verhaltens der Eltern kennt, kann man ihnen auch wirklich Tipps geben.

Ob diese dann aber angenommen und umgesetzt werden ist wieder eine andere Sache. Ich kenne eine Mutter eines Dreijährigen die das partout nicht einsieht. Das kommt aber sicher selten vor.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich würde mit dieser Mutter mal ein ausführliches Gespräch führen. Schließlich muß das Kind ja wenigstens ein wenig selbständig werden.

Sicher sind manche Kinder schneller und andere langsamer aber ein wenig Selbständigkeit kann man mit 2,5 Jahren doch schon erwarten. Das es zumindest mit den Händen selber essen kann, oder aus einem Becher trinken. Das können zum teil ja schon kleinere Kinder.

Es ist aber oft so das Eltern es irgendwie nicht wahr haben wollen das ihr Kind größer wird und dadurch das sie alles für das Kind machen haben sie einfach das Gefühl das das Kind doch noch ein Baby ist. Ob das allerdings gut für das Kind ist, ist eine andere Frage.

» wiesel » Beiträge: 1303 » Talkpoints: 0,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Das ein Gespräch hier von Nöten ist, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Nur sollte man da eben aufpassen, wie man das Thema anbringt. Ich würde da in der Richtung machen, das man eben verschiedene Dinge bemerkt hat und fragen, ob das Kind durch Frühgeburt, Krankheit etc. etwas spät dran ist mit der Entwicklung. Damit kann man schon mal einen unterschwelligen Vorwurf vermeiden.

Sollte dies alles nicht der Fall sein, dann sollte man einfach die Mutter fragen, wie es denn der normale Tagesablauf zu Hause ist. Und dabei eben beim Thema anziehen, essen gezielt hinterfragen, ob man dem Kind da kein eigenständiges Handeln zutraut oder ob es vielleicht sogar die Eigenständigkeit verweigert.

Das Kinder in dem Alter zumindest allein Essen und sich zu weiten Teilen auch alleine anziehen könnten, sollte schon Normalzustand sein. Nur kann es eben auch viele Gründe geben, warum ein Kind das eben noch nicht kann. Und die gilt es in erster Linie zu finden, denn erst dann kann man Möglichkeiten suchen, um das Kind entsprechend zu fördern.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich habe vergangenes Jahr ein Sozialpraktikum in einer Kita im Norden Hamburgs absolviert. Die Kinder waren dort zwischen zwei und sechs Jahren. Weder die zweijährigen Kinder noch die älteren Kinder sind sonderlich gut "alleine zurechtgekommen". Man musste immer sehr viel Hilfestellung leisten und dafür ist ganz grundsätzlich die meiste Zeit drauf gegangen. Teilweise haben die dort etwa 30-60 Minuten gebraucht, bis die Kinder mal richtig drin waren, nachdem sie draußen gespielt hatten, weil sich erst mal alle ihre Jacken und Schuhe ausziehen und dann die Hausschuhe anziehen mussten. Es sind so viele Kinder dabei gewesen, die nichts davon alleine konnten.

Ich, als Praktikant, den man schön ausbeuten kann, durfte diese ganze Anzieh- und Ausziehkomponente alleine praktizieren. Wenn die Kinder z.T. nach 30-60 Minuten immer noch nicht abgefertigt worden sind, bekam ich die Beschwerden. Leute, ich habe selbst keine Kinder, geschweige denn bin ich sonderlich geübt darin, fremde Menschen anzuziehen. Dass das bei mir mitunter doppelt so lang gedauert hat, ist doch nachvollziehbar.

Trotzdem finde ich es wirklich heftig, dass Ihr Euch bereits über 2,5-Jährige mokiert. Ich fand es in meinem Kindergarten mit den fast 60 Kindern einfach katastrophal, dass selbst die Fünf- und Sechsjährigen kaum etwas konnten. Bei 1-3-Jährigen hätte ich das eventuell noch gar nicht erwartet.

Dass sich Fünf- oder Sechsjährige einnässen, ist in der Tat ziemlich "krass". Das habe ich bei dem einen Kind mehrmals erlebt. Tja, wer durfte das Kind umziehen gehen? Ich natürlich.

Dass Ihr Euch aber ob der Unselbstständigkeit aufregt, kann ich verstehen. Man hat schlichtweg als Erzieher zu viel zu tun und kann sich dem Wesentlichen nicht mehr widmen. Das Wesentliche darf nicht darin bestehen, dass man Stundenlang damit zubringt, die Kinder an- und auszuziehen!

» Hellen » Beiträge: 17 » Talkpoints: 0,13 »


Ich kann mir vorstellen wie schwer es einer Mutter fällt ihr Baby los zu lassen. Ich bin selbst eine Mama und hatte es auch schwer. Manchmal sind die Kinder von der Motorik aber auch nicht so fit und von daher können es manche echt nicht. Mein Sohn (5) hat auch noch Zwillinge-Freunde die sich nicht alleine anziehen. Sie machen fast noch nichts.

Man muss seinen Schweinehund überwinden und akzeptieren das aus Babys Kleinkinder werden und aus Kleinkinder Kindergartenkinder und die werden wieder zu Schulkindern.

Das geht sehr schnell und manchmal uns Müttern zu schnell. Meine Söhne sind sehr selbständig in manchen Dingen. Aber eine Windel hat mein 5 Jahre alter Sohn auch noch. Er wird in der Nacht halt nicht trocken. Aber die ziehe ich ihm mit Sicherheit nicht an um mein "Baby" zu erhalten!

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» MoneFö » Beiträge: 2938 » Talkpoints: -3,73 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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