Experiment: Vegetarier für 30 Tage
Ers einmal danke für die guten Tips. Jetzt sind es schon über drei Wochen und ich habe bisher gut durchgehalten.
Es ist erstaunlich, wie sehr der Mensch doch ein Gewohnheitstier ist. Nach zwei Wochen hatte ich einen furchtbaren Heisshunger auf irgendein fettiges Fleisch, ich konnte an keiner Currywurstbude vorbeigehen ohne dass mir das Wasser im Mund zusammengelaufen wäre, habe meine Kollegen das Kantinenessen geneidet und habe allgemein sehr unter meinem selbst auferlegten Verbot gelitten. Jetzt hat sich das alles gelegt, der Heisshunger ist weg, ich fühle mich gut und habe nur selten Appetit auf irgendetwas fleischiges. Interessanterweise finde ich Schweine- und Rindfleisch sogar ein wenig eklig, während ich mit Geflügelfleisch keine Probleme habe. Merkwürdig.
Belastend finde ich aber die Reaktion meiner Mitmenschen. Jeder hat scheinbar das Gefühl sich irgendwie für seinen Fleischkonsum rechtfertigen zu müssen oder mich oder den Vegetarismus an sich schlecht zu machen, ohne dass ich in irgendeiner Weise auf das Thema zu sprechen gekommen wäre . Ich höre ständig Sätze wie: "Das ist ungesund.", "Du trägst ja auch Leder", "Eier kommen doch auch von Tieren" und viel blabla mehr. Können die Leute nicht zu ihren eigenen Entscheidungen stehen ohne sich Dinge auszudenken (ungesund etc.) oder anderen Heuchelei vorzuwerfen (die Sache mit den Eiern z.B.)?
In neun Tagen ist es so weit und ich werde dann Bilanz ziehen und entscheiden, ob ich dabei bleibe oder nicht, im Moment tendiere ich mit 51:49 für Vegetarismus. Ich fühle mich leichter und wacher, es ist aber vergleichsweise unpraktisch (keine Auswahl in der Kantine, um nur ein Beispiel zu nennen), die Mitmenschen nerven und ich vermisse KFC (ein bisschen).
Ich gebe den Meisten, die so etwas vorhaben, maximal eine Woche, so Leid es mir auch tut. Vegetarier sein ist meiner Meinung nach eine Lebenseinstellung, das lässt sich nicht einfach mal so dreißig Tage lang testen. Man hat sich jetzt seit mehreren Jahren fast ausschließlich von Fleisch ernährt und der Körper hat sich daran gewöhnt.
Nur Gemüse zu essen ist nämlich gar nicht so gesund wie man denkt. Der Körper braucht auch Eiweiße und Fette, welche er vor allem aus dem Fleisch bezieht. Und ich glaube nicht, dass einem echten Fleischliebhaber plötzlich auch Tofu oder Ähnliches schmeckt. Der Geschmack ist alles Andere als berauschend und wird viele schon bald dazu bringen, wieder aufzuhören .
Ich wünsche dir trotzdem viel Glück, dass du es durch hältst und freue mich auch, wenn du uns alle vom Gegenteil überzeugen kannst. Dazu gehört nämlich schon jede Menge Mut und vor allem viel Ehrgeiz, das wirklich zu schaffen, meinen Respekt.
Das ist ja ein interessantes Experiment, das du da machst, und ich kann mir vorstellen, dass es für "eingefleischte Fleischesser" schwierig ist, sowas durchzuhalten. Ist bei mir dasselbe mit Schokolade, ich habe mal während der Fastenzeit keine Schokolade gegessen und hatte echt Schwierigkeiten, das durchzuhalten.
Ich stimme aber den anderen zu, dass Vegetarier es nur dann dauerhaft bleiben können, wenn sie sich aus moralischen Gründen dazu entscheiden und vor allem auch keine Fleischliebhaber sind. Ich esse ja selbst kein Fleisch, bin aber kein Vegetarier mehr (esse mittlerweile wieder Fisch und bin nicht allzu streng bei Soßen, in denen Fleisch lag, etc.). Mir fällt es überhaupt nicht schwer, weil ich Fleisch noch nie mochte. Meine schlechtes Gewissen den armen Tieren gegenüber ist aber nicht so stark, da mir die Fische zwar leid tun, ich aber trotzdem ab und zu mal einen verspeise.
Eine Erfahrung hat dein Experiment auf jeden Fall gebracht: du hast mal erlebt, wie nervig andere Leute auf das eigene Essverhalten reagieren können. Ist auch ein interessantes Erlebnis. Mir ist auch schon alles mögliche vorgeworfen worden, oder die Leute erzählen mir wahlweise, dass sie selbst ja auch extrem wenig Fleisch essen oder bemitleiden mich, als hätte ich ein ganz schweres Schicksal zu tragen.
Also erstmal finde ich es super, dass du das Experiment wagst und ich will dich da nur unterstützen, aber ich gebe doch zu bedenken, dass es vielleicht etwas schwer werden könnte:
Stell dir vor: ein Grillabend, alle essen lecker Fleisch und was isst du? Ich habe den Vorteil, dass ich in einer großen Stadt lebe und es dort riesige Einkaufsläden gibt, in denen nun auch vegetarische Schnitzel und Bouletten und Sojawürstchen und sowas angeboten werden, die ja auch dann für dich in Frage kommen würden und auch ganz lecker sein könnten, aber man muss erstmal die Möglichkeit haben so etwas zu kaufen.
Also ich denke, dass es eine riesige Einschränkung für dich sein wird und für mich würde so etwas überhaupt nicht in Frage kommen, dafür schmeckt mir Fleisch einfach zu gut.
Ich bin schon seit einigen Jahren Vegetarier und ich muss sagen, dass es mir an nichts fehlt: meine Blutwerte sind optimal und Lust auf Fleisch habe ich auch nicht. Ich gehöre auch nicht zu denen, die nur Grünzeug essen. Ich achte zwar sehr auf meine Ernährung, doch ich schränke mich damit nicht ein. Ich esse genau das was andere auch essen, nur ohne Fleisch.
Ich muss dazu sagen, dass ich Fleisch nie gemocht habe und froh war, endlich eine ,,Ausrede" gefunden zu haben, es nicht mehr essen zu können. Seitdem habe ich entdeckt, wie abwechslungsreich und lecker vegetarische Produkte und Gerichte sind.
Falls dir der Fleischgeschmack fehlt, kann ich dir Tofu oder Sojabratlinge empfehlen. Die schmecken sehr Fleischähnlich und sind auch noch gesund.
Es ist geschafft. Ich habe 30 Tage durchgehalten.
Danke erstmal für die vielen Tips und das rege Interesse an meinem Experiment.
Die letzten 30 Tage waren für mich sehr erkenntnisreich. Ich konnte über meine Einstellung zum Fleischessen und zur Ernährung überhaupt gründlich reflektieren. Der Geist ist jetzt allerdings aus der Flasche und er will nicht mehr hinein Wenn ich mir jetzt ein Schnitzel ansehe, habe ich eine merkwürdige Mischung aus Gefühlen. Einerseits erinnere ich mich an den guten Geschmack, rieche das Aroma und bekomme sofort Appetit, andererseit schreit ein anderer Teil meines Gehirns "Iieeh, totes Fleisch" und ein gewisser Ekel macht sich breit. Ich werde das ganze also noch unbestimmte Zeit fortsetzen.
Mein vorläufiges Resumee:
Vorteile:
- angenehm leichtes Körpergefühl
- mehr Energie
- es ist gesund
- ein reineres Gewissen
- viele gute globale Effekte (Bekämpfung des Klimawandels, des Hungers, Rettung des Regenwaldes, etc.)
Nachteile:
- Essen ist plötzlich relativ aufwendig (wenig Essen zum Mitnehmen, Zutatenauswahl und -zusammenstellung)
- die Mitmenschen nerven mit ihren Predigten (sehr interessante Ironie eigentlich)
- gut schmecken tun tote Tiere schon
Von Zeit zu Zeit werde ich vielleicht mal einen Statusbericht schreiben. Als nächstes werde ich mich mal ein wenig wie TruppsRT vorgeschlagen hat mit Tofu beschäftigen, dann kann auch die Grillsaison eröffnet werden.
Erstmal herzlichen Glückwunsch, dass du dein Experiment durchgehalten hast. Bei der Auflistung deiner Nachteile stellt sich mir aber die Frage, was du mit "aufwendigem Essen" meinst. Wenn man seine Ernährung von ungesund auf gesund umstellt, kann ich mir schon vorstellen, dass man da mehr Aufwand betreiben muss. Aber vegetarische Ernährung ist doch heutzutage relativ einfach.
Vor zehn Jahren hatte man in dem Bereich wirklich wenig Auswahl und musste für Soja-Bratlinge etc. immer ins Reformhaus oder ähnliche Geschäfte. Mittlerweile gibt es fleischlose Produkte (Tofu, "Wurst", usw.) doch fast in jedem Supermarkt. Mein Freund isst Fleisch und ich nicht. Trotzdem koche ich für uns meistens gemeinsam. Für ihn gibts dann halt ein Schnitzel und für mich ein Sojaschnitzel. Seit kurzem gibt es bei Edeka-Neukauf eine Reihe, die "fleischlos glücklich" heißt. Da gibt es neben Tofu-Gyros, -Cevapcici und anderem endlich auch meine lang ersehnte "vegetarischen Bifi". Bis die auch in Tankstellen zu kaufen ist, dauert es wohl noch eine Weile, aber dass es sowas überhaupt gibt, ist doch schon mal ein Anfang.
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