Bildzeitung und die einstweilige Verfügung

vom 16.04.2009, 18:16 Uhr

Wie wir mittlerweile alle mal gelesen haben, soll die No Angels Sängern Nadja schwere Körperverletzung begangen haben indem sie - trotz ihres Wissens um ihre eigene HIV-Infektion - ungeschützten Geschlechtsverkehr mit drei Männern hatte (siehe auch Ex-No Angel Nadja Benaissa wegen Körperverletzung verhaftet). Dass die Bild-Zeitung hier natürlich einen riesigen Aufmacher von macht liegt in der Natur dieser "Zeitung" und ist "so weit, so gut". Dass sich die Sängerin deswegen beschwert kann man auch aus ihrer Sicht nachvollziehen, und deswegen sind sie und ihr Anwalt deswegen auch vor Gericht gegangen. Dort wurde eine einstweilige Verfügung unter anderem gegen die Bild Zeitung, genauer gesagt gegen den Axel Springer Verlag erwirkt.

Diese einstweilige Verfügung untersagt der Bild und den übrigen Zeitungen des Axel Springer Verlags (WELT zum Beispiel) vorläufig die Berichterstattung über den Fall - naja, deswegen heißt es schließlich "einstweilige" Verfügung. Und heute? Macht die Bild aus Provokation nochmal eine Titelstory von diesem Vorfall, wenngleich es nichtmal was Neues zu berichten gibt - es geht nur darum, sich der einstweiligen Verfügung zu widersetzen. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass man die Pressefreiheit sonst ja gleich streichen könnte und ähnliches. Man hat natürlich einen Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt, aber rechtlich betrachtet darf man trotz eines Widerspruchs erstmal keine solchen Berichte (wie heute auf der Titelseite) veröffentlichen.

Das "Interessante" dabei ist: Die einstweilige Verfügung ist ja wie gesagt nur ein temporäres Mittel, das Gericht wird sich noch ausführlich damit befassen, ob die Bildzeitung hier die Privatsphäre der Sängerin verletzt hat oder nicht. Sollte der Sängerin in diesem Streitfall rechtgegeben werden, so droht dem Axel Springer Verlag wegen des Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung ein Bußgeld und außerdem würde sich der Anspruch auf Schmerzensgeld noch erhöhen. Sollte das Gericht aber entscheiden, dass die Intimsphäre der Sängerin nicht verletzt wurde - dann bleibt der Verstoß gegen die gerichtlich angeordnete Verfügung völlig folgenlos!

Da frage ich mich ehrlich gesagt schon, wo dann der Sinn von solchen einstweiligen Verfügungen liegt? Vielleicht können unsere Juristen hier mir das ja mal erklären, für mein Empfinden sollte - egal wie das Gericht später entscheidet - mindestens eine Strafe (meinetwegen gerne Geldstrafe bzw. Bußgeld) wegen des Verstoßes fällig werden. Wozu verfügt denn ein Gericht sonst etwas zeitlich begrenztes, wenn sich doch nicht daran gehalten wird weil man sich (mehr oder weniger) sicher ist, den späteren Rechtsstreit zu gewinnen?

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Na ja - eine einstweilige Verfügung klingt immer nach mehr als sie eigentlich ist. Prinzipiell handelt es sich hierbei nur um eine vorläufige Entscheidung eines Gerichtes solang damit Schaden oder Ansprüche ohne materiellen Bezug verhindert werden sollen.

Hier kann extrem viel zusammenkommen warum die Bild-Zeitung so handeln konnte ohne dass eine Verletzung vorliegt:
- es wurde eine Schutzschrift hinterlegt bei verschiedenen Gerichten,
- die einstweilige Verfügung wurde nicht zeitnah per Gerichtsvollzieher zugestellt (obliegt demjenigen der sie beantragt hat),
- usw.

Auch wenn man die anderen Sachen vermuten kann so können hier ganz profane Rechtsgrundsätze zu Grunde liegen ohne dass die Bild-Zeitung gegen die einstweilige Verfügung verstoßen hat.

Mal ganz abgesehen davon, vermute ich dass sich der Axel-Springer-Verlag locker leisten (falls er im Unrecht sein sollte) kann die angedrohten Folgen aus der Portokasse durch die zusätzlichen Verkäufe locker zu finanzieren :wink:. Zynisch, aber so ist das eben. Zudem kann eine vorläufige Entscheidung später eben immer wieder revidiert werden, worauf der Axel-Springer-Verlag spekulieren wird. Blöd ist das nur immer dann, wenn es anders aussieht (man also im Unrecht ist).

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Subbotnik hat geschrieben:Mal ganz abgesehen davon, vermute ich dass sich der Axel-Springer-Verlag locker leisten (falls er im Unrecht sein sollte) kann die angedrohten Folgen aus der Portokasse durch die zusätzlichen Verkäufe locker zu finanzieren :wink:. Zynisch, aber so ist das eben.

