Ersthilfe - kein Pulscheck
Zur Zeit haben wir in unserem Seminar eine Auffrischung der Erstenhilfe. Hier wurde uns noch einmal alles im Detail erklärt, zu meiner Zeit war zum Beispiel auch die stabile Seitenlage vollkommen anderes.
Nun aber kommt der Hammer, laut Referent muss man vor Ort gar nicht mehr den Puls kontrollieren sondern einfach nur durch Sicht auf den Bauch die Atmung des Opfers feststellt. Wir konnten das alle einfach nicht glauben, daher meine Frage, stimmt das überhaupt und warum?
Wir haben das vor 2 Jahren noch so gelernt, dass man die Bauchatmung beobachten soll und die Atmung am Mund. Von der Pulsmessung direkt als solche haben wir auch nichts gelernt. Soweit mir bekannt liegt das aber daran, dass wenn man unter Druck steht, eh keinen ordentlichen Puls erfühlen kann und wenn du nun ewig damit Zeit verbringst, den Puls zu suchen, kannst du dir den Rest sparen, weil die betreffende Person unter Umständen nämlich schon krepiert ist. Insofern ist es ganz logisch.
Die wenigsten Laien können den Puls am Hals oder Handgelenk eben wirklich erfühlen und wenn sie ihn falsch erfühlen kann das schwere Folgen haben. Aber jeder Laie sieht wohl, ob sie der Bauch noch bewegt, oder nicht, beziehungsweise in welchen Abständen.
Ja, das stimmt so, dass man den Puls nicht mehr kontrollieren muss. Das hat folgenden Hintergrund. Selbst für Profis ist es teilweise sehr schwer den Puls zu ertasten, beispielsweise beim Kammerflimmern, da ist der Pulsschlag sehr schnell und flach und da kann man den Pulsschlag auch nicht so einfach ertasten.
Daher hat man gesagt, dass man nur noch auf den Brustkorb schauen soll bzw. hören soll ob eine Atmung vorhanden ist, denn man geht halt davon aus, dass wenn keine Atmung vorhanden ist, auch kein Puls vorhanden ist. Und dann beginnt die Reanimation wie man sie gelernt haben soll.
Allerdings kann ich mir gar nicht vorstellen, dass dein Erste-Hilfe Lehrer das nicht erklärt hat, warum man keinen Puls mehr fühlt...
Hi, also ich habe es vor ca. 1 Jahr noch anders gelernt. Uns wurde beigebracht nach dem Puls zu fühlen, aber nicht mit dem Daumen. Es kann vorkommen dass man ihn nicht findet aber Versuchen sollte man es. Dafür gibt es auch verschiedene Stellen, man kann den Puls am Hals, an der Hand und am Fuß fühlen. Bei der Atmung kann es durch aus vorkommen das diese so flach ist das man es nicht sehen kann.
Kontrollieren kann man die Atmung in dem man seine Wange oder den Handrücken dicht vor den Mund hält. Die Seitenlage hat sich tatsächlich im Laufe der Zeit geändert, genau so wie die Herz-Druck-Massage. Am besten noch einmal auf der Seite vom DRK nachlesen. Ich persönlich habe mir auch noch eine Broschüre aus unserem Krankenhaus geholt die auf dem neuesten Stand war.
Die neuen internationalen Richtlinien sehen tatsächlich vor, dass Laien-Ersthelfer den Puls nicht mehr kontrollieren sollen, sondern nur die Atmung. Ist diese nicht vorhanden oder nicht normal (denn bei einem Herzstillstand kann auch noch einige Zeit lang eine sogenannte "Schnapp-Atmung" vorhanden sein) soll sofort mit der Reanimation begonnen werden. Medizinisches Personal kann, muss aber nicht den Puls tasten und sollte damit auch höchstens zehn Sekunden verschwenden.
Wie Julian schon geschrieben hat liegt das daran, dass, gerade in einer Notfallsituation, wenn der Blutdruck des Patienten niedrig und der eigene Hoch ist, ein Puls nur sehr schwer zu Tasten ist. Es gab dazu eine nette Studie: Fachärzte der verschiedensten Richtungen sollten die Pulse von Patienten auf einer Intensivstation, die an Beatmungsgeräte angeschlossen waren, ertasten. Die eine Hälfte der Patienten war in tiefer Narkose, die anderen waren kürzlich verstorben, hatten also keinen Herzschlag und somit auch keinen Puls mehr. Die Trefferquote dieser erfahrenen Ärzte lag bei 50%. Sie hätten also ebenso gut raten können.
