Gaunerzinken / Bettlerzinken

Gestern habe ich im Fernsehen von "Gaunerzinken" (oder auch Bettlerzinken) gehört. Das sind Zeichen, die Einbrecher oder Bettler z.B. mit Kreide auf die Haustüren malen um anderen Bettlern Hinweise zu geben. So sieht das z.B. aus: Gaunerzinken

Im Fernsehen wurde empfohlen, diese Zeichen wenn man sie sieht sofort zu entfernen. Oder man soll das Zeichen für "Hier gibt es nichts" auf die eigene Haustür malen.

Habt ihr sowas schon mal irgendwo gesehen oder zumindest davon gehört? Ich hab davon gestern zum ersten Mal gehört und war irgendwie richtig geschockt. Die Zeichen fallen kaum auf an den Haustüren, werden teilweise sogar in die Unterseite des Türgriffes eingeritzt und informieren dann jeden (der sich damit auskennt) über den Zustand.

Ein gleiches Thema gab es hier schon einmal, aber ich finde es grade irgendwie nicht. Es gibt aber keinen Grund, wegen dieser Internetseite oder irgendwelchen Sommerlochberichten panisch zu werden. Erstens ist es ein weitestgehend österreichisches/ wienerisches Phänomen. Gaunerzinken treten zwar europaweit auf, aber besonders um Wien herum scheinen sich Beobachtungen zu konzentrieren.

Zweitens ist die Gaunerschrift längst nicht mehr aktuell. Sie stammt aus Bettlerkulturen des 18./19. Jahrhunderts und ist heutzutage in entsprechenden Kreisen längst vergessen, gegebenenfalls wird sie höchstens noch von älteren Obdachlosen verwendet. Das bedeutet aber nicht, dass im Kleinkriminellen oder Bettlermilieu nicht andere Marker benutzt werden. Im Zeitalter von Internet, GPS und so weiter, gibt es da aber weitaus effektivere Mittel, als Kreidezeichen.

Und Drittens sind Zeichen oder Symbole, die es in die Boulevardmedien schaffen schon vor dreißig oder zwanzig Jahren in wissenschaftlicher Literatur niedergeschrieben worden. Im alljährlichen Sommerloch wird sowas dann gerne herausgekramt. Wenn es Bedeutungen von Zeichen aber überhaupt erstmal in Fachliteratur geschafft hat, ist davon auszugehen, dass sie spätestens ab dann nicht mehr benutzt wird.

Wie gesagt, das Fernsehen hätte auch einen brandaktuellen Fall bringen können, dass die Mauer gefallen ist - dies wäre dann wenigstens etwas aktueller gewesen, als die Tatsache, dass Kleinkriminelle oder fahrende Gegenkulturen ein Zeichensystem zur Verständigung nutzen. Sollte von derartigen Zeichen aber wirklich irgend eine Gefahr ausgehen, dann würde die Polizei diesbezüglich auch Aufklärungsarbeit leisten. Bei einem Phänomen, was aber schon über hundert Jahre bekannt ist, geht keine Gefahr aus.

Bis gerade wusste ich noch nichts von diesen „Zinken“. Aber ich habe mich jetzt mal schlau gemacht: das sind offensichtlich wirklich Zeichen, mit denen sich Bettler, Hausierer und Zigeuner Zeichen zu geben, was in dem entsprechenden Haus vorzufinden ist. Es wird über eventuelle Gefahren und Möglichkeiten unterrichtet.

Im Internet habe ich schon jede Menge solcher Zeichen entdeckt. Die für, unfreundlich Leute, bissiger Hund, für Arbeit gibt es etwas, krank spielen lohnt sich, hier gibt es Geld, abhauen, rufen Polizei, hier wohnt Polizei, fromm tun lohnt sich, gefährlich, Prügelgefahr, ruhig aufdringlich werden und hier gibt es ein Nachlager.

Ich habe so etwas selber aber noch nie gesehen, weder bei mir noch bei Bekannten. Ich finde das von den Leuten schon ein wenig dreist, mit diesen Zeichen einfach die Türen von fremden Leuten zu verzieren. Gerade bei solchen Zeichen wie für „Ruhig aufdringlich sein“ oder „Krank tun lohnt sich“.

Es erinnert mich ein wenig an die Dreigroschenoper, wo es wirklich organisierte Bettler gibt, die das Mitleid der Menschen schamlos ausnutzen. Stellt euch mal vor, dort würde jetzt eine alte Frau wohnen und ihre Tür würde ein Zeichen „hier gibt es etwas zu holen“ tragen, die arme alte Frau würde doch schamlos ausgebeutet und ausgenutzt werden. Ich finde das nicht fair.