SPD wirklich nur noch bei 20 Prozent?
Die dpa meldet heute morgen, dass die Sozialdemokraten es noch auf gerademal 20 Prozent schaffen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und dem "Stern" ist die SPD damit auf dem Jahrestief angekommen. Daran soll, zumindest laut "Stern", die Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt Schuld sein.
Warum mag ich das einfach nicht glauben? Nun, da wäre erstmal der Auftraggeber der Umfrage und forsa selbst. Beide sind eindeutig eher dem Unionslager zuzuordnen, da wird dann gerne auch mal ein oder auch mal zwei Pünktchen bei der SPD vergessen und lieber der Union zugerechnet. Und damit wird dann natürlich auch Politik gemacht. Zwar betonen alle Umfrageinstitute immer wieder, wie unabhängig sie doch sind, doch letztlich muss uns allen klar sein, dass man damit auch Politik machen kann - und dass damit auch Politik gemacht wird!
Auf der anderen Seite muss man aber auch ganz klar sehen, dass nur etwa 50 Prozent der Bevölkerung wählen geht, sich die anderen also nur kaum bis gar nicht dafür interessieren. Ulla Schmidt die Schuld in die Schuhe zu schieben mag einfach sein, da aber wahrscheinlich nicht mal 25% der Bevölkerung wissen, wer Ulla Schmidt überhaupt ist, finde ich diese Schlussfolgerung jedenfalls massiv überzogen.
Hier wird Politik gemacht - sonst nichts. Übrigens: man sollte nicht vergessen, dass Ursula von der Leyen ebenfalls eine Dienstwagenaffäre hinter sich hat: sie führt nun ein Fahrtenbuch, damit man ihr die Privatfahrten nicht mehr anlasten kann.
Ja, die ehemalige Volkspartei nähert sich dem Wahlziel der FDP: 18%. Aber was nicht vergessen werden sollte, ist das nach der SPD-Ära unter Schröder, viele SPD-Anhänger entweder ihre Stimme nicht abgeben oder aber für die neuen Sozialdemokraten (Die Linke) stimmen.
Ist aber auch nicht verwunderlich, nachdem Schröder/Fischer die "Neue Mitte" gefunden haben. "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!" ist sicher ein alter Schlachtruf. Aber nach Agenda 2010, Kriegstreiberei, Rückzug des Sozialstaates usw. usf. ist es jedenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen.
Ich kenne viele enttäuschte Gewerkschafter, welche eigentlich immer zu 100% für die SPD eingetreten sind. Das ist spätestens seit Scharpings Kriegslügen vorbei. Auch die Agenda-Geschichte, welche nun wirklich nicht ausgegoren ist, tut manch altem Genossen richtig weh. Oder auch die Rente mit 67, wo doch in den Gewerkschaften (Klientel des SPD) klar ist, dass es kaum Betriebe gibt, in denen man 63-jährige findet. Hier ist den Leuten klar, dass es sich einfach um eine Rentenkürzung handelt.
Dann das Personal: Clement und das Gezerre - keiner versteht, dass man sich für seinen Verbleib in der Partei stark macht, nachdem dieser unstreitig - in seiner Position - der SPD massiv geschadet hat. Noch dazu, wenn anschliessend bekannt wird, dass er der Lobby der Energiewirtschaft zugehörig ist (wenn auch er dies nicht im Zusammenhang mit seiner "Kritik" sieht).
Auch Schröder: was er den Menschen zugemutet hat ist schon stark. Ohne Kompensation! Und ohne Wirkung für die Staatsfinanzen, wohl aber zum Wohle der Wirtschaft. Wenn so einer anschließend zu einem Weltkonzern wechselt, dann wird man misstrauisch.
Und ja, auch die Dienstwagenaffäre trägt nicht dazu bei, Vertrauen in das SPD Personal aufzubauen. Auch wenn die Nutzung so gedeutet werden könnte, dass es statutenmässig eine legale Nutzung ist. Wir leben in einem Land, in dem ein AG dem Angestellten wg. Verdachtsmomenten kündigen kann und der potentielle Schaden im Cent Bereich liegt. Da kommt es schlecht, wenn Politiker kein Feingefühl zeigen. Und niemand macht Anstalten, diesem Unfug ein (gesetzliches) Ende zu bereiten.
Ich gehe zwar auch davon aus, dass die Umfragewerte letztlich "schwarz" gefärbt sind. Aber Tendenziell ist die Richtung klar zu erkennen. Die Genossen sollten sich neu ausrichten, sofern sie wieder "den kleinen Mann" in Massen erreichen wollen. Und mit der Zustimmung zu Zensurgesetzen oder dem Fortsetzen der Agenda-Spiele werden sie trotz Abwrackprämien niemanden von sich überzeugen. Denn diese Leute wählen lieber gleich das Original mit dem C im Namen.
