Beurteilungen von Personen im Internet
Es gab gestern ein Gerichtsurteil, dass Schüler eine Lehrerin im Internet über eine Website bewerten dürfen. Dem Recht der Meinungsfreiheit wurde dabei Priorität eingeräumt.
Nun sind wir ja alle mehr oder weniger "lehrergeschädigt" und neigen dazu, dieses Urteil gut zu finden. Man sollte aber die Konsequenzen zu Ende denken. Es gibt ja eine Vielzahl von Bewertungsportalen. Die Bewertung von Lehrern ist eigentlich nur ein Sonderfall. Man könnte ja auch in einem Bewertungsportal die Freundlichkeit und Kompetenz des Fachverkäufers A in der Hifi-Abteilung des Media Marktes in der Stadt B bewerten. Oder man könnte den Nachbar in der X Strasse Nr. Y im Ort Z beurteilen (Kennt Ihr eigentlich die Website rottenneighbor.com?). Man könnte auch eine Website "lieberkollege.de" gründen und dort Mitarbeiter von Ihren Kollegen beurteilen lassen.
Denkt Ihr, das wäre auch in Ordnung? Ich bin mal auf Eure Meinungen gespannt.
Also, um mein Standpunkt schonmal vorher zu festigen: Ich bin für komplette Redefreiheit im Internet. Dazu gehört natürlich auch das Recht Lehrer, Arbeitskollegen etc. zu beurteilen. Ich finde es sogar sehr wichtig, dass Lehrer beurteilt werden, denn nur so kann man eine vernünftige Resonanz von den Schülern bekommen! Gerade bei Lehrkörpern finde ich es problematisch, da Lehrer im Allgemeinen ja keiner festen Lehrordnung oder -prüfung unterworfen sind.
Allerdings muss man auch sehen, dass eine Internetbewertung nie wirklich das wahre Urteil über einen Lehrer fällen kann. Bei Seiten wie www.spickmich.de sind garantiert auch genug Schüler, die aus Spass schlechte Sachen über den Lehrer schreiben. Im Gegenzug dazu gibt es natürlich genug Schüler, die so anonym positives oder negatives schreiben können, was sie sich sonst nicht trauen könnten zu sagen! Aber leider kann man nie wirklich feststellen welche Kommentare vertrauenswürdig sind und welche überflüssig sind.
Meiner Meinung nach sollte es in der Schule jährlich oder halbjährlich eine anonyme Befragung der Schüler über ihre Lehrer geben. Denn dadurch würden die Schüler diese Befragung ernster nehmen und es würde so zu einer objektiven Bewertung der Lehrer kommen.
Auch ich bin generell dafür, dass man die Qualität der Lehre bewerten sollte. An Universitäten ist das mittlerweile üblich, die einzelnen Lehrveranstaltungen zu evaluieren. Dabei kann man dem einzelnen Seminar, Praktikum oder der Vorlesung eine Note zuteilen und im Multiple-Choice-Verfahren vorgefertigte Fragestellungen beantworten. Es gibt auch immer einen Bereich, in dem man in eigenen Worten Anmerkungen hinterlassen kann. Diese Befragungen sind anonym und für jeden Studenten verpflichtend.
Ein entsprechendes System fände ich wesentlich besser und effektiver als solche Internet-Geschichten. Auch auf die Gefahr hin, dass ich nun ein altes Vorurteil strapaziere, denke ich, dass gerade Lehrer, die eher resolut oder gar streng sind und weniger Kuschelpädagogik praktizieren, im Internet an den Pranger gestellt werden könnten, vor allem von Schülern, die mit dieser klaren Linie nicht so gut zurechtkommen. Ich weiß, dass es auch in meiner Schulzeit Lehrer gab, die eigentlich von der gesamten Klasse abgelehnt wurden. Meistens handelte es sich dabei zugegebenermaßen um die Lehrer, die eher streng waren, Hausaufgaben aufgegeben haben oder keine Störenfriede duldeten. Die Lehrer, bei denen man Narrenfreiheit hatte, waren selbstverständlich beliebter, selbst wenn die Wissensvermittlung schlechter war und eigentlich kein System erkennbar war.
Man sollte am Ende eines Schuljahres anonyme Umfragebögen austeilen, in denen die Schüler die einzelnen Fächer, den vermittelten Stoff oder auch den Lehrer bewerten können. Solche Bewertungen könnten anschließend ausgewertet und in der Schülerzeitung oder auch im Internet auf der Homepage der Schule veröffentlicht werden, sofern das überhaupt gewünscht wird.
In Internetportalen sehe ich die Gefahr, dass recht wenig konstruktive Kritik geäussert wird und das System nur zur persönlichen Abreaktion genutzt wird, zum Beispiel nach Erhalt einer schlechten Note.
Wenn eine Schule ein Bewertungssystem einführt, sollte auch Wert darauf gelegt werden, dass die ermittelten Ergebnisse weiter verwendet werden und nicht in der Schublade des Direktors verschwinden. Wenn immer wieder Schüler Probleme mit einem bestimmten Lehrer haben, sollte diese Kritik ernst genommen werden und der Schulleiter muss sich dann auch mal mit dem Lehrer auseinandersetzen.
"Spickmich.de" ist ein Sonderfall und lässt keinesfalls allgemeine Schlußfolgerungen auf andere Bewertungsportale zu, darauf legte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sehr viel Wert. Daher wäre z.B. eine Seite, wie Du im Eröffnungsthread geschrieben hast, "meineKollegen.de" schon schwieriger. Es kommt dann also sehr darauf an, dass man ausschließlich deren Arbeit beurteilt, was sehr schwer sein dürfte, wenn man mit jemand die ganze Zeit zusammenarbeitet. Welche Kriterien setzt man an? Ist der Kollege pünktlich? Wäre wohl zulässig, beurteilt ja nur seine Arbeit. Ist der Kollege unhöflich? Wohl eher unzulässig, bezieht sich viel zu wenig auf seine Arbeit. Zudem dürften vor allem Arbeitgeber kein Interesse daranhaben, dass Mobbing-Orgien ihrer Belegschaft im Internet ausgetragen werden.
BEi den Ärztebewertungen ist es tatsächlich etwas schwieriger. Es fehlt dem Patienten ganz einfach die fachliche Kompetenz, um immer mitreden zu können. Daher können die Beurteilungen nur aufgrund subjektiver Wahrnehmungen erfolgen: freundlich, gesprächsbereit, kurze Wartezeiten, solche Sachen also. Ob diese Informationen aber wirklich weiterhelfen, wenn man sich eine Arzt suchen muss wage ich zu bezweifeln.
Um nochmal auf die klagende Lehrerin zurückzukommen: ich habe mich auf spickmich angemeldet und habe mir das Portal angeschaut, sonst kann man sich da auchkein Urteil erlauben. Es ist meiner Meinung nach bei den Noten meiner alten Schule jedenfalls so, dass ich bei den Lehrern, die mir noch bekannt sind, durchaus die Bewertungen nachvollziehen kann. Und es gibt da auch Lehrer, die wirklich gute Noten haben. Die Unterstellung also, dass man anonym gezielt Lehrer mit schlechten Bewertungen abstraft mag zwar in Einzelfällen stimmen, aber warum sollte man dies tun, wenn es dafür keinen Grund gibt?
Wenn diese Lehrerin also mit ihrer Benotung von 4,3 (in manchen Zeitungen steht auch 4,4) nicht zufrieden ist, dann sollte sie sich mal überlegen, warum Kollegen von ihr mit Notendurchnitten um 2,0 keine Seltenheit sind.
Was ich toll fände wäre eine Liste mit Bewertungen für Supermärkte. Wie frisch sind Obst und Gemüse? Wie groß ist da die Auswahl? Wie freundlich ist das Kassenpersonal? Wird mit Licht in der Frischetheke geschummelt? Sind die Gänge aufgeräumt, findet man sich gut zurecht, wie ist die Parkplatzsituation, usw.
Ich sehe das ähnlich, Bewertung von Lehrern ist eine gute Sache und der Lehrer kann davon eigentlich nur profitieren wenn das ganzen richtig durchgeführt wird. Ich kenne zwar die Webseite nicht, aber ich sehe nicht, wie daraus etwas positives entstehen kann. Also mir fehlt hier einfach der Dialog.
Das Problem fängt doch schon mal damit an, dass überhaupt nicht überprüft werden kann wer welchen Lehrer bewertet. Meine Nachbarin ist zum Beispiel Lehrerin an einer Berufsschule, wenn ich mit ihr nun aus welchem Grund auch immer Probleme hätte könnte ich sie doch ohne weiteres auf dieser Seite zur schlechtesten Lehrerin der ganzen Schule erklären - ohne dass ich jemals an ihrem Unterricht teilgenommen habe. Und ich denke es liegt auch in der Natur der Sache, dass sich Schüler eher ans Lehrer bewerten machen wenn sie gerade eine schlechte Note bekommen haben und nicht nach positiven Erfahrungen und entsprechend werden die Bewertungen dann auch ausfallen.
Natürlich gibt es auch objektiv schlechte Lehrer. Meine erste Französischlehrerin hat zum Beispiel mit ihrem tollen Unterricht dafür gesorgt, dass ihr Nachfolger mit uns fast ein ganzes Halbjahr den Stoff vom Vorjahr wiederholen musste. Aber auch in dem Fall frage ich mich, was es uns als Schüler gebracht hätte die Frau mit einer verdienten 6 zu bewerten.
Und was ich mich in den letzten Tagen bei dem Thema immer mal wieder gefragt habe - wenn die Schüler das Recht auf Meinungsfreiheit und öffentliches an den Pranger stellen der Lehrer haben müsste das gleiche doch auch umgekehrt gelten, oder? Die Reaktionen auf ein "Lehrer bewerten Schüler im Internet" Portal würden mich wirklich interessieren, denn jeder teilt gerne aus, aber einstecken mag keiner gerne.
Prinzipiell finde ich die Bewertung von Lehrern gut. Allerdings ist es für mich fraglich, ob die Bewertungen auf solchen Websites sinnvoll ist. Denn wenn ich höre, dass man dort auch als Nichtschüler problemlos bewerten kann, dann stellt sich doch ganz schnell die Frage: ist eine solche Bewertung wirklich aussagekräftig? Denn auch wenn ich ehemalige Lehrer als genauso bewertet empfinde wie ich sie aus meiner Schulzeit in Erinnerung habe. Wer sagt denn, dass die Lehrer sich nicht inzwischen geändert haben und nur Ehemalige bewertet haben. Egal ob das Bild nun positiver oder negativer ausfällt?!
Eine Evaluierung der Lehre auch an der Schule ist zwar sinnvoll, aber sie sollte dann wirklich nur auf recht aktueller Basis erfolgen. Als Pendant zum Uni-Ranking also zum Ende eines Schuljahres und die Möglichkeit der Bewertung sollte auch nur den Schülern offen stehen, die im vergangenen Schuljahr unterrichtet wurden. Dass man die Ergebnisse öffentlich zugänglich macht ist dagegen etwas anderes. Sicher kann man auch mit solchen Maßnahmen nicht sicher ein objektiveres Bild zeichnen, aber wahrscheinlich ist ein höhere Objektivität schon.
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