Was passiert mit der Kirchensteuer?

Ich bin noch relativ unerfahren und kann von Glück reden, noch keine Kirchensteuer zu zahlen. Es wird aber sicher nicht mehr lange gehen und mein Einkommen wird einfach geschätzt werden und dann ein Beitrag ausgerechnet werden, der ich zu zahlen habe, ob ich möchte oder nicht.

Nun würde mich aber schon interessieren, für was ich da eigentlich zahle und warum man bei jeder Beerdigung und sonstigen Anlässen wie Taufe, andauernd noch den Opferstock füllen muss und sich schief angucken lassen muss, wenn man kein Geld hinein wirft. Wohin kommt das ganze Geld?

Man zahlt so oder so Kirchensteuer, egal ob man sie direkt entrichten mussen oder gar kein Kirchenmitglied ist, denn der Staat zahlt praktisch den Kirchen noch einmal das extra aus Steuermitteln (die jeder aufbringt) drauf, was sie so reinbekommen. Heißt: Bekommt die Kirche beispielsweise 2 Milliarden Euro durch die Kirchensteuer schießt der Staat aus den Steuern die alle aufbringen müssen nochmal 2 Milliarden dazu. Wir haben halt in Deutschland nach wie vor keine Trennung von Kirche und Staat .

Und wohin das ganze Geld fließt? Na das kann man online sogar bei den Kirchen nachsehen, auch wenn es da Unterschiede zwischen katholischer und evangelischer Kirche gibt:
Katholische Kirche
- Kosten fürs Personal: ca. 60% (2,46 Milliarden Euro)
- Kosten für die Verwaltung: ca. 10% (410 Millionen Euro)
- Kosten für die Erhaltung und Neubau der Kirchen: ca. 10% (410 Millionen Euro)
- Kosten für Schule und Bildung: ca. 10% (410 Millionen Euro)
- Kosten für Soziale Projekte, Soziales und Caritatives: ca. 10% (410 Millionen Euro)

Evangelische Kirche
- Kosten fürs Personal: ca. 70% (3,01 Milliarden Euro)
- Kosten für die Verwaltung: ca. 10% (430 Millionen Euro)
- Kosten für die Erhaltung und Neubau der Kirchen: ca. 10% (430 Millionen Euro)
- Kosten für Schule und Bildung, Soziale Projekte, Soziales und Caritatives: ca. 10% (430 Millionen Euro)

Und dahin geht eben das ganze Geld. Auf gut deutsch: 90 % des Geldes gehen in den Selbsterhalt der Kirchen und 10 % (bzw. nur 5 %, da jeweils die Hälfte alle Steuerzahler, auch nicht-christliche, zahlen) gehen für soziale Arbeit usw. drauf.

Ehrlich gesagt finde ich die Aufschlüsselungen der Kirchen, wofür sie ihr Geld ausgeben nicht sehr aussagekräftig.

Da wird z.B. zwischen den Kosten fürs Personal und die Verwaltung differenziert. Hallo, wer sitzt denn in der Verwaltung? Genau, Personal. Sind die Kosten für Verwaltungspersonal nun bei Personal oder bei Verwaltung ausgewiesen? Viel sinnvoller wäre es, durchgehend aufzuschlüsseln, für welche Zwecke/Tätigkeiten das Geld verwendet wird und auf welcher Ebene.

Wie viel Geld geben die Gemeinden selbst aus? Wie viel übergeordnete nationale Organisationseinheiten? Und wie viel fließt ins Ausland bzw. nach Rom? Wie viel Geld wird zur Erhaltung der Kirchen ausgegeben? Was wird für Schule und Bildung ausgegeben (ohne Staatszuschüsse)? Was für regionale soziale Einrichtungen?

Ich habe jetzt zu diesem Thema intensiv gegoogelt. Die einzige wirklich sinnvolle Aussage war, dass beide Kirchen zusammen in 2007 rund 9 Mrd. Euro Kirchensteuer eingenommen haben. Die Aufschlüsselungen der Kirchen selber sind eigentlich nur eine Farce. Man könnte das auch als Nebelbomben bezeichnen. Genauso sind die Zahlen, die Kirchenkritiker veröffentlichen, nicht zu gebrauchen. Man muss sich wohl schon extrem intensiv mit der Materie beschaffen, um da etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Und wenn etwas im Dunkeln ist, bin ich eigentlich immer misstrauisch.

Die Aussagen sind durchaus aussagekräftig - Personal ist logischerweise all das Personal (BWL) welches nicht in der Verwaltung involviert, sondern für die Kirche direkt tätig ist. Das sind z. B. Pfarrer, andere kirchliche "Angestellte" und deren Personal (Haushälterinnen). Die kirchliche Verwaltung bzw. deren Bürokratie macht mittlerweile den größten Teil der durch die Kirche beschäftigten Personen aus - dies wird auch innerkirchlich stark kritisiert, dass dem "wucherndem" Verwaltungsapparat kein echter Riegel vorgeschoben wird während es zeitgleich immer öfter zur Zusammenlegung von Gemeinden aus Kostengründen kommt.

Wieviel Geld die Gemeinden selbst ausgeben ist dahingehend auch total sinnlos und nicht nachvollziehbar, da das Budget über die übergeordneten Verwaltungseinheiten verteilt und verwaltet wird. Hier hat keine Gemeinde 5.000 Euro zur Verfügung, über die sie nach Gutdünken entscheiden kann, sondern die Projekte und Kosten müssen von oben genehmigt werden. Konkret heißt das, dass z. B. Pfarrer für fast alle kostenaufwändigen Projekte sich zuerst die Zustimmung und die Finanzierung seitens des Bistums holen müssen.

Wieviel Geld zur Erhaltung (und den Neubau) ausgegeben wird ist ebenfalls aufgeschlüsselt. Da der Neubau gering ausfällt, siehe entsprechende Statistiken dazu, geht der Großteil für die Erhaltung drauf. Momentan gibt es pro Jahr mehr Schließungen als jemals zuvor - die Kosten können somit fast ausschließlich als Erhaltungskosten gewertet werden.

Und die Zahlen, auf die sich Kirchenkritiker berufen, sind eben die von der Kirche selbst veröffentlichten! Deine Forderung ist dahingehend völlig abstrus, da kein Unternehmen, auch die Kirche in diesem Sinne nicht, so genau für externe Interessierte ihre Kosten aufschlüsselt. Du kannst ja mal in die Bilanzen von AGs Einblick nehmen (geht ja online) - dort steht auch nicht penibel aufgeschlüsselt, wieviel Kosten für BGA z. B. jetzt konkret auf neue PCs und wieviel auf neue Bleistifte entfällt (was auch irgendwo nachvollziehbar ist - zumindest bei Firmen).

Die Kirche hat kein echtes Interesse daran (und eben auch keinen Zwang dazu), konkrete Zahlen zu veröffentlichen oder gar zu benennen - einfach aus dem Grund, da diese nicht gerade für sie sprechen.