Naja, RTL und Stern sind ja mehr oder weniger in der schwarzen Ecke angesiedelt, sowie die Forsa. Dass Meinungsinstitute Lieblingsparteien haben, die ihnen nach der Wahl schön Aufträge in den Einkaufskorb legen ist ja auch keine große Unbekannte mehr.
Klar, dass 20 % hier wohl übertrieben und politisch vom Auftraggeber der Studie eingefärbt sein wird - auf der anderen Seite ist diese Grenze wahrscheinlich näher am tatsächlichen Stand der Dinge als die 30 % Marke.
Hier sehe ich es wie derpunkt: Wen erreicht die SPD denn noch? Die ehemals linke Wählerschaft ist größtenteils zur Linkspartei und den Grünen abgewandert, die Mitte-rechts Wähler zur CDU und FDP - übrig bleiben da nur die Mitte-Links Wähler, denen die Linkspartei / die Grünen zu links und die CDU und FDP zu rechts sind. Und offen gesagt: Das sind nun mal nicht viele, hier über die 25 % Marke zu springen nur auf dem Rücken dieser Wählerschicht ist nicht sehr realistisch solange man nicht wieder Pfründe sichert.
Lafontaine hat es hier in einem Interview mal auf den Punkt gebracht in seiner gewohnt zynischen Art was das Thema SPD angeht: Selbst wenn die SPD das was sie sagt und ins Programm schreibt wirklich umsetzen würde nach der Wahl - wer glaubt es ihr denn noch? Durch die Aktionen der vergangenen Jahre hat die SPD bei fast allen ihren Wählern ordentlich Vertrauen verzockt im Vertrauen darauf, dass diese sie nicht verlassen würden, denn der Sozialdemokrat an sich war ja schon immer recht genügsam und zäh wenn es darum ging, auch mal schwierige Zeiten mit Opfern durchzustehen.
Nur was in den letzten Jahren lief, da war das Maß einfach voll, derpunkt hat es ja in den markanten Punkten schon sehr gut angesprochen: Schröder, der eher zur CDU gepasst hätte, Clement, der im Grunde nur ein gewählter Lobbyist der Kartelle war und das ganze Theater während der rot-grünen Koalition (Scharping dürften die meisten schon gar nicht mehr auf dem Schirm haben ) - und die große Koalition hat der SPD auch mehr geschadet als genutzt, obwohl die CDU offensichtlich der unfähigere Part in der Politik, aber dafür der fähigere in der Frage der Schuldzuweisung war und die SPD jeden Dreck hat schlucken lassen im Sinne eines echten Juniorpartners, der mal ab und zu einen Klapps auf den Rücken bekommt und ansonsten regelmäßig einen Schlag ins Gesicht.
Die SPD hat unter Schröder eben deutlich Schaden genommen und massig Profil verloren und keines in Zusammenarbeit mit der CDU bewiesen (zumindest keines, dass schön populistisch und massenwirksam beim Wähler ankam) - und da komm ich wieder zum Anfang: Wer soll die SPD denn noch wählen, damit sie in Richtung der 30 % rutscht bzw. weg von den 20 (23) % kommt?
Naja, im Vergleich zu Sat1 und dem Springer-Verlag sind RTL und Stern jetzt nicht so rechts, sondern durchaus mit gewissen Sympathien gegenüber der SPD ausgestattet. Woran es meiner Meinung nach bei der SPD in den letzten Jahren fehlt, sind die Gesichter. Letztlich wählen die Leute nunmal auch Personen, und nicht nur eine Partei. Wenn als Zugpferd ein alles andere als charismatischer Typ steht, sieht man schon einen Teil des Dilemmas. Eigentlich ist das Außenministeramt geradezu prädestiniert für hohe Sympathiewerte (selbst Kinkel hatte diese, die Älteren werden sich erinnern), aber Steinmeier schafft es einfach nicht, irgendeine Art von (Aufbruch-)Stimmung auszulösen. Das war unter dem hier so stark (ob zu Recht oder Unrecht sei mal dahingestellt) kritisierten Schröder anders.
Aber auch daneben gibt es (für mich) keine Spitzenpolitiker der SPD, die irgendwie herausragen. Hinzu kommt das alte Dilemma, dass ehemalige Amtsträger ständig querschießen und es auch intern drunter und drüber geht, wie man zuletzt auch in Hessen gesehen hat.
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