Freunde / Bekannte, die nicht lesen können

vom 18.08.2009, 09:23 Uhr

Mich interessiert, ob es in eurem Bekanntenkreis Menschen gibt, die nicht richtig lesen können und wie ihr davon erfahren habt oder ob es vielleicht sogar nur eine Vermutung eurerseits ist. Habt ihr diese Leute einfach darauf angesprochen und ihnen Hilfe angeboten?

Ich habe das Gefühl, dass eine nahe Angehörige große Probleme mit der deutschen Sprache hat. Früher ist mir das gar nicht so aufgefallen, aber in letzter Zeit passiert es immer wieder, dass mir Situationen auffallen, in denen ich davon überzeugt bin, dass sie uns etwas vorspielt. Wenn wir beispielsweise zusammen etwas essen gehen und es darum geht, die Speisekarte zu lesen, dann sagt sie fast jedesmal sie habe ihre Brille vergessen und sie könne ohne ihre Lesebrille auf die Entfernung gar nichts lesen und dann muss immer jemand anderes ihr sagen, was es zu essen gibt. Auch sonst ist mir nie eine Situation eingefallen, in der sie mal etwas richtig gelesen hat. Als ich ihr vor zwei Jahren ein Buch schenkte, fragte ich sie (zugegeben, auch etwas zum Test!) später wie es ihr gefallen habe, aber sie sagte, es sei ihr etwas langweilig geworden und sie fand es so schlecht, dass sie aufgehört habe schon ganz am Anfang.

Nun weiss ich nicht, ob ich sie einfach mal fragen soll, ob sie möglicherweise nicht lesen kann. Aber ich denke, sie reagiert darauf erstmal sehr entsetzt und ich bin mir vor allem auch gar nicht sicher, ob das stimmt. Wenn nicht, ist es ja schon ziemlich peinlich für mich.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Es ist sicherlich auch nochmal ein Unterschied, ob man nicht lesen kann, also gar nicht, oder ob man Probleme damit hat. Manche haben nämlich eine LRS (Lese-Rechtschreibe-Schwäche).Dadurch lesen sie langsamer, holpriger und überhaupt. Es kann durchaus sein, dass deine Bekannte dieses Problem hat. Dann liest man nämlich auch nicht die Karte gerne, weil es einfach mal viel zu lange dauert - und dann kämen ja Fragen auf und das will der eine oder andere nicht.

In diesem Falle sollten die Betroffenen aber auch einsehen, dass man da mit professioneller Hilfe was machen kann. So eine Schwäche merkt man ja schon in der Schule, wobei ich nicht weiß, wie alt deine Bekannte ist. Früher war das ja nicht so bekannt. Bei meinem Bruder wurde das schnell festgestellt. Er hat dann 2 Jahre lang einen Kurs mitgemacht und nun ist das Problem gelöst. Mein Vater hingegen schreibt heute noch nicht Urlaubskarten selbst. Natürlich, weil seine Schrift angeblich keiner lesen kann.

Ansonsten kenne ich niemanden, der gar nicht lesen kann. Diejenigen mit einer LRS hingegen schon. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es ratsam ist, deine Bekannte direkt darauf anzusprechen. Vielleicht solltest du mal jemanden fragen, der ihr sehr nahe steht? Mann oder Kind oder so?

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Diejenigen Analphabeten unter uns können ihre Schwäche so gut verstecken, dass kaum einer überhaupt darauf kommen würde, dass er nicht lesen oder schreiben kann. Es gibt Menschen unter uns, die sich geschickt, bis ins hohe Alter durchmogeln und keiner merkt etwas davon. Diejenigen haben auch die Schule besucht und nicht mal die Lehrer kamen drauf. Das zumindest wurde mal in einem Artikel in der Apotheken Umschau geschrieben.

Wie das funktionieren soll, dass man sich ohne Lesen und Schreiben zu können so durchmogeln kann, dass nicht mal Lehrer und engste Angehörige was merken, ist mir selber ein Rätsel und ich kenne keinen in meinem Bekanntenkreis. Zumindest ist es mir nicht bewusst, dass ich jemanden kenne. Aber vielleicht kennt man wirklich jemanden ohne zu wissen, dass er Analphabet ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich kenne sehr viele Leute die nicht lesen und schreiben können, bzw. nur ganz wenig. Die Familie meines Mannes kommt aus Serbien, aus ärmlichen Verhältnissen. Meine Schwigermutter kann nicht lesen, da sie als Mädchen die Schule nicht besuchen durfte bzw. schon ihre Mutter nicht einmal das Notwendigste hatte sie in die Schule zu schicken. Mein Schwiegervater hat schon eine Grundschule besucht, den als Bursche musste er wenigstens lesen und schreiben können bzw. rechnen. Ich denke mir aber das er sicher nicht mehr wie 5-6 Schuljahre hat.

Mein Mann wurde leider auch so groß, er hat nur 4 Schuljahre, das Geld reichte nicht zu mehr. Bzw. seine Mutter war auch nicht so dahinter, das er seine Schulbildung macht. Seine beiden Schwestern haben glaube ich nur je 2-3 Schuljahre. Mein Mann hat als er dann nach Österreich kam, bzw. als er dann mit mir verheiatet war, eine Schule besucht, damit er wenigstens lesen und schreiben kann.

Er kann leider aber nur die Druckschrift, Schreibschrift fällt ihm sehr schwer, aber komischerweise kann er sehr gut rechnen und das ist mir schon bei vielen Analphabeten aufgefallen, das sie sehr gut rechnen können. Meine Schwiegermutter kann gerade einmal ihre Unterschrift und genauso die Tante meines Mannes. Leider muss ich dann immer mit ihr mitgehen, wenn sie etwas erledigen muss, weil sie sich dafür schämt, das sie nicht lesen und schreiben kann. Da schiebt sie es auch gerne auf die fehlende Brille.

» Redangel » Beiträge: 1289 » Talkpoints: 2,82 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



In Deutschland ist Analphabethismus eigentlich kaum mehr ein Thema, da laut Volksmund jeder in der Grundschule lesen und schreiben lernt. Schade ist, dass dabei keiner an Emmigranten oder andere "Sonderfälle" denkt. In meinem Bekanntenkreis gibt es ein Mädchen (17), die als 7-jähriges Kind, einen sehr schweren Autounfall hatte und daher die Grundschule nicht besuchen konnte. Sie lag mehrere Jahre im Koma und musste erst wieder laufen lernen.

Erst mit 14 Jahren besuchte sie dann einen Kurs für Analphabethen um das nachzuholen, was sie in der Grundschule verpasst hatte. Mittlerweile besucht sie die 7. Klasse der Sonderhauptschule, was wirklich ein großer Fortschritt ist. Dir würde ich raten, noch ein wenig auf weitere Hinweise zu warten. Erst wenn noch ein paar Anzeichen auf eine mögliche Leseunfähigkeit bei deiner Bekannten aufgetaucht sind, kannst du sie (vorsichtig!) darauf ansprechen und ihr anbieten, ihr zu helfen. Viel Erfolg!

» Gisela » Beiträge: 12 » Talkpoints: 0,05 »


Ich kenne Menschen, in der Verwandtschaft meines Lebensgefährten, die eine Lese-Rechtschreib-Schwäche haben. Es ist eigentlich eindeutig und sie machen da auch kein Geheimnis daraus. Wenn sie irgendwo etwas lesen sollen, verlesen sie sich öfters oder lesen sehr stockend oder verstehen, vielleicht vor Anstrengung durch das Lesen, den Sinn kaum mehr. Und beim Schreiben gibt es andauernd massenhaft Rechtschreibfehler.

Ich habe dann auch einmal, allerdings höflich, gefragt, ob sie da vielleicht mal etwas dagegen machen möchten. Eine dieser Personen geht noch zur Schule und ich hatte da eben einige Bedenken, ob das so mit dem Schulabschluss klappen kann.

Leider kam das natürlich, wenn auch unter vier Augen und eigentlich sehr höflich und freundlich geäußert, nicht gut an. Das gab im Grunde nur massenhaft Familienstreit. Seitdem tut es mir zwar immernoch ein wenig Leid, wenn man so will, aber ich sehe es auch nicht mehr ein, mir Ärger zu machen, wenn andere Leute einfach daran nichts ändern wollen.

Ich glaube, um etwas ändern zu können, müsste in dieser Familie ein anderes "Klima" vorherrschen. Es ist aktuell leider so, dass da eben einige sehr gut lesen und schreiben können und dann auch ihr Abitur gemacht haben und studieren, und gleichzeitig gibt es einige, die fast gar nicht lesen und schreiben können, und das wird auch einfach so hingenommen, mit Sprüchen wie "Jeder Mensch ist eben anders, da kann man nichts gegen machen". Bemühungen, dass alle in der Familie zumindest halbwegs lesen und schreiben können, gibt es da nicht. Das finde ich traurig, aber da bin ich auch irgendwie machtlos gegen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


In meinem Bekanntenkreis gibt es niemanden, der nicht richtig lesen kann und ich glaube auch nicht, dass es heutzutage noch so viele Menschen von dieser Sorte gibt, die Schulpflicht gibt es schließlich schon eine gewisse Zeit.

Um ehrlich zu sein, finde ich es ein wenig weit hergeholt, aufgrund von den Ereignissen, von denen du erzählt hast, direkt davon auszugehen, dass jemand nicht lesen kann beziehungsweise es zu vermuten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sie keine besonders guten Augen hat und deshalb die Speisekarte nicht lesen konnte. Wieso schließt du aus, dass das Buch ihr wirklich nicht gefallen hat. Wenn du wirklich glaubst, dass sie nicht lesen kann, finde ich echt ziemlich fies, ihr ein Buch zu schenken.

Selbst wenn sie nicht lesen kann, was bringt es dir, wenn du sie fragst. Kann sie doch lesen, ist das für dich ziemlich peinlich und sie wird sich sicher auch vor den Kopf gestoßen fühlen, verständlicherweise. Und wenn sich herausstellt, dass sie nicht lesen kann, dann hast du davon auch nichts, es würde ihr wahrscheinlich nur ungeheuer peinlich sein. Also würde ich einfach gar nichts sagen.

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» JulietMay » Beiträge: 1078 » Talkpoints: -0,56 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kenne niemanden aus meinen Bekanntenkreis, der nicht lesen kann oder bei dem mir das Verhalten so vorkommt als könne er nicht lesen. Ich denke, dass es schon ziemlich auffällig ist, weil man ja nicht immer die Lesebrille vergessen kann. Es kann natürlich aber auch wirklich nur eine Aneinanderreihung von Zufällen sein.

Ich denke, dass es auch schwierig ist eine Person darauf anzusprechen. Sie wird es abstreiten und sich zurückziehen und damit hat man ja nichts geschafft. Du kannst eben mal so Andeutungen in die Richtung machen und sehen wie sie reagiert. Du kannst deine Hilfe aussprechen, aber dann wird sie selber sehen müssen, was sie macht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es ist natürlich schon ein Risiko, diese Frau zu fragen. Sicher möchtest du deine Hilfe anbieten, aber ich denke, dass ich in der Situation nicht fragen würde, wenn ich mir nicht zu 100% sicher bin. In meinem direkten Umfeld gibt es niemanden, der nicht lesen und schreiben kann. Zumindest wüsste ich nichts davon. In der Apotheke, in der ich arbeite, gab es aber mal einen Kunden, bei dem ich dies vermutet habe. Bei einem Bogen, den er wegen einer Gefahrstoffabgabe ausfüllen sollte, machte er einen riesigen Aufstand, dass er Chemiker sei und das nicht ausfüllen würde.

Außerdem musste er bei mir mal etwas unterschreiben, weil er etwas ohne Abholschein abholte. Dort machte er dann die berühmten drei Kreuze. Da wusste ich gar nicht, wie ich reagieren sollte. Danach kam er auch nicht mehr lange als Kunde in die Apotheke, weil er wohl vermutete, dass ich sein "Geheimnis" durchschaut habe und ihm das unangenehm war.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


In meiner letzten Firma gab es tatsächlich einen Mitarbeiter, der weder lesen noch schreiben konnte. So ohne weiteres konnte man das aber nicht erkennen, weil er im Transport tätig war und einfach nur Dinge innerhalb der Firma von A nach B getragen hat. Ich habe mal mit einer Kollegin über ihn gesprochen und sie erzählte mir dann, dass er beides nicht kann. Ich war da schon sehr verwundert, weil ich so einen Fall bisher noch nie persönlich gehabt habe. Ich fand es dann aber doch interessant, dass er sich doch irgendwie durchboxt. Man hat ihm wohl auch schon mal angeboten Unterricht zu geben, aber das wollte er nicht.

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» Zohan » Beiträge: 4398 » Talkpoints: 16,33 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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