Kinofilm 'Der Junge im gestreiften Pyjama'

vom 02.10.2009, 08:10 Uhr

Ich habe letzte Woche endlich den Film 'Der Junge im gestreiften Pyjama' gesehen, den ich schon monatelang sehen wollte. Ich habe zuvor das Buch gelesen, allerdings in der Originalfassung und fand, dass der Film sehr gelungen ist. Die Schauspieler - insbesondere Bruno und seine Mutter - sind grandios ausgewählt und ich mag, dass es im Film ganz genauso aussieht wie ich es mir beim Lesen des Buches immer vorgestellt habe.

Trotzdem fand ich den Film unglaublich ergreifern und sehr viel mehr, beinahe, unerträglicher als das Buch. Am Ende war ich, obwohl ich ja schon wusste, wie es ausgeht, sehr ergriffen und auch viele Stunden später noch konnte ich kaum an etwas Anderes denken. Wer hat den Film denn gesehen? Fandet ihr, dass er genauso gut oder schlecht ist wie das Buch?

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich habe sowohl das Buch gelesen als auch den Film gesehen, da beides Teil einer meiner wissenschaftlichen Arbeiten war.

Wie du schon geschrieben hast, spielt die Geschichte sehr stark mit den Gefühlen der Rezipienten, wobei dies in der Verfilmung noch stärker der Fall ist, als im Buch. Das Hervorrufen von Emotinen ist an sich immer gut, weil damit der Leser oder Zuschauer viel stärker involviert wird und sich möglicherweise auch noch im Nachhinein Gedanken macht und eventuell Konseqenzen für sein eigenes Leben zieht. Natürlich wird über solch emotionalen Geschichten auch gerne diskutiert, wie hier zum Biespiel.

Was mir an dem Film (und Buch) aber überhaupt nicht gefallen hat, ist die Verdrehung der Opferrolle. Ich finde, es kann nicht sein, dass man als Zuschauer am Ende mit einem Nationalsozalisten, der als Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz für den Tod zehntausender Menschen verantwortlich war, mittrauern soll, weil sein Sohn durch einen unglücklichen Zufall in eine der Gaskammern gelangt ist und dies nicht überlebt.
Ich finde in dieser Hinsicht hat sich der Autor John Boyne viel zu wenige Gedanken gemacht. So gut wie die Geschichte am Anfang noch ist, das Ende ist meiner Meinung nach keinem zumutbar, da es der heutigen Generation ein teilweise falsches Geschichtsbild vermittelt. Was zum Beispiel sollen viele jüdische Menschen dazu sagen, wenn auf einmal das Schicksal ihrer Vorfahren zugunsten einer Nazi-Familie aus dem Blickfeld gerät?

Dennoch würde ich das Buch meinen Kindern oder in der Schule lesen lassen und mit Sicherheit auch einige Filmausschnitte begleitend zeigen, aber nur unter der Voraussetzung, dass ich dabei auch auf die Täter-Opfer-Perspektive ausführlich eingehe, die ich oben knapp mal erklärt habe.

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde es total komisch, dass der Film oder das Buch bei dir am Ende ausgelöst hast, dass du das Gefühl hattest, du müsstest mit dem Vater mittrauern. Bei mir schlich sich genau das gegenteilige Gefühl ein. Ich dachte: Gut so. Das hast du verdient.

Ich glaube deshalb nicht, dass das ein Problem war, der der Autor hatte, sondern ich denke, es ist ein Interpretationsfehler und wenn das Gefühl bei dir tatsächlich ausgelöst wurde, bist du dafür selbst verantwortlich. Die Leute, mit denen ich das gesehen habe, waren alle der selben Meinung: Wir fanden gut, was ihm apssiert ist, weil wir fanden, dass es ihn hätte schlimmer nicht treffen können. Und das war gerade schlimm genug.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Hallo Sippschaft,

ich habe es damas ähnlich wie du empfunden, aber viele, gerade jüngere Menschen, das haben einige Berichte gezeigt, neigten doch dazu, in erster Linie mit der Mutter (übrigens stimme ich dir da zu, dass diese grandios von Vera Farmiga gespielt wird) und auch dem Vater um ihren verlorenen Sohn zu trauern.

Denn der Vater tritt ja in dem Film auch nicht so offensichtlich als Verbrecher auf, der er eigentlich war. Die Geschichte wird sowohl im Buch als auch im Film ja hauptsächlich aus der "naiv-kindlichen" Sicht Brunos erzählt, die nicht die Grausamkeiten kennt. In dem Film wird mal ein tollpatschiger Jude geschlagen, in Schindlers Liste hingegen kaltblütig vom Kommandanten erschossen (nur mal so als ein Beispiel. Erwachsene durchschauen das Ganze relativ schnell, aber ab welchem Alter kann man es Kindern zutrauen, dass sie die schwere der Verbrechen, die Brunos Vater begeht, durchschauen und dann keine Trauer für ihn und seine Frau empfinden?

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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