Chef behandelt Azubi unfair - Einmischen?

Unser Chef ist eigentlich ganz in Ordnung. Zu mir zumindest ist er immer nett, ich bin allerdings auch kein Azubi dort und etwas älter als die und arbeite da sowieso nur als klassische Aushilfe neben dem Studium. Vielleicht denkt er, dass er mit mir nicht so umgehen kann, ich weiss es nicht, jedenfalls wäre mir, wäre ich unsere Azubine, längst der Kragen geplatzt.

Sie ist jetzt 25 und im ersten Lehrjahr. Dass sie so spät erst eine Ausbildung macht, finde ich nicht verwerflich, immerhin macht sie eine und besser spät als nie. Sie ist sehr verlässlich und belastbar. Eigentlich steht sie von morgens bis abends unter Strom und die meisten der Aufgaben bewältigt sie alleine, weil sie einfach kein anderer kann oder keiner sonst Zeit hat. Sie ist in der Firma für mich auch immer erster Ansprechpartner, weil sie zwar erst seit einem Jahr dort ist, trotzdem aber alles weiss und immer sehr ihlfsbereit ist und ich frage lieber sie, weil ich dann wenigstens weiss, dass es stimmt. Nun ja, heute unser Chef wohl seinen schlechten Tag und fragte sie dann einfach, ob sie ein Handy hätte und sie bejaht. Er wollte dann wissen, wo das wäre und sie meinte, es wäre in ihrer Hosentasche. Er hat sie dann blöd angemacht und meinte, das gehöre da nicht hin, das würde sie von der Arbeit ablenken und unterstellte ihr, sie würde auf der Toilette dann SMS schreiben oder dorthin verschwinden, wenn eben das vibrieren würde. Sie stritt das dann ab und meinte, sie hätte noch nie hier privat telefoniert oder SMS geschrieben (was auch stimmt, das wäre mir nämlich mal aufgefallen).

Das 'Gespräch' endete dann damit, dass der Chef sehr persönlich wurde, zu ihr sagte, sie hätte nach der Ausbildung im Berufsleben keine Chance, sie würde dann eh auf der Straße landen, sie wäre nicht belastbare und - das fand ich eigentlich am schlimmsten - habe in ihrem Leben noch nie etwas geleistet. Das war dann echt der Punkt an dem ich dachte (ich stand daneben), dass das doch nicht sein kann, dass er jetzt anfängt sie so zu verletzten und ihr zu unterstellen, sie habe noch nie in ihrem Leben etwas geleistet. Ich meine, sie ist eine erwachsene Frau, keine 17jährige Göre. Sie hatte im letzten Jahr 1 Woche Urlaub, sonst überhaupt nicht, sie ist 9 Stunden am Tag da, kommt immer nach der Berufsschule und reißt sich echt den Hintern auf dafür, dass sie alles zu der Zufriedenheit der Geschäftsführung macht.

Ich weiss, dass sie das sehr persönlich genommen hat, weil ich gesehen habe später, dass sie geweint hat. Ich hab dann leise zu ihr gesagt, dass sie es nicht persönlich nehmen soll. Allerdings hat der Chef dann auch 2 Stunden später, als er ihr ansah, dass sie weinte (rote, sehr aufgequoellen Augen, es war nicht zu übersehen), sagte er 'Wie bei nem Schauspieler, sofort wie auf Knofdruck!'. Ich musste mich echt beherrschen, dass ich mich nicht einmischte. Was denkt ihr? Würdet ihr zum Chef mal sagen, an meiner Stelle, dass er etwas weit geht und sie als Mitarbeiterin auch mal zu schätzen wissen muss? Oder würdet ihr euch eher raushalten, weil eigentlich fast klar ist, dass er nie einsichtig sein würde?

Hallo Sippschaft!

Ich denke, dass das wirklich ein schwierige Situation ist. Ich würde an deiner Stelle, nur etwas zum Chef sagen, wenn ich sicher wäre, dass ich meinen Job dadurch nicht verliere. Ich denke, dass die Auszubildende ruhig etwas hätte sagen sollen, allerdings hätte sie damit vielleicht alles nur noch schlimmer gemacht. Wenn sowas aber nochmal vorkommt, dann sollte sie auf jeden Fall das Gespräch zu ihrem Chef suchen. Gibt es nicht einen Mitarbeiter bei euch, der einen besonders guten Draht zum Chef hat und ihm durchaus mal die Meinung sagen kann, ohne das dieser gleich ausflippt?

Ich denke, dass es eher noch mehr böses Blut geben würde, wenn du dich da einmischen würdest. Natürlich muss du das selbst entscheiden und sicher ist es auch sehr mutig von dir und ehrenhaft. Aber ich hätte wohl wirklich Angst, dass ich dann mit dem Chef auch noch Streit bekomme.

Naja, ehrenhaft fände ich das nun nicht von mir. Es ist eher so, dass ich denke, dass sie selbst sich da nicht so richtig traut sich zu wehren und sie sah auch wirklich sehr traurig und geplättet aus. Ich denke schon seit einer Weile, dass sie eh psychisch etwas angeschlagen scheint, falls man das so ausdrücken kann. Zumindest sehe ich jetzt im Sommer an ihren Armen, dass sie sich anscheinend selbst verletzt oder das zumindest aufgrund der Narben mal getan hat. Sie selbst hatte vermutlich Angst was zu sagen, Angst, dass sie dann rausgeschmissen wird oder vielleicht denkt sie auch wirklich, dass sie alles falsch macht und nichts kann.

Mich störte daran einfach dieses Nachtreten vom Chef nachdem er gesehen hat, dass sie eh schon weinte. Ihr dann noch zu unterstellen, sie würde das nur spielen, also bitte, sowas ist doch echt unter alles Kanone. Und dann hat sie wirklich gesagt, sie habe etwas im Auge und würde nicht weinen. Sie hat sich nicht einmal getraut, das zuzugeben. Sie ist nicht so der Typ, der sich dann wehrt, denke ich. Aber vielleicht hast du recht und ich sollte mich eher raushalten.