Boxsport als Therapie gegen Agressionen?

vom 31.05.2009, 21:58 Uhr

Hallo!

Immer wieder hört man, dass Straßenschläger einen Boxverein besuchen sollen und dort trainieren sollen. Boxen würde die Agressionen lindern. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass grade, wenn man sich auf der Straße schlägt und dabei wohl auch Freude hat, sich der Boxsport positiv draus auswirken kann.

Sicher kennt man das, wenn man wütend ist und irgendwas gegen die Wand haut, dass es einem besser geht. Aber ist es sinnvoll einen schon agressiven Menschen oder einen Menschen, der leicht agressiv wird auch noch den Boxsport nahe zu bringen? Sollte man da nicht lieber einen Sport wählen, wo der agressive Mensch sich an Gegenständen abreagieren kann? Warum dann Boxsport mit einem menschlichen Gegener?

Was haltet ihr von dieser Therapie für agressive Menschen? Was denkt ihr? Ist es der richtige Sport gegen Agressionen? Welchen Sport würdet ihr eher empfehlen?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Hallo Diamante,

das ist aber komisch, ich habe heute Abend auch mit meinem Freund über dieses Thema gesprochen. Ich verstehe es nicht wirklich, wie man so agressiven Menschen auch noch Kampfsport beibringen kann. Mir ist schon klar, dass sie während ihrer zum Beispiel Boxausbildung sehr brav sind, gut zuhören und anständig wirken.

Jedoch ist das doch auch verständlich, immerhin bekommen sie so kostenlosenlosen Unterricht und Tipps, wie man seinen Gegner noch schneller zu Boden bekommt. Ich möchte aber auch nicht alle, zumeist Jugendlichen, verurteilen, da es sicherlich auch anständige unter ihnen gibt, die sich diesen Sport zu Herzen nehmen und die ihnen gebotene Chance auch nutzen möchten. In meinen Augen können sich die Leute doch auch anders abreagieren.

Muss es denn ausgerechnet ein Kampfsport sein? Warum joggen sie nicht, bis sie erschöpft sind? Dann ist man auch ausgepowert und zu schlapp um seine Agressionen rauszulassen. Ansonsten wäre ein Mannschaftssport vielleicht ganz gut, damit sie feststellen können, dass einiges eben nur im Team bzw. in einer Gruppe funktioniert und der Zusammenhalt und das Vertrauen die Mannschaft erst zum laufen bringen.

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» Sissley » Beiträge: 1131 » Talkpoints: 5,54 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich sehe das in etwa wie ihr.

Im Grunde finde ich, ist es erst einmal eine gute Idee, das Aggressionspotential einer Person zu kanalisieren. Also, dass man etwas findet, wo die Person sich abreagieren kann. Möglichst allerdings an Gegenständen, nicht an Lebewesen. Denn auf Lebewesen zu schlagen, setzt vermutlich eine gewisse Hemmung allgemein herab, Lebewesen zu verletzen. Und dass das gut wäre, gerade bei sowieso schon gewalttätigen Leuten, das wage ich mal stark zu bezweifeln.

Andererseits, allein an sich betrachtet: Meinentwegen könnte man der Person auch die Möglichkeit geben, sich fair in einer Schlägerei zu messen, wie es nun einmal beim Boxen ist. Da ist es im Grunde ja erst einmal so, dass die Beteiligten sich freiwillig prügeln, also meiner Meinung nach dann auch selbst schuld daran sind, wenn ihnen etwas passiert.

Aber ich befürchte eben, dass solche Schlägereien mit anderen Menschen, auch, wenn der Kampfpartner sich freiwillig beteiligt, nicht gerade gut gegen Aggressionen wirken, wenn der, der sich damit befasst, vorher schon andere Menschen, möglicherweise willkürlich, ohne deren Einvernehmen verprügelt hat. Die Hemmung, Menschen zu schlagen, wird, wie gesagt, durch den Boxsport nicht abnehmen.

Abgesehen davon wurde hier ja auch schon geschrieben, dass die Schläger dann nur noch besser lernen, wie sie jemanden nieder schlagen. Das heißt, im Grunde würden sie dadurch nur noch gefährlicher, wenn sie dann weiterhin kriminell handelten. Was ja nicht auszuschließen ist. Und das ist ja eigentlich das Gefährliche.

Ich denke also auch, dass man sich da lieber andere Möglichkeiten suchen sollte, seine Wut und Aggressivität in eine andere Richtung zu lenken, ja, gewissermaßen auch auszuleben (wenn es gar nicht anders geht), aber eben so, dass dabei niemand, kein Mensch und kein Tier, zu Schaden kommt. Das könnten dann beispielsweise Team-Sportarten sein, wo es um ein Miteinander geht.