Zudem haben Studien gezeigt, dass das Wichtigste in einer Wiederbelebung der schnelle Beginn und die Lückenlose Durchführung der Herzdruckmassage ist. Deshalb sollte möglichst wenig kostbare Zeit für das sinnlose Puls-Tasten verschwendet werden. Die neuen Richtlinien gehen sogar so weit zu sagen, dass die Herzdruckmassage sogar wichtiger ist, als die Beatmung und unter Umständen auf letzteres sogar verzichtet werden kann.
Miss Marple hat geschrieben:Die neuen Richtlinien gehen sogar so weit zu sagen, dass die Herzdruckmassage sogar wichtiger ist, als die Beatmung und unter Umständen auf letzteres sogar verzichtet werden kann.
Und was soll dir die Herzdruckmassage bringen, wenn keine Atmung vorliegt? Richtig ist, dass die Massage wichtiger ist, deswegen wurde die Frequenz ja auf 15:2 zu Gunsten der Massage geändert (oder 5:2 bei zwei Helfern), aber die Beatmung weglassen geht gar nicht.
Ansonsten ist es schon für Laien verständlich, dass diese nicht lange nach einem Puls suchen müssen. Wenn ich mir manchmal anschaue, wie lange einige auch bei Gesunden brauchen, um einen Puls zu fühlen, würde da nur unnötig Zeit vergehen, in der eh zu oft nichts brauchbares erreicht wird.
Klehmchen hat geschrieben:Und was soll dir die Herzdruckmassage bringen, wenn keine Atmung vorliegt? Richtig ist, dass die Massage wichtiger ist, deswegen wurde die Frequenz ja auf 15:2 zu Gunsten der Massage geändert (oder 5:2 bei zwei Helfern), aber die Beatmung weglassen geht gar nicht.
Tatsächlich haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass so viel Sauerstoff im Blut vorhanden ist, dass dieser noch mindestens fünf Minuten nach Aussetzen der Atmung völlig ausreichend ist um das Gewebe zu versorgen. Als viel wichtiger hat es sich erwiesen, dass der Sauerstoff auch wirklich im Gewebe ankommt. Vor allem im Gehirn, dass bereits nach kurzer Zeit Schäden davon tragen kann.
Für jede Atemspende muss naturgemäß die Herzmassage unterbrochen werden. in dieser Zeit fällt der Sauerstoffdruck im Gewebe so schnell ab, dass erst 5 bis 10 Kompressionen gebraucht werden um wieder den vollen Druck aufzubauen. In den ersten drei bis fünf Minuten, wenn das Blut noch ausreichend mit Sauerstoff gesättigt ist, schaden Unterbrechungen also eher, als das sie nutzen.
Aus diesem Grunde wurden die Leitlinien zur Wiederbelebung 2005 dahingehend geändert, dass jetzt eben nicht mehr 5 : 1 beziehungsweise 15 : 2, sondern 30 :2, unabhängig von der Anzahl der Helfer. Zudem Enthalten diese Leitlinien auch den Hinweis, dass wenn ein Ersthelfer nicht in der Lage ist zur Atemspende (wegen etwa einer Lungenerkrankung) oder sich einfach nur außerstande dazu sieht (weil beispielsweise der Bewusstlose Blut oder Erbrochenes im Gesicht hat un der Helfer eine Infektion fürchtet), auch ganz auf die Atemspende verzichtet werden kann.
Dieser Hinweis wurde sicherlich mit dem Hintergedanken eingefügt, dass es besser ist, wenigstens die Thoraxkompressionen durchzuführen, als gar nichts zu tun, hängt aber auch mit Überlebens-Zahlen neuerer statistischer Erhebungen zusammen, die zeigen, dass besonders in den Minuten nach dem Atemstillstand die Herzmassage der entscheidende Faktor für das Überleben und auch für das Verhindern einer Hirnschädigung ist.
Nachlesen kann man die neuen Richtlinien von 2005 übrigens zum Beispiel bei der ERC, dem europäischen Rat für die Wiederbelebung.
Miss Marple hat geschrieben:Tatsächlich haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass so viel Sauerstoff im Blut vorhanden ist, dass dieser noch mindestens fünf Minuten nach Aussetzen der Atmung völlig ausreichend ist um das Gewebe zu versorgen. Als viel wichtiger hat es sich erwiesen, dass der Sauerstoff auch wirklich im Gewebe ankommt. Vor allem im Gehirn, dass bereits nach kurzer Zeit Schäden davon tragen kann.
Genau deswegen halte ich ein Weglassen der Beatmung ja für großen Unsinn. Bleibende Hirnschäden sieht man ja im Schnitt bei 5-7 Minuten ohne Sauerstoffzufuhr. Nun steht aber der Ersthelfer in der Regel nicht direkt neben der zu rettendenden Person, wenn diese umkippt, einen Unfall hat oder anderes und die Atmung aussetzt. Wenn man sich dann vor Augen hält, wie viel Zeit meist noch vergeht, bis der Laienhelfer sich bewusst wird was zu tun ist, ist diese Zeit um, bevor überhaupt mit der Wiederbelebung begonnen werden kann, würde ich mich nicht mehr darauf verlassen, dass eine Herzdruckmassage allein reicht.
Das mit dem 15:2 war natürlich ein Fehler der sich da bei mir eingeschlichen hatte, ich meinte natürlich 30:2, da war ich wohl grad mit den Gedanken woanders
Und selbst wenn mal nich genug Sauerstoff im Blut vorhanden ist (wer sagt denn eigentlich, dass die Atmung vor dem Atemstillstand noch ausreichend war um das Blut wie beim Gesunden mit Sauerstoff zu sättigen?), wird wohl kaum ein Ersthelfer, wenn er nur die Herzdruckmassage durchführt, auch noch auf die Uhr schauen und nach ca.5 Minuten zur Herzdruckmassage mit Beatmung wechseln.
Auch wenn es sich in den ersten Minuten unter wissenschaftlichen Bedinungen als vorteilhaft erwiesen hat, erstmal nur die Herzdruckmassage durchzuführen, sehe ich das in der Praxis bei einem Laien, eher als gefährlich an, him sowas beizubringen. Einfach Vorgaben, die ein Laie durchzuführen hat (also zum Bsp. das starre 30:2 Schema), dass er immer anwenden kann, dürfte da sicher mehr bringen.
Klehmchen hat geschrieben:Genau deswegen halte ich ein Weglassen der Beatmung ja für großen Unsinn.
Genau so sehe ich das auch. Schön, dass wir uns da einig sind. Was ich mit meinem Post nur aussagen wollte war, dass eben nun einmal genau das in den Leitlinien steht. Einerseits verstehe ich, warum es eingefügt wurde, nämlich mit dem Hintergedanken, dass ein Ersthelfer, der sich etwa davor ekelt zu beatmen dann doch wenigstens die Herzdruckmassage durchführen soll, in der Hoffnung, dass die Sättigung eben vielleicht doch nicht eine Weile ausreicht und es einfach besser ist als nichts zu tun. Womit ich dir natürlich völlig recht gebe ist, dass die angestrebte Vereinfachung der Richtlinien für Laien damit etwas zunichte gemacht wird. Außerdem besteht so sicher auch die Gefahr, Leute erst auf "dumme Gedanken" zu bringen. Dieser Punkt der Richtlinien lässt sich also sicher ausgiebig diskutieren.
Habe vor ein paar Monaten auch ausbildungsbedingt nen DRK-Lehrgang machen müssen. Dass man keinen Puls mehr checken muss, haben die uns auch gesagt. Mit der Begründung, dass es zum einen viel zu viel Zeit in Anspruch nimmt - in so einer Situation ist man natürlich nervös und dann kann man nicht Minuten lang erst den Puls checken, bevor man weiter entscheidet. Zum anderen ist es für den Ersthelfer ohnehin nicht wichtig, zu wissen, wie schnell der Puls geht. Ob jemand tot ist bzw. nicht mehr atmet, sieht man auch, wenn man die Atmung überprüft und wenn er nicht atmet, macht man eben Herzdruckmassage und Beatmung. Und da es eh nicht vorkommt, dass derjenige dann wieder aufspringt bis der Notarzt kommt, hat man eigentlich anschließend keine Zeit zum Puls messen. Macht der Notarzt.
Ich finde das eigentlich sehr einleuchtend und es hat mich eigentlich auch nicht verwundert. Bei der Ersthilfe kommt es auf schnelles Handeln an; viel kann man nicht verkehrt machen. Man kann nur entweder nichts tun oder sich zu lange an den unwichtigeren Dingen wie Pulsmessung aufhalten.
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