Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer von Michael Ende

vom 20.09.2009, 17:01 Uhr

Generationen von Kindern haben sich seit mehr als vierzig Jahren zusammen mit dem kleinen Jim und dem großen Lukas gefreut, mit ihnen gelacht, geweint und sich gegruselt. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, spätestens seit dem Erfolg der Augsburger Puppenkiste jedem bekannt, ist eine der faszinierendsten Geschichten der deutschen Kinder- und Jugendbuchliteratur.

Aber eignet sich der aus Kinderaugen so dermaßen „alte“ Stoff wirklich auch heute noch zum Vor- und Selberlesen? Sind die übermittelten Werte nicht vielleicht überholt, veraltet, längst nicht mehr gültig, ist es falsch seinem Kind ein solches Buch vorzulesen? Diese Fragen stelle ich euch, was sagt ihr dazu? Und auch ich werde mich gleich an einer Beantwortung versuchen.

Verantwortlich für das mehrfach ausgezeichnete Werk ist Michael Ende, dem wahrscheinlich jeder für die Unendliche Geschichte ein inneres Denkmal gesetzt hat. Die Geschichte war ursprünglich als Bilderbuchtext gedacht und entstand erst mit dem Buch, ohne jedes Konzept. Liebevolle Erzählerkommentare, die er beiläufig erklingen lässt, sind dabei stete Wegbegleiter und helfen, das Geschehen zu verbildlichen. Und nicht erst seit dem Techno-Musikstück „Eine Insel mit zwei Bergen“ ist das Stück mitreißend für alle Altersklassen, ob sechs, sechzehn oder sechzig.

Das hauptsächliche Augenmerk liegt aber natürlich immer noch im Bereich der Kinder, was der Autor meiner Meinung nach hervorragend umsetzt, indem er immer wieder die für Kinder so typische Frage nach dem Warum einfließen lässt – warum man in einem so kleinen Land überhaupt eine Lokomotive braucht und so weiter. Ende versteht das Kindsgemüt vollkommen und schafft es, sich mit Witz und Charme um eine vernünftige, „erwachsene“ Antwort herumzuhangeln.

Wer aber jetzt meint, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, das wäre ein bloßes Buch zur Unterhaltung, der hat Unrecht. Denn auch moralisch hat es einiges zu bieten – ja, Jim Knopf vermittelt meines Erachtens nach Werte, die auch heute noch von großer Aktualität und Wichtigkeit sind, wie zum Beispiel die Hautfarbenfrage oder generell Vorurteile gegenüber Menschen, die man überhaupt nicht kennt.

Dabei predigt Michael Ende allerdings nicht, er mahnt ohne erhobenen Zeigefinger und schafft es so, eben diese Werte spielerisch zu vermitteln, lässt die Kinder mit den Figuren fühlen, wie zum Beispiel auch mit dem kleinen Nepomuk, der nicht in die Drachenstadt darf, weil er nicht reinrassig ist (er hat nämlich ein Nilpferd zur Mutter).

All diese Wesen wachsen den Kindern im Laufe der Geschichte richtig ans Herz (und nicht nur den Kindern), es macht Spaß, dem Verlauf der vielen Abenteuer zu folgen, wie der Fahrt durch den Mund des Todes oder durch das Tal der Dämmerung, besonders da Michael ende sich Mühe gegeben hat, sich für all seine Figuren und Orte exakt passende Namen auszudenken, die ihre Atmosphäre und Charaktere einfach perfekt beschreiben.

Und ganz nebenbei erfährt man beim Lesen des Buches vor allem, dass zur Überwindung von Gefahr und Bösem vor allem Verstand anstatt Gewalt von Nöten ist – und diese Werte kann man meiner Meinung nach nun wirklich nicht als überholt bezeichnen. (allerdings sollte man darüber nachdenken, in jeder Auflage dieses Werks Jim Knopf nicht einen kleinen „Negerjungen“ zu nennen, auch wenn dies vom Autor natürlich keineswegs rassistisch gemeint ist).

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» koeniglich » Beiträge: 370 » Talkpoints: 0,50 » Auszeichnung für 100 Beiträge



koeniglich hat geschrieben:(allerdings sollte man darüber nachdenken, in jeder Auflage dieses Werks Jim Knopf nicht einen kleinen „Negerjungen“ zu nennen, auch wenn dies vom Autor natürlich keineswegs rassistisch gemeint ist).

Das finde ich ganz großen Quatsch! Man ändert doch keinen literarischen Text, nur weil dort Worte verwendet werden, die heute einen anderen Beiklang haben. Würdest du diese Worte in einem Neudruck klassischer Texte von Goethe oder Schiller auch ersetzen? Wenn es sich um ein Lehrbuch handeln würde, dessen Inhalt sich sowieso mit jeder Neuauflage ändert, wäre das in Ordnung, aber "Lukas und Jim Knopf" ist eben ein Roman, der auch in einer bestimmten Zeit mit einem eigenen Kultur- und Sprachverständnis geschrieben wurde - den Text kann man nicht ändern.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Der Vergleich von "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" mit Werken von Goethe und Schiller hinkt ein bisschen stark. Ich würde beispielsweise "Faust" oder "Wilhelm Tell" nicht meinem kleinen Kind von sechs Jahren vorlesen. Wenn Personen in das Alter kommen, in dem sie wirklich in der Lage sind, Goethes und Schillers Werke zu verstehen, sind sie auch alt genug, zu wissen, welche Begriffe man benutzt und welche absolut tabu sind, nach der Vergangenheit, die ein Großteil der schwarzen Bevölkerung in Amerika durchleiden musste.

Wenn allerdings ein sechsjähriges Kind Michael Endes Buch vorgelesen bekommt, am Anfang seiner Entwicklung, am Anfang seines Bildungsweges, so bekommt es den Eindruck, als wäre ein Wort wie "Negerkind" vollkommen okay, normal und angebracht. Ich möchte nicht die Reaktion dunkelhäutiger Eltern miterleben, wenn eben dieses sechsjährige Kind ihre Tochter ein "Negerkind" nennt.

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» koeniglich » Beiträge: 370 » Talkpoints: 0,50 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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