Sehnsucht nach der Vergangenheit

vom 22.06.2009, 14:43 Uhr

Ich weiß nicht, ob es an meinem Alter liegt. Aber bei mir und auch in meinem Freundeskreis fällt mir mal mehr und mal weniger auf, dass die Leute sich irgendwie immer wieder gerne an die Vergangenheit zurücksehnen und an die vergangene Zeit denken.

Wenn ich über den Flohmarkt schlendere, bleibe ich oft an Ständen stehen, wo Gegenstände aus meiner Vergangenheit liegen. Und sei es nur Kerzenständer, die meine Mutter mal hatte oder eben auch Stofftiere, die ich als Kind besessen habe. Ich denke dann sehr oft an die Vergangenheit. Auch wenn meine Kindheit eigentlich nicht die schönste Kindheit gewesen ist, die sich ein Kind wünscht.

Kann man das mit einer Art Sehnsucht vergleichen oder sind es eher nur Gedanken? Ich habe auch immer mehr den Drang, dass ich noch mal in meine alte Heimat fahre und mir da die Dinge noch mal ansehe. So, als ob ich das sonst nicht mehr erleben kann. Ich war jetzt schon ein paar Jahre nicht mehr in meiner alten Heimat und ich habe Sehnsucht nach dem Ort, an dem ich geboren wurde.

Wie kommt so eine plötzliche Sehnsucht her? Ich habe sonst nicht so sehr an der Vergangenheit gehangen und habe sie eher verdrängt, weil ich nicht sehr viel schöne Dinge erlebt habe. Aber je älter ich werde (hatte vorige Woche Geburtstag und wurde 47) desto mehr habe ich die Sehnsucht nach meiner Vergangenheit und würde mir am liebsten die Bude voll mit dinge stellen, die ich früher schon mal besessen habe.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich kenne diese Sehnsucht nach der Vergangenheit auch. Ich denke oft daran, wie schön es war, wenn ich etwas mit meinen Freundinnen unternommen habe oder in der Disco war. Am meisten vermisste ich meine Figur von damals. Ich war da sehr dünn und wurde auch öfter darauf angesprochen.

Es sind dann immer bestimmte Erinnerungen, die ein bisschen Wehmut verursachen. Aber es gibt auch Dinge, an die ich mich nicht gerne erinnere. Aber ich denke, dass man sich sowieso eher die positiven und schönen Erinnerungen behält. Ich habe auch manchmal das Problem, dass ich mit der Vergangenheit schlecht abschließen kann und einiges gerne wieder so hätte, wie es mal war. Nur leider ist das ja nicht immer möglich.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Es ist tatsächlich ein Phänomen, dass eigentlich jeder an sich beobachten kann - manche Leute mehr, andere weniger. Möglicherweise wird es mit dem Alter auch tatsächlich stärker.

Insgesamt steckt dahinter ein Prozess unserer Psyche, der sich die Vergangenheit sozusagen "schönredet" auch wenn sie wie bei dir vielleicht nicht mal wirklich die schönste Zeit des Lebens gewesen ist. Bei wem dies nicht der Fall ist (und das meint jetzt nicht, wer das nicht bemerkt, sondern schon wer seine Kindheit richtig beschissen fand) hat zumindest häufig oder "leichter" Probleme mit der Psyche (Krankheiten wie Depressionen oder auch heftigeres können die Folge sein, müssen aber natürlich nicht). Wenn die Psyche dies nicht tun würde und sich mit permanentem Leiden auseinander setzen würde, würde man sich selbst damit sprichwörtlich "verrückt machen".

Die Kindheit bleibt uns unter Umständen auch als die Sonnenseite des Lebens in Ernnerung, weil dies scheinbar einen evolutionären Hintergrund hat und die "Fortpflanzungswilligkeit" höher hält (wenn meine Kindheit so scheiße gewesen ist, warum sollte ich dann einen Menschen in die Welt setzen der wahrscheinlich auch eine schlechte Kindheit haben wird?). Wobei dieser Aspekt aber nicht wirklich nachgewiesen ist sondern nur als mögliche, zusätzliche Erklärung für das Phänomen dient. Denn immerhin könnte man es genauso gut von der anderen Seite sehen: Weil man selbst es schlecht hatte möchte man es an eigenen Kindern viel besser machen.

Diese Erklärung ist natürlich nicht zu 100% auf jeden individuellen Menschen anwendbar, und wenn man rational betrachtet weiß, dass man eine vergleichsweise schlechte Kindheit hatte, kann man emotional trotzdem Sehnsucht nach seiner Kindheit haben und erfüllt damit genauso jenen Aspekt, den ich ansprach. Ich erhebe auch keinen Anspruch darauf, hier die einzig-richtige Theorie erläutert zu haben. Nur bevor das jemand darein interpretiert.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ja, ich habe am Wochenende auch so eine Sehnsucht verspürt. Ich habe Miraculi gekocht und musste dann an meine Oma denken. Es war Anfang der 80er Jahre und ich habe damals bei ihr in der Küche das erste Mal Miraculi gegessen und sie hat die Soße gleich auf die Nudeln geschüttet und gerührt. Ich muß nun immer dran denken wenn ich das koche und denke dran wie es in der Wohnung ausgesehen hat, dann wie es bei uns früher daheim ausgesehen hat und was ich erlebt habe als Kind. Alles ist nun vorbei und kommt nie wieder.

Ich weiß auch nicht ob das eine Art Mitliefe-Krise ist, denn ich bin nun 32 Jahre und fange langsam an über das Leben genauer nachzudenken. Meine Eltern sind auch über 60 Jahre und ich hoffe das sie noch lange leben. Ich würde aber gerne die Zeit zurückdrehen und nochmal Kind sein und unbeschwert oder nochmal heiraten und meine Söhne nochmal bekommen könne. Alles rennt an mir vorbei, Jahr um Jahr und es macht mir Angst. Vor allem an Weihnachten in der Kirche wird mir das immer bewusst und ich denke es ist alles so schnell vorbei und wie schön es früher einmal war.

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» MoneFö » Beiträge: 2938 » Talkpoints: -3,73 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Mir geht es ganz genau so wie dir. Ich bin zwar noch lange nicht so alt wie du, aber ich erinnere mich sehr gerne an meine Kindheit. Am Liebsten an die Zeit als ich fünf oder sechs war. Wir haben in einem Haus gewohnt, wo sehr viele Kinder meines Alters waren. Wir waren jeden Tag draußen und haben irgendwas angestellt. Manchmal wünsche Ich mir Ich könnte zurück in diese Zeit und mit meinen alten Freunden spielen. Ich kenne nur noch 2 von ca. 30 Leuten. Ich vermisse sie sehr.

Ich wünsche mir oft, dass die jetzige Zeit so schön sein könnte wie meine Kindheit. Ich bin mit meiner Kindheit völlig zufrieden. Ich denke sie könnte gar nicht besser gewesen sein. Ich fahre oft an den Ort wo ich gewohnt habe. Ich wohne immernoch ganz in der Nähe. Ich laufe da herum und sehe mir nochmal alles an. Zu jeder Position fällt mir was ein was ich da gemacht habe. Ich mache es sehr gerne, weil es sehr schöne Erinnerungen sind.

Ich hoffe ich werde mich auch immer daran erinnern.

» walde2 » Beiträge: 37 » Talkpoints: 0,16 »


Ich bin ja so in deinem Alter. Sehnsucht? Ich würde nicht sagen Sehnsucht, sondern da ist dann ein Gedankenimpuls, so wie MoneFö z.B. schrieb, ein Gericht, was man als Kind gerne gegessen hat und was meine Männer nicht mögen, das muss ich mir einfach noch mal machen. Oder so wie du selber geschrieben hast, auf dem Flohmarkt, da sind Dinge, die würde ich nicht kaufen wollen, sondern, die würde ich meinem Sohn gerne zeigen wollen.

All das ist vertraut und damit ist es einem lieb, egal, ob die Kindheit gut war oder schlecht, es gibt immer etwas, was einen damit verbindet. Es gab damals einen Kuchen, ähnlich wie die Donauwelle, die man heute kaufen kann, aber nur mit Schoko oben, Vanillepudding (schön zäh und künstlich) in der Mitte und unten der Teig, keine Kirschen (bäh, passt nicht in meine Erinnerung). Ich hatte mir von meinem Taschengeld so ein Stück gekauft, mein Bruder wollte was ab haben und hat mich geschupst, genau auf das Paket mit dem Kuchen und er war platt. Aber er hat nichts abbekommen, ob platt oder nicht, der Kuchen war einfach lecker. Leider habe ich ihn nicht mehr gesehen und ich kann nicht so gut backen.

Überhaupt backen, meine Omi konnte backen... echt toll. Wenn ich mir heute Schnecken kaufe, dann sind sie irgendwie trocken, Omis Schnecken waren anders. Selbst nach den ganzen Jahren, sie ist gestorben, als ich 8 oder 9 war, beiße ich in eine Hefeschnecke und denke, die riecht wie die von Omi, aber :? die schmeckt nicht so.

Erinnerungen sind was schönes, aber man sollte sich nicht in ihnen verlieren, sondern sie nur nutzen, um der guten alten Tage zu gedenken. Zu lange in der alten Zeit verweilen, ist nicht gut, man verpasst zu viel neue Erinnerungen, die irgendwann die gute alte Zeit wiederspiegeln. Überhaupt, ab wann sind Erinnerungen es wert, als gute alte Zeit betitelt zu werden?

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» akasakura » Beiträge: 2635 » Talkpoints: 1,50 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich bin nun erst 23 Jahre (werde nächste Woche 24) aber ich verlaufe mich jetzt schon sehr oft in die Vergangenheit.

Früher hatte ich sehr gute Freunde zu denen leider Gottes durch meine Exbeziehung (der die selben Freunde hatte) der Kontakt größtenteils abgebrochen ist. Einige habe ich schon nicht mehr gesehen seit die Beziehung vorbei ist (ca. 7 Jahre her) Nachdem es vorbei war wollte ich halt erstmal nicht dahin fahren weil er auch immer da war. Aber irgendwie hat sich dann alles verlaufen und ich vermisse diese Hammer Zeit einfach total. Ich sitze oft abends hier und denke an diese Zeit und des öfteren passiert es auch das wenn die Gedanken mich wieder loslassen ich in Tränen aufgelöst bin.

Ich denke gerne an die Zeit zurück aber irgendwie tut es auch weh weil ich weiß das diese Zeit einfach nicht wiederkommt. Aber ich glaube Erinnerungen sind sehr wichtig und es ist auch wichtig das man ab und zu an die Vergangenheit denkt aber man darf sich auf keinen Fall darin verlaufen.

Ich glaube nicht das es unbedingt vom Alter abhängt, sondern eher davon wie sehr man sich danach sehnt. Denn in die Vergangenheit zurückzuschweifen in Gedanken kann auch ein Wunsch sein. Ich finde du solltest einfach mal wieder in deine Heimat fahren um die Sehnsucht nach dieser zu befriedigen.

» Tati3006 » Beiträge: 21 » Talkpoints: 0,06 »



Ich bin so ungefähr in deinem Alter und es geht mir ähnlich. Ich breche allerdings nicht sofort in lauter Entzücken aus sondern schaue mir eher die alten Dinge mit großer Aufmerksamkeit an. Kaufen würde ich auch nicht alles was mich so an meine Jugend erinnert, das ist zum Teil auch eine Geld- und natürlich auch eine Platzfrage. Ich sehe aber zu dass ich mein altes Spielzeug sowie die Schallplatten und vor allem die alten Kinderbücher zusammenhalte. Ab- und an werde ich auch bei Ebay fündig oder wenn jemand seinen Keller ausräumt und dabei an mich denkt bekomme ich hin und wieder ein paar schöne Dinge die mich an meine Jugend erinnern.

Warum dass gerade bei reiferen Leuten so ist weiß ich nicht, ich könnte mir aber vorstellen dass es so bei jedem ab dem vierzigsten Lebensjahr so langsam dämmert dass die Zeit auf Erden nicht unendlich ist. Auch hat man sicherlich mehr Zeit sich um solche Sachen zu kümmern da die Kinder aus dem Haus sind. Bei mir sind es vor allem so richtig alte Sachen die mich interessieren wie historische Zeitungen und Bücher die über einhundert Jahre alt sind, schöne Bauwerke oder ganz profane Handwerkskunst.

Ich habe neulich bei mir auf dem Dachboden eine alte Tür gefunden die noch handgeschmiedete Beschläge und Nägel aufwies und das Schloss und der Türriegel eindeutig auch von Hand geschmiedet war. Nichts besonderes oder gar wertvolles aber es reichte aus mir darüber Gedanken zu machen wie unsere Vorväter so lebten und wie aufwendig sie selbst die einfachsten Dinge von Hand herstellen mussten.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Dieses Gefühl nennt man auch Nostalgie und ich denke, dass dieses Gefühl wirklich jeder kennt. Ob das nun ein Schüler auf der weiterführenden Schule ist, der voller Nostalgie an seine Zeit in der Grundschule zurückdenkt, oder ob es eben eine erwachsene Person ist, die sich an seine Kindheit gerne zurückerinnert. Alle verspüren diese Nostalgie.

Doch bin ich auch der Meinung, dass dieses Gefühl auch mit zunehmendem Alter stärker wird. Einfach weil man schon mehr schöne Erinnerungen gesammelt hat, an die man sich gerne zurück erinnert, davon sammelt man im Leben immer mehr. Auch liegt es einfach am Altern, denn es ist leider so: Je älter wir werden, desto schlechter wird unsere gesundheitliche Situation. Wir machen einfach diese negativen Beobachtungen an uns selbst und erinnern uns an Zeiten, in denen das besser war.

Ich denke, dass dieses Gefühl einfach von Problemen aus der Gegenwart ausgelöst wird. Dann denkt man daran, wie schön es doch früher war und wie viel leichter alles war. Man erinnert sich an all die schönen Momente in der Vergangenheit, auch wenn die teilweise auch alles andere als schön aussieht, aber alles Schlimme wird in solchen Momenten einfach ausgeblendet.

Das liegt auch daran, dass sich die schönen Ereignisse wesentlich prägender sind als die weniger schöne. Traurige Ereignisse will man möglichst schnell verdrängen und daher rücken sie schnell in den Hintergrund.

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» JulietMay » Beiträge: 1078 » Talkpoints: -0,56 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich kenne dieses Gefühl auch, vor allem seit meiner Schwangerschaft beziehungsweise Geburt meines Sohnes schwelge ich unendlich gerne in meiner Vergangenheit herum. Ich liebe es alte Fotoalben von mir durch zu stöbern und jedes Spielzeug und Bilderbuch meines Sohnes wird mit meiner Kindheit verglichen. Mit vielen Bilderbüchern verbinde ich so nette Kindheitserinnerungen, zum Beispiel Bücher, die mir meine Oma immer vorgelesen hat, haben für mich jetzt wieder eine unendliche Bedeutung.

Mein Papa hat in meiner Kindheit extrem tolle Sandburgen und Co gebaut! Das konnte er wirklich sehr gut. Er hat auch zum Beispiel Autos aus Sand gebaut, so groß und so stabil, dass wir zu dritt (ich habe noch zwei Geschwister) drinnen sitzen konnten. Jetzt planen wir einigen gemeinsamen Familienurlaub weil wir alle so nette Erinnerungen daran haben, dass er nun auch seine Enkelkinder beglücken darf.

Aber es gibt natürlich noch unendlich viele andere Beispiele. Wir haben auch immer in der gleichen Wohnung gewohnt. Mittlerweile sind wir jedoch alle, also auch meine Eltern aus dieser Wohnung ausgezogen, da wir alle am Land wohnen wollen. Dennoch liebe ich es in der Straße in der ich gewohnt habe spazieren zu gehen. Ich gehe da glaube ich dann wirklich mit sehr verträumten Blick, weil ich mich da sehr oft dann zurückerinnere, wie ich da vor X Jahren mit meiner Schultasche in die Volksschule gegangen bin.

Vielleicht erinnere ich mich aber auch so gerne an meine Vergangenheit, weil ich vor allem meine Kindheit als sehr schön empfunden habe. Meine Eltern haben mir wirklich eine sehr liebevolle und schöne Kindheit ermöglicht, auch wenn es sicher nicht leicht war mit 3 Kindern.

Vielleicht erinnert man sich aber auch deswegen so gerne zurück, weil es einfach eine schöne und unbeschwerte Zeit war. Ich genieße die jetzige Zeit auch in vollen Zügen und fühle mich vor allem seit der Geburt meines Sohnes einfach als vollständigen Menschen. Aber so sehr ich es auch genieße, natürlich hat man mit zunehmenden Alter, vor allem mit einem Kind auch wesentlich mehr Verantwortung und die kann manchmal auch belastend sein. Da ist es doch verständlich, wenn man sich an die unbeschwerte Zeit zurück erinnert.

Dieses Zurückerinnern ist zumindest für mich aber auch sehr wichtig. Die Vergangenheit ist meine Basis, quasi meine Wurzeln. Auf ihr baut alles auf und die Erinnerungen geben mir oft auch Kraft und Energie wenn ich mich einmal ein wenig überfordert oder übermüdet fühle. Meine Eltern hatten es aus unterschiedlichen Gründen sicher oft auch nicht leicht und die Erinnerungen an meine Vergangenheit zeigen mir auch, dass auch schwere Zeiten dazu gehören und trotzdem alles gut gehen kann.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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