Eben das ist es, was ich so (verzeiht's) bescheuert finde. Dass sich Leute (Firmen) mit Geld einfach mal Verstöße gegen die Justiz erlauben können, weil ihnen die mögliche Strafe nicht wirklich schadet. Ja, ich weiß auch, dass es leider all zu oft so ist, aber richtig finden muss ich es deswegen ja trotzdem nicht ;) Und erst recht finde ich es ziemlich daneben, dass speziell die Bild durch ihren Verstoß wiedermal an Publicity gewinnt - bei manch einem mag diese Aktion ja durchaus als "jemand, der sich gegen die großen Bösen auflehnt" ankommen (kann man so sehen, muss man aber nicht) - somit gewinnt die Bildzeitung ja zusätzlich noch einen gewissen Vorteil aus ihrem Rechtsverstoß. Das kann doch einfach nicht im Sinne des Erfinders sein.

Subbotnik hat geschrieben:Na ja - eine einstweilige Verfügung klingt immer nach mehr als sie eigentlich ist. Prinzipiell handelt es sich hierbei nur um eine vorläufige Entscheidung eines Gerichtes solang damit Schaden oder Ansprüche ohne materiellen Bezug verhindert werden sollen.

Aber eine vorläufige Entscheidung bleibt doch trotzdem eine Entscheidung des Gerichts - und solange wir in einem Rechtsstaat leben und uns nicht mit Pistolen und Atombomben unser Recht verschaffen, hat man doch ersmal einer gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten?!

Ich meine, wenn es wenigstens irgendetwas nennenswertes zu berichten gäbe, irgendeine Veränderung an der bekannten Sachlage des ursprünglichen Falls zum Beispiel, könnte ich es bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, irgendwie. Aber hier handelt es sich ja um die bloße Provokation, sinnbildlich ein Spucken auf die Entscheidung. Das kann's doch nicht sein?

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Also ich gebe zu, hier handelt es sich schon um einen Extremfall und hier Gegenargumente zu finden fällt mir hier besonders schwer (eine der Situationen die ich hasse, positiv Standpunkt zu etwas beziehen zu müssen was mir selbst zuwider ist :wink:) aufgrund meiner sowieso schon immer bestehenden Antipathie gegen alles wohinter und wofür der Springer Verlag steht (ich äußere mal besser nicht öffentlich, in was für eine Kategorie die für mich fallen :wink:), aber:

1.) In der Regel wird einstweiligen Verfügungen auch unter Anspruchnahme der genannten Rechtsmittel Folge geleistet, eben weil diese meist "im Recht" sind und hier normalerweise jeder Jurist der nicht nur an seinen Profit sondern auch an das Wohl des Mandanten denkt irgendwo vorausdenkt.

2.) Auflehnen gegen die Bösen - na gut, da muss man schon sehr naiv sein, um das so auszulegen :wink:, das sehe ich nicht anders.

3.) Natürlich handelt es sich um eine Entscheidung, aber nur um eine vorläufige mit bedingter Rechtskraft. Mal als Beispiel: Auch Urteile sind nur bedingt gültig, solang eine Revision möglich ist. Solange sie keine Rechtskraft erlangt haben ist auch das meist nur eine vorläufige Entscheidung auf Papier.

Ich kenne hier einige Fälle, gerade seit ich in den USA bin aber auch aus Deutschland, wo Firmen immer wieder das Nachsehen hatten und einfach in eine höhere Instanz gingen mit dem Ziel, den Gegner finanziell auszureizen bis der aufgeben musste. Da konnte dieser 2 - 3 mal hintereinander Recht bekommen haben (z. B. Anspruch auf Zahlung / Schadenersatz) nur hat er nie einen roten Heller bekommen, da die Rechtskraft durch die Revision nie eintrat. Viele Firmen und Privatpersonen wurden so finanziell wie gesagt ausgehungert, bis sie nach 6 - 8 Jahren Prozess aufgeben mussten - obwohl sie immer Recht bekamen, aber eben nur vorläufig! Traurig, aber wahr - oder wie es so schön heißt: Recht haben heißt nicht Recht bekommen :(.

Naja, etwas weit weg vom Thema, aber ich hoffe es wird klar was ich sagen möchte. Solang es sich eine Firma leisten kann und sogar noch die Chance wittert hier als Sieger vom Platz zu gehen läuft es bei einstweiligen Verfügungen oft ähnlich - vor allen Dingen dann, wenn die Profite die möglichen Verluste durch entstehende Schadenersatzansprüche aufwiegen. Der Beklagte muss eben auch immer die Chance haben sich verteidigen zu können und an diesem Beispiel vielleicht noch mit dem Zusatz: Ohne dass ihm dadurch wesentliche Nachteile entstehen, d. h. dass eine einstweilige Verfügung eben auch kein Maulkorb darstellen darf, mit dem der Kläger alles mögliche zum Schaden des Beklagten durchsetzen könnte. Wie gesagt, inwiefern hier Schaden entsteht, darüber müssen wir glaube ich nicht streiten, nur muss man sich (so schwer es auch fällt) auch in die Gegenpartei hineinversetzen die meint in ihren Rechten eingeschränkt zu werden.

Ein Spucken auf die Entscheidung und vor allem auf die Person (auch wenn die mir relativ egal ist) - so sehe ich es auch. Objektiv betrachtet nutzt man aber einfach nur die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel aus, was in diesem Kontext natürlich reichlich makaber ist.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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