Aber es muss nicht einmal zwangsläufig Sport sein. Wie wäre es denn beispielsweise damit, seine Wut in Songtexten auszudrücken? Wobei das natürlich auch wieder so eine Frage ist, ob Leute, die so plump sind, dass sie nur Gewalt als "Lösung" kennen, kreativ genug sein können, um überhaupt an ihrer Wortwahl zu feilen und sich über irgendwelche Texte intensivere Gedanken zu machen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Es gibt Untersuchungen zum Thema Aggression und in denen wurde wohl nachgewiesen, dass das Ausleben von Aggressionen nicht zum Abbau der Aggressionen führt sondern eher das Gegenteil bewirkt. In wie fern man dieses Ergebnis verallgemeinern kann weiß ich natürlich nicht, aber skeptisch bin ich deshalb auf jeden Fall.

Aber wer sagt denn, dass es bei dem Boxen im Verein nur darum geht Aggressionen abzubauen? Vielleicht geht es vielmehr darum die Jugendlichen aus einem aggressiven Umfeld herauszuholen und so Aggressionen erst gar nicht entstehen zu lassen? Vielleicht geht es auch einfach darum den Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anzubieten und ihnen dabei nebenbei noch beizubringen, dass man sich im Umgang miteinander an bestimmte Regel halten muss?

Mir fallen da jedenfalls eine ganz Menge Gründe ein, die mit deiner Annahme, dass dieses zum Abbau von Aggressionen gemacht wird, nichts zu tun haben. Wenn du dich dafür interessierst wäre es vielleicht auch sinnvoll erst mal das Konzept von so einer Maßnahme durchzulesen und dann zu urteilen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Es mag ja sein, dass es nicht um den Aggressions-Abbau geht, sondern um ein neues, nicht kriminelles Umfeld. Oder um das Erlernen von Regeln und Fairness. Natürlich spielt das auch eine Rolle.

Nur, wieso muss es ausgerechnet das Boxen sein? Du betonst, es geht um ein nicht aggressives Umfeld, um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und um das Erlernen neuer Regeln in einem erst einmal neuen Umfeld. Also, wieso unbedingt Boxen? Da könnten die jugendlichen Straftäter doch genauso Schach spielen, oder, wenn es weniger geistig anspruchsvoll sein soll, meinentwegen Fußball oder Basketball.

Es erschließt sich mir einfach nicht, wenn es nur um Ablenkung, Regeln und nette Menschen geht, wieso man dann eine Sportart aussuchen muss, bei denen man Menschen schlägt. Wo es doch hunderte von Alternativen dazu gibt, die mit Gewalt nichts zutun haben (und ja, Boxen ist Gewalt, auch, wenn diese nach Regeln abläuft).

Wäre es bei einem gewalttätigen Menschen, der durch seine Gewalttätigkeit mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, nicht sinnvoller, ihn an Hobbies heran zu führen, die mit Gewalt gar nichts zutun haben?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Wawa666 hat geschrieben:Nur, wieso muss es ausgerechnet das Boxen sein? Du betonst, es geht um ein nicht aggressives Umfeld, um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und um das Erlernen neuer Regeln in einem erst einmal neuen Umfeld. Also, wieso unbedingt Boxen? Da könnten die jugendlichen Straftäter doch genauso Schach spielen, oder, wenn es weniger geistig anspruchsvoll sein soll, meinentwegen Fußball oder Basketball.

Ich nehme an, dass man sich bei der Auswahl des Sports an der Zielgruppe orientiert hat und sich auch für einen Sport entschieden hat, für den man Anleitung und solche Sachen bracht.

Mit "wer hat Lust Schach zu spielen?" hat man wahrscheinlich die Lacher auf seiner Seite aber motiviert sicher keine Jugendlichen von der Straße. Und Fußball und Basketball werden die meisten schon mal gespielt haben und werden auch irgendwo einen Bolzplatz kennen, wo sie hingehen könnten, wenn sie spielen wollten. Boxen unter Anleitung mit richtigen Handschuhen und Sandsäcken ist da sicher attraktiver, weil es für die meisten etwas neues ist.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Es gibt ja in der Realität ausreichend viele Beispiele, die beweisen, dass nicht einmal übermäßiger Boxsport dazu führt, dass die Agressionen dabei abgebaut werden. So wundert es mich wirklich nicht, dass sehr viele Boxer auch vor und nach ihrer Karriere als Profiboxer diverse Anzeigen wegen Körperverletzung am Hals haben. In vielen Fällen glaube ich sogar, dass die Profiboxer ihr 'Talent' benutzen, wenn sie nachts mal einen über den Durst getrunken haben und der Türsteher sie nicht reinlassen will. Leute wie Mike Tyson hätten ja eigentlich die bravsten Lämmchen sein müssen, nachdem sie stundenlang am Tag geboxt hatten. Waren sie aber nicht.

Ich selbst glaube aber auch wirklich nicht, dass Schlagen etwas gegen eine Agression hilft. Jeder kennt das bestimmt und du hast es ja schon gut beschrieben: Man würde am liebsten etwas gegen die Wand donnern und gegen etwas schlagen! Aber wäre es nicht eher erstrebenswert, dieses Gefühl zu unterdrücken? Ich würde jedenfalls nie auf die Idee kommen, mein agressives Kind zum Boxsport zu schicken, sondern würde erst einma ergründen woher so viel Wut kommt. Mal abgesehen davon: Ich finde den Boxsport unheimlich dumm.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Also ich sehe das nicht so kritisch wie ihr. Ich denke, dass vor allem viele Jugendliche deshalb so agressiv sind, weil sie beschäftigungslos sind und deshalb auf dumme Gedanken kommen. Wenn sie denn ganzen Tag nur abhängen und sich kaum bewegen kann sich diese "angestaute Energie" durchaus in Form von Gewalt und/oder Aggression entladen.

Beim Boxen können sie sich nicht nur körperlich abreagieren sondern lernen auch noch Disziplin. Sie lernen pünktlich zum Training zu gehen, ihrem Boxtrainer zu folgen und bekommen einen Eindruck, dass Boxen nichts mit "aufeinander einschlagen" zu tun hat, sondern das man auch Köpfchen dazu braucht.

Wobei ich finde, dass es nicht unbedingt das Boxtraining sein muss. Es gibt auch andere Sportarten, die genauso hilfreich sein können, wie zum Beispiel Fußball, Joggen etc...

Ich finde nur, dass man jetzt nicht per se darauf schließen sollte, dass diejenigen, die Boxtraining als Antiaggressionstherapie machen zu übleren Schlägern werden als vor der Therapie.

» DerRaucher » Beiträge: 161 » Talkpoints: 9,79 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das kann man so oder so sehen. Die meisten Menschen mit Aggressionsproblemen sind von Natur aus cholerisch, liegt vielleicht daran das ihnen damals nie die Meinung gesagt wurde oder eben auch am Gegenteil. Wer weiß das schon, sicher ist nur das Menschen wenn man sie Sportlich fordert von Natur aus kaputt sind nach dem Training und somit weniger Kraft und Lust haben sich danach noch mit anderen Menschen zu beschäftigen im Sinne von Aggressionsabbau. Ich finde das Boxtraining wenn es denn wahrgenommen wird ist eine super Sache sofern man den Menschen auch die Chance gibt öfter als nur einmal in der Woche für 2 Stunden zu trainieren.

Wenn man hier von Aggressionsabbau spricht dann sollte es mindestens 2-3-mal die Woche für zwei Stunden stattfinden. Hier muss man die Menschen nicht nur körperlich sondern auch geistig fordern und sie an ihre Grenzen bringen. Alleine durch das Training bauen sie genügend Aggressionen ab um nicht mehr Aggressiv nach außen und auch von ihrem inneren her zu wirken. Des Weiteren werden im Training auch Werte vermittelt die ihnen helfen "Ein besserer Mensch" zu werden. Man kann es auch Martiale Erziehungs- Methode nennen und diese funktioniert recht hervorragend.

Da hier das Thema Mike Tyson aufkam werde ich dazu auch nochmal kurz Stellung nehmen, es gibt Menschen die sind von ihrem Wesen her so gestrickt das sie Aggressionspotenzial für 3 Mann haben und dazu kommt erschwerend hinzu das es auch Menschen gibt für die Ruhm und Sieg pures Gift ist. Mike Tyson ist so ein Mensch, viele Kämpfe gewonnen hält sich unbesiegbar und wenn es denn mal mit dem Gewinnen nicht klappt beißt er halt einfach mal ein Ohr ab. Solche Menschen wird man auch im "Aggressionsabbau" immer wieder treffen daher ist die Qualität und das Know How der Trainer umso wichtiger. Solche Menschen müssen ausfindig gemacht werden und professionellen Händen übergeben werden.

» Yalcinator » Beiträge: 450 » Talkpoints: 2,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Diamante hat geschrieben:Was haltet ihr von dieser Therapie für agressive Menschen? Was denkt ihr? Ist es der richtige Sport gegen Agressionen? Welchen Sport würdet ihr eher empfehlen?


Hallo,

also ich denke, das grade das Boxen ein sehr guter Sport ist, um seine Aggressionen abzubauen und somit finde ich ihn auch sehr geeignet für solche Leute. Denn durch das Boxen im Verein, sind sie erstens von der Strasse und somit aus dem üblichen kriminellen Umfeld raus und da es ja auch Regeln beim Boxen gibt, lernen sie auch etwas daraus.

Grad für jugendliche Straftäter wird ja oft so ein Anti Agrressionstraining im Boxverein oder allgemein im Kampfsport gemacht und ich kann mir schon vorstellen, das die Trainer eines solchen Vereines, solche Straftäter schon richtig ran nehmen im Training. Diese sind dann so geschafft, das sie gar keine Lust und Kraft mehr haben, draussen auf der Strasse sich wild rumzuschlagen.

Den meisten scheint es ja auch noch richtig Spaß zu machen, in so einem Verein zu kämpfen und da es ja ganz andere Voraussetzungen sind, wie die Kämpfe auf den Strassen, fühlen sie sich ja auch ganz anders. Der Vereins ist ja praktisch ein Auffangfeld für solche Jugendlichen, die sonst nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen und dann einfach aus langeweile so handeln